CD-Rezension:
Vittorio Grigolo
Verissimo
Czech National Symphony Orchestra
Pier Giorgio Morandi
Sony Classica 88875100342
von Peter Sommeregger
Der 1977 geborene und in Rom aufgewachsene italienische Tenor Vittorio Grigolo begann seine Karriere bereits 1990 mit einem Auftritt als Hirtenknabe in Puccinis „Tosca“. Ein Studium an der Sixtinischen Kapelle schloss sich an, ab 1999 entwickelte sich seine Karriere international. Sein blendendes Aussehen und seine charismatische Persönlichkeit ließen ihn schnell in die erste Reihe der Belcanto-Tenöre aufsteigen.
Nach einem Zwischenfall beim Gastspiel der Londoner Covent Garden Opera in Japan, der wohl auf ein Missverständnis auf dem Höhepunkt der MeToo- Debatte zurückzuführen war, wurden Grigolo verschiedene Verträge gekündigt. Das hat zu einem vorübergehenden Karriere-Knick geführt, aber inzwischen ist der Sänger wieder international gefragt und gut beschäftigt.
Nun legt der Tenor mit „Verissimo“ sein erstes Soloalbum seit zehn Jahren vor. Dem Titel entsprechend ist es Komponisten gewidmet, die der Strömung des Verismo an der Nahtstelle des 19. und 20. Jahrhunderts zuzuordnen sind. Unter Beweis stellen kann Grigolo erneut seine Fähigkeit zur Gestaltung, und seine Stilsicherheit. Leider muss man aber konstatieren, dass seine Stimmführung ein wenig unstet geworden ist, und sich ein leichtes Tremolo bemerkbar macht.
Bereits beim ersten Titel aus Boitos „Mefistofele“ bemerkt man eine leichte Verschattung der Stimme. Bei den Spinto-Partien wie dem Andrea Chénier von Giordano oder der Arie aus Ponchiellis „La Gioconda“ geraten die Spitzentöne ein wenig kehlig. Man vermisst inzwischen die Leichtigkeit des Ansatzes, wie sie dem Sänger früher zur Verfügung stand. Erst bei der letzten Arie, Calafs „Nessun dorma“ aus Puccinis Turandot klingt die Stimme frei, und der Spitzenton am Ende gelingt dem Sänger ausgezeichnet.
Das Czech National Symphony Orchestra unter Pier Giorgio Morandi begleitet sensibel und kompetent.
Zieht man das Booklet der CD heran, stolpert man über Aufnahmedaten aus dem Jahr 2016 in Prag, und solchen in Italien im Jahr 2023, für die kein Orchester genannt ist. Das ist ein wenig verwirrend , würde aber die unterschiedliche Verfassung Grigolos erklären. Oder wurden etwa bei den Sitzungen im Jahr 2023 nur Korrekturen vorgenommen?
Die Konkurrenz für Grigolo ist mit den aufstrebenden Tenören Bernheim, Tetelman und De Tommaso größer geworden, man kann nur hoffen, dass die Defizite der CD nur einem vorübergehenden Formtief geschuldet sind.
Peter Sommeregger, 26. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD-Rezension: Jonathan Tetelman, The great Puccini klassik-begeistert.de, 27. Oktober 2023
CD-Rezension: Benjamin Bernheim, Boulevard des Italiens, klassik-begeistert.de
CD-Besprechung, Freddie De Tommaso, Passione klassik-begeistert.de
Lieber Peter Sommeregger,
De Tommaso ist viel, aber (noch) keine ernstzunehmende Konkurrenz! Von Tetelman werde ich mir erst ein Urteil bilden können, wenn er nächste Saison in Wien singt. Bernheim ist schon längst da – neben Grigolo. Die stehen sich beim Repertoire nur bedingt im Weg.
Jürgen Pathy
Sprechen wir lieber über bzw. hören wir lieber Fritz Wunderlich.
Michael Lehmler