Der Kampf um das Gold hat begonnen – fulminanter Auftakt zum "Ring des Nibelungen" bei den Bayreuther Festspielen

Richard Wagner, Das Rheingold  Bayreuther Festspiele, 28. Juli 2024

I Szene. Morgendämmerung: Evelin Novak (Woglinde), Natalia Skrycka (Wellgunde), Marie Henriette Reinhold (Floßhilde), Ólafur Sigurdarson (Alberich), Statisterie der Bayreuther Festspiele © Enrico Nawrath

Allein die hohe Musikalität, mit der Valentin Schwarz die Sänger führt, hat man so lange nicht mehr gesehen. Alles ist wohl durchdacht, die Reaktionen immer im Einklang mit Musik und Text. Gerade dadurch wird man immer wieder darauf hingewiesen, was für schäbige und menschenverachtende Figuren der angeblich ach so hehre Göttervater und seine Entourage sind.

Richard Wagner
Das Rheingold

Musikalische Leitung:   Simone Young

Regie: Valentin Schwarz
Bühne: Andrea Cozzi
Kostüm: Andy Besuch
Dramaturgie: Konrad Kuhn

Lichtwiederaufnahme: Nicol Hungsberg nach Reinhard Traub
Video: Luis August Krawen

Orchester der Bayreuther Festspiele

Bayreuther Festspiele, 28. Juli 2024

von Axel Wuttke

Wie aus dem Nichts beginnt das Rheingold, langsam steigert sich die Dynamik und der Weltenlauf beginnt. Simone Young beglückt das Bayreuther Publikum bei ihrem Debüt im Festspielhaus mit einem transparenten, rhythmisch pointiertem und stringent in den Tempi durchgestalteten Dirigat. Das lässt Großes für die drei folgenden Abende erwarten.

Das Festspielorchester folgt ihr mit schillerndem, klangschönem und immer wieder auftrumpfendem, hervorragendem Spiel. Dies ist eine wirkliche Festspielleistung, wie man sie leider gerade in Bayreuth nicht immer erlebt.

II Szene. Zurück im Atrium: Tomasz Konieczny (Wotan), Jens-Erik Aasbø (Fasolt), Tobias Kehrer (Fafner), Okka von der Damerau (Erda), Christina Nilsson (Freia), Statisterie der Bayreuther Festspiele, oben: Christa Mayer (Fricka) © Enrico Nawrath

Kleine Abstriche müssen bei den Gesangleistungen gemacht werden. Tomasz Konieczny als Wotan fällt diesmal besonders durch seine oft kehlige Art zu singen und die eigenartige Diktion auf. Außerdem ist er rhythmisch ungenau und überzieht viele Notenwerte, was zu Unstimmigkeiten mit dem Orchester führt. Auch die Intonation ist oft in Mitleidenschaft gezogen.

Auf hohem Niveau bewegen sich Nicolas Brownlee als stimmgewaltiger Donner und Mirko Roschkowski als lyrisch-strahlender Froh. John Daszak gibt einen heldisch timbrierten Loge mit klarer Diktion und viel Ironie in Stimme und im Spiel.

Die Fricka von Christa Mayer ist wie immer souverän, wirkt aber stimmlich nicht ganz so faszinierend wie sonst. Okka von der Damerau verwöhnt das Publikum wieder mit ihrer so warmherzigen und alles überstrahlenden Stimme. Einzig die Freia von Christina Nilsson klingt in der Höhe etwas schrill, hier ist eine lyrischere Stimme rollenadäquat.

Ólafur Sigurdarson gestaltet den Alberich mit großer Stummattacke, überzieht allerding oft die Dramatik, was zu unschönen Tönen führt. Hier ist weniger oft mehr. Auch seine Diktion leidet darunter. Gleiches gilt für Ya-Chung Huang. Auch er überzieht oft, so dass auch die Intonation leidet.

Großspurig im Auftreten und stimmlich fulminant die Riesen von Jens-Erik Aasbø als Fasolt und Tobias Kehrer als Fafner. Jens-Erik Aasbø hat eine etwas lyrischere Stimme, die dem in Freia verliebten Reisen die richtige Dimension verleiht, wohingegen der dunkler und heldischer timbrierte Bass von Tobias Kehrer die brutalen Dimensionen des Riesen Fafner passend zum Ausdruck bringt. Der Mord am Bruder wirkt hier umso glaubwürdiger.

Dier Rheintöchter sind mit Evelin Novak, Natalia Skrycka und Marie Henriette Reinhold nicht homogen genug besetzt, was zu unschönen Klangmischungen führte.

III. Szene. Mittagszeit im Kinderhort, Ólafur Sigurdarson (Alberich), Schülerstatisterie der Bayreuther Festspiele © Enrico Nawrath

Valentin Schwarz, der mit seinem Inszenierungsteam im Premierenjahr 2021 gnadenlos ausgebuht wurden, hat nachgebessert. Publikum und Presse hatten mit totalem Unverständnis reagiert. Dabei ist die Idee der Umdeutung des Ringes in ein Kind, in der Lesart von Valentin, durchaus eine Auseinandersetzung wert. Das Kind als Zukunft und Erbe, als das Weiterbestehen der eigenen Wünsche und Ideen. Beim Clan-Chef Wotan und seiner dysfunktionalen Familie ergeben sich dadurch erschreckende Realbezüge.

1. Szene. Zurück im Atrium: Christa Mayer (Fricka), Tobias Kehrer (Fafner), Jens-Erik Aasbø (Fasolt), Christina Nilsson (Freia), Mirko Roschkowski (Froh), Tomasz Konieczny (Wotan), Nicholas Brownlee (Donner), Statisterie der Bayreuther Festspiele © Enrico Nawrath

Auch wenn an einigen Stelle das Durchschauen und Mittragen der Ideen nicht immer einfach ist oder man ratlos darüber hinwegsehen sollte, bleibt doch der Eindruck einer großartigen, für Bayreuth adäquaten Inszenierung. Wenn nicht in Bayreuth die Werke Wagners hinterfragt und ausgelotet werden, wo dann.

Allein die hohe Musikalität, mit der Valtentin Schwarz die Sänger führt, hat man so lange nicht mehr gesehen. Alles ist wohl durchdacht, die Reaktionen immer im Einklang mit Musik und Text. Gerade dadurch wird man immer wieder darauf hingewiesen, was für schäbige und menschenverachtende Figuren der angeblich ach so hehre Göttervater und seine Entourage sind.

Am Ende des Rheingolds gab es für alle Beteiligten wohlverdiente Jubelstürme.

Axel Wuttke, 29. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung: 

Wotan   Tomasz Konieczny
Donner   Nicholas Brownlee
Froh   Mirko Roschkowski
Loge   John Daszak
Fricka   Christa Mayer
Freia    Christina Nilsson
Erda   Okka von der Damerau
Alberich   Olafur Sigurdarson
Mime   Ya-Chung Huang
Fasolt   Jens-Erik Aasbø
Fafner   Tobias Kehrer
Woglinde   Evelin Novak
Wellgunde   Natalia Skrycka
Floßhilde   Marie Henriette Reinhold

Das Rheingold, Musik und Libretto von Richard Wagner Bayreuther Festspiele, 26. Juli 2023

Richard Wagner Rheingold (31. Juli 2022) PREMIERE Die Walküre (1. August 2022) Bayreuther Festspiele, 31. Juli und 1. August 2022

Ein Gedanke zu „Richard Wagner, Das Rheingold
Bayreuther Festspiele, 28. Juli 2024“

  1. Schon eigenartig dieser Kritiker… alles in allem ein sehr überzeugender Abend… Allerdings gibt es ein paar besonders zu erwähnende Sänger… Der Alberich ist wohl das Beste, was Bayreuth lange gehört hat… Nicht einen einzigen unschöner Ton gibt es da, was ich als Sänger beurteilen kann, unfassbar dieser Kritiker.
    Er singt die entscheidenden Töne aus, die andere nur gestalten, aber da muss man eben ein bisschen Ahnung vom Geschäft haben, sorry.
    Er ist perfekt… Wenn man Textungenauigkeiten erwähnt, dann eher beim Loge. Er singt gut, mehr aber nicht… nicht annähernd die Qualität des Alberich. Auch schöner kann man diese Rolle singen, siehe Siegfried jerusalem. Der Donner ist ausgezeichnet… Hoffentlich kommt der Wotan nicht zu früh… eine tolle Stimme. Erda ausgezeichnet und die Rheintöchter singen sehr gut, besonders Frau Novack, auch versteh ich die Kritik nicht…, aber ich sagte es bereits, man muss eine Ahnung haben. Fricka ausgezeichnet, wie immer. Froh sehr gut… Mime ausgezeichnet… auch hier liegt der Kritiker falsch… Frau Young ist ausgezeichnet, sehr klar, ohne Allüren, wie manchmal bei Thielemann, obwohl er ein ausgezeichneter Dirigent ist. Die Riesen hat er gelobt… Fafner ist auch sehr gut, Fasolt hat etwas mehr Schwierigkeiten, da die Stimme technisch leider!! oben eben nicht so sitzt, wie bei denen, die der Kritiker kritisierte, aber auch hier muss man halt eine Ahnung haben. Wenn ich eben etwas schroff klinge, dann möchte ich mich entschuldigen, aber zur Fairness der guten Sänger, wolle ich mich einfach äußern… ein toller Abend….

    Silvio Heil

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert