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CD-Besprechung:
Berliner Philharmoniker
Seiji Ozawa
6 CD
1 Blu-ray
BPHR 240431
von Peter Sommeregger
Der Tod des weltbekannten japanischen Dirigenten Seiji Ozawa am 6. Februar 2024 wurde in allen musikalischen Zentren der Welt mit Bedauern registriert. Von Herbert von Karajan entdeckt, wurde er von diesem auch entsprechend gefördert, wie auch von Leonard Bernstein. Zu offensichtlich war sein großes Talent, das dann auch in eine jahrzehntelange weltumspannende Karriere mündete.
Zum ersten Mal erschien Ozawa bereits 1966 am Pult der Berliner Philharmoniker, es war der Auftakt zu einer bis in sein hohes Alter reichenden künstlerischen Verbindung und Freundschaft.
Anlässlich seines Todes hat das Orchester nun auf seinem Eigenlabel eine luxuriös ausgestattete Box mit Mitschnitten von Konzerten Ozawas veröffentlicht. Die Auswahl der Mitschnitte, die bis zum Jahr 1979 zurückreichen, spiegelt eindrucksvoll Ozawas stilistische Vielfalt wieder, kaum ein bedeutender Komponist, den er nicht aufgeführt hätte.
Mit Beethovens 2. Leonoren-Ouvertüre wählt er bewusst die am seltensten aufgeführte Version, gut strukturiert dargeboten muss sie sich nicht vor der populären 3. Version verstecken. Solist bei Max Bruchs 1. Violinkonzert ist der Franzose Pierre Amoyal, der wie Ozawa versucht, dem Werk alles Reißerische zu nehmen und zu einer verinnerlichten Interpretation findet. Ähnliches gilt für Maurice Ravels Klavierkonzert in G-Dur, bei dem Martha Argerich aber spätestens im Finalsatz einfach die Pferde auf wunderbare Art durchgehen. Béla Bartóks ein wenig sprödes Konzert für Viola wird von Wolfram Christ meisterhaft interpretiert.
Auch seltener aufgeführte Werke finden sich in der Edition, so Joseph Haydns Symphonie Nr. 60, die eigentlich eine Schauspielmusik bestehend aus Ouvertüre und fünf Zwischenspielen ist. Reizvoll die Aufführung von Tchaikovskys 1. Symphonie „Winterträume“, der man äußerst selten im Konzertsaal begegnet.
Im Jahr 1988 führte Ozawa Anton Bruckners 7. Symphonie mit dem Orchester auf. Bruckner hat Ozawa selten dirigiert, es gelingt ihm aber eine sensible, höchst transparente Interpretation, er vermeidet alles Schwere und Bombastische. Speziell das gewaltige Adagio interpretiert er ganz auf lyrischer Linie und baut erst allmählich die für Bruckner obligatorischen Klanggebirge auf.
Das Konzert mit Gustav Mahlers 1. Symphonie stammt aus dem Jahr 1980. Ozawa hat in den 1990er Jahren einen kompletten Zyklus von Mahlers Symphonien mit dem Boston Symphonie Orchestra eingespielt. Die erste der Wunderhorn-Symphonien besticht durch ihre instrumentale Keckheit. Ein Höhepunkt ist die Klezmer-Musik bei einem Dorfbegräbnis.
Paul Hindemiths Symphonia Serena, 1946 im amerikanischen Exil komponiert, zeigt den ehemals spröden Komponisten von einer ausgesprochen entspannten, fast heiteren Seite, und den Dirigenten Ozawa als Meister auch des wenig gepflegten Repertoires.
Berlioz’ Symphonie fantastique gelingt Orchester und Dirigent als farbenreiches Schaustück, nur beim federnd gespielten Marche au supplice vermisst man ein wenig die Bedrohlichkeit der geschilderten Szene.
In Richard Strauss’ später „Alpensymphonie“ gibt Ozawa mehr der Raffinesse der Instrumentation Raum, als der schwelgerischen Opulenz des Kolossalgemäldes. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1996.
Fast schon nüchtern nähert sich der Dirigent der Konzertversion von Tristan-Vorspiel und Liebestod, Wagner gehörte nicht zu Ozawas bevorzugten Komponisten, aber die Aufnahme von 1979 ist trotzdem brillant in ihrer Dichte.
Als Krönung der Edition darf man getrost die Blu-ray-Disc bezeichnen. Sie enthält Beethovens Egmont-Ouvertüre, seine Chorfantasie, die eine Begegnung mit dem amerikanischen Dirigenten Peter Serkin ermöglicht, der leider inzwischen verstorben ist. Das Oratorium „Elias“ von Mendelssohn-Bartholdy ist in einem Konzert von 2009 zu erleben, der Rundfunkchor Berlin und die Solisten Matthias Goerne, Annette Dasch, Nathalie Stutzmann, u.a. realisieren eine Wiedergabe von großer Ausgewogenheit.
Anton Bruckners vergleichsweise selten aufgeführte 1. Symphonie ist darauf ebenso enthalten, wie ein Mitschnitt einer launigen Ehrung Ozawas im Jahr 2016, als ihm anläßlich seines 50-jährigen Jubiläums mit den Berlinern die Ehrenmitgliedschaft des Orchesters verliehen wurde.
Die Box entspricht wieder dem hohen Standard der bisherigen Editionen. Sie enthält neben zahlreichen, teils lose beigelegten Fotos auch ein Grußwort von Ozawas Tochter und umfangreiche Angaben zu den jeweiligen Aufnahmen. Sie stellt eine würdevolle Liebesgabe an den Dirigenten dar, dessen Karriere viele Berührungspunkte mit den Berliner Philharmonikern aufweist.
Peter Sommeregger, 1. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD-Rezension: Berliner Philharmoniker, Unsuk Chin klassik-begeistert.de, 28. Dezember 2023
Danke, lieber Peter, für Deine Rezension. Hätte diese Box Schostakowitschs Zehnte enthalten, hätte ich sie gekauft. Warum sie wohl fehlt? In der DCH ist sie auch nicht zu finden, zumindest nicht auf die Schnelle, wurde vielleicht gar nicht mitgeschnitten.
Ich verbinde die Zehnte unter Herrn Ozawa nämlich mit meinem allerersten Besuch in der Berliner Philharmonie. Im Februar 2005 war’s, glaube ich. In meiner Erinnerung gab’s vorweg eine Haydn-Sinfonie (nicht die Nr. 60, die Sir Simon seinerzeit so schön mit den Birminghamern aufgenommen hat), und es war ein sehr guter Abend. Die Horn-Soli blies Herr Dohr, wenn ich mich recht entsinne, aber ich kann mich täuschen.
Stattdessen also Bruckner 1… nun ja. Hindemith hingegen finde ich hochinteressant, unter den seltener gespielten Werken, die hier enthalten sind, ebenso Tschaikowsky 1. Letzteres Werk war auf meiner allerersten CD (Berliner mit Karajan).
Dr. Brian Cooper
Aber das Format, Kinder, das Format. Passt in kein CD-Regal, so schön es ansonsten aufgemacht ist.