Lise Davidsen ist keine Tosca

Giacomo Puccini, Tosca  Wiener Staatsoper, 7. Dezember 2024

© Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Eine Bombenstimme hat Lise Davidsen. Aber „Tosca“ ist sie keine. Eine eifersüchtige Furie, die lautstark keift, kann man im 1. Akt noch schönreden. Immerhin ist Puccinis Welterfolg beim Verismo angesiedelt, der „Realismus“ widerspiegelt. Beim „Vissi d’arte“ fehlt die Wärme und der Tiefgang. Sonst regiert auch Furcht und Schrecken statt inniger Hingabe. Die Wiener Staatsoper bebt dennoch.

Tosca, Giacomo Puccini
Wiener Staatsoper, 7. Dezember 2024

von Jürgen Pathy

„Ich hab schon schlechtere Toscas gehört“. Stimme eines Gastes, der sich zufriedengibt. Way too much, vor allem die Attacken, muss man aber sagen. Lise Davidsen gibt eine Furie, vor der man sich wirklich fürchten muss. Eifersüchtig, durchschlagend, markdurchdringend. Over the top in vielen Szenen. Brünnhilde ja, die steht da schon in den Startlöchern. Von Zärtlichkeit, die sie schon bei Liederabenden bewies, keine Spur.

Zur obersten Cavaradossi-Liga fehlt noch was

Ganz schlau wird man aus Freddie De Tommaso ebenso nicht. „Bombenstimme“, meint jemand,  „kerngesund, aber wenig Farbunterschiede – einfach strahlend laut“. Die Lautstärke bringt der Italo-Brite, gerade mal 30 Jahre, als Cavaradossi nicht ganz auf die Bühne. Dafür aber ein kurzes Highlight, vor allem im tiefen Register.

„Das könnte Kaufmann sein“, schießt mir durch den Kopf. Augen geschlossen, oben auf der Galerie. „E lucevan le stelle“, die Parade-Arie des Cavaradossi, gar des ganzen Puccini Oeuvres. Ansonsten: kein Wiedererkennungswert. Mittlere Lage, hohe Lage, man weiß nicht, ob da überhaupt plötzlich ein anderer Sänger auf der Bühne steht oder nicht. Sauber, klar – aber (noch) nicht viel mehr.

Generell kratzen alle nur an der Oberfläche. Dirigent Pier Giorgio Morandi, 66, Italiener, lässt vieles am Pult des Wiener Staatsopernorchesters liegen. Solider Verwalter der Partitur, aber Puccinis „Tosca“ ist mehr. Sie ist ein Heiligtum, überhaupt der 2. Akt. Da kommt die Power, die Energie, eigentlich aus dem Graben. Spannend, aufschaukelnd muss das sein. Immer wieder dieses Motiv, das der Solo-Cellist zur Pause ausgiebig probt. Das bahnt sich in Schüben an, baut sich zu einem Strang auf und entlädt sich letztendlich. Eigentlich wie bei Richard Strauss’ „Salome“, nur in einem Puccini-Akt. Irgendwie fehlt dieses Gesamtkonzept.

Wallmanns Uralt-Inszenierung hat Charme

Nur der Scarpia ist verführerisch. Wohltuend der Bariton, den Alexey Markov kultiviert ins Rennen führt. Derart betörend gar, dass man sich fragen muss: Warum brennt Floria Tosca eigentlich nicht mit dem durch?! Weil’s Puccini im Libretto anders vorsieht.

An das hält sich auch die Uralt-Inszenierung von Margarethe Wallmann. Kirche Sant’Andrea dell Valle, Palazzo Farnese und die Engelsburg, von der sich Floria Tosca zum Ende stürzt. 66 Jahre hat diese Arbeit am Buckel. Kein Firlefanz, keine tagespolitische Message, die Regietheater einem gerne aufs Auge drückt. Voller Fokus aufs Essenzielle. Einziger „Nachteil“: Wenn man kein Champions-League-Niveau abliefert, bleibt keine Ablenkung.

Jürgen Pathy, 8. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Giacomo Puccini, Tosca Wiener Staatsoper, 2. Februar 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert