Endlich gab es wieder klassischen Tanz beim Hamburg Ballett

Ballett Der Nussknacker, John Neumeier  Staatsoper Hamburg, 5. Januar 2025

Lormaigne Bockmühl (Marie) und Alexandre Riabko (Drosselmeier)

Alexandre Riabko und Lin Zhan tanzten mit hinreißender Eleganz und vollendeter Harmonie. Ihre Bewegungen gingen geschmeidig wie die Legato-Bögen einer Verdi-Arie ineinander über, nur schneller. Für sein partnerschaftliches Können hat Riabko 2016 in Moskau auch zu Recht den Prix Benois de la Dance für Partnerschaftskompetenz (hohe Kunst als Tanzpartner) erhalten.

Der Nussknacker, Ballett in zwei Akten

Choreographie und Inszenierung: John Neumeier
Bühnenbild und Kostüme: Jürgen Rose

Musik: Peter I. Tschaikowsky
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung: David Briskin      Solovioline: Daniel Cho

Staatsoper Hamburg, 5. Januar 2025

von Dr. Ralf Wegner

Nur 11 das klassische Ballettrepertoire bedienende Aufführungen in einer Saison sind eigentlich zu wenig. Aber nicht nur deshalb waren alle ausverkauft, d.h. knapp 20.000 Karten wurden vor und nach Weihnachten für John Neumeiers geniale Nussknacker-Version veräußert.

Alexandre Riabkos hohe Kunst als Tanzpartner

Die letzte dieser Vorstellungsserie bestritten gestern Lormaigne Bockmühl als Marie und Alexandre Riabko als ihr Ballettlehrer Drosselmeier. Was Riabko mit seinen bald 47 Jahren allein technisch noch schafft, ist bewunderungswürdig. Ausdrucksmäßig profitiert er natürlich von seiner langjährigen Erfahrung. Was ihn aber besonders auszeichnet, ist seine unglaubliche Fähigkeit, der jeweiligen Partnerin, hier beispielhaft Lin Zhang als chinesischer Vogel, soviel Vertrauen zu geben, dass sich diese von ihm heben und bedenkenlos mit Hochgeschwindigkeit in die jeweilige Figur fallen ließ.

Beide tanzen dabei mit hinreißender Eleganz und vollendeter Harmonie. Ihre Bewegungen gingen geschmeidig wie die Legato-Bögen einer Verdi-Arie ineinander über, nur schneller. Für sein partnerschaftliches Können hat Riabko 2016 in Moskau auch zu Recht den Prix Benois de la Dance für Partnerschaftskompetenz (hohe Kunst als Tanzpartner) erhalten. Und diese partnerschaftliche Qualität ist bei ihm immer noch zu bewundern.

Lin Zhang (chinesischer Vogel), Ida Praetorius (Pas de quatre), Alessandro Frola (Variations des hommes), Xue Lin (Louise), Hayley Page (Frau Konsul Stahlbaum, Pas de quatre), Joaquin Angelucci (Variations des hommes), Matias Oberlin (Günther), Anna Laudere und Edvin Revazov (Die Schöne von Granada)

Natürlich hatte es Matias Oberlin als Premier Danseur bzw. Günther im Vergleich mit Riabko schwer, mit dessen partnerschaftlicher Kompetenz zu konkurrieren. Er ist ein nobler Tänzer und Xue Lin als seine Partnerin Louise zudem eine technisch eindrucksvolle Tänzerin. Aber ihrem Grand Pas de deux fehlte doch die beiderseitige Hingabe an den Tanz, wie es Riabko und Zhang davor gezeigt hatten. Partnerschaftliche Kompetenz präsentierten auch Edvin Revazov und Anna Laudere in dem statisch betonten Pas de deux La Fille du Pharaon.

Und Emilie Mazon, die zu den besten Tänzerinnen der Marie zählt, tanzte mit starkem Ausdruck die Schöne von Granada. Francesco Cortese führte als Fritz die tanzenden Leutnants an und erhielt mit seinen Partnern Artem Prokopchuk und Illia Zakrevskyi für die artistisch betonten Einlagen den meisten Zwischenbeifall. Als Esmeralda trat Charlotte Larzelere erfolgreich in die Fußstapfen von Silvia Azzoni.

Emilie Mazon (Die Schöne von Granada)

Der 23-jährigen Lormaigne Bockmühl sah man ihr Alter nicht an. Sie war noch ganz die schüchterne, im Laufe des Stückes aber immer aufgeweckter agierende 12-jährige Konsulstochter, die sich auf ihrem Geburtstag an den Rand geschoben sieht und im Traum in der virtuellen Ballettwelt zur jungen Dame heranreift.

Maries elegant behobener Fauxpas

Wie schon als quirliges Mündel in Cathy Marstons Ballett Jane Eyre nahm Bockmühl mit ihrer von Innen kommenden Fröhlichkeit für sich ein. Eine Szene blieb wohl jedem Zuschauer im Gedächtnis. Im ersten Bild riss der Tänzerin ein Kleidersaum und hing auf dem Boden. Sie bemerkte es und tanzte unverdrossen weiter, wenngleich mit Bedacht, um ja nicht zu stolpern. Bei Konsuls ist es Aufgabe der Dienerschaft, hier zu helfen. Und der alte bucklige Diener tauchte auch mit einem Tablett auf, nahm die darauf balancierte Schere herunter und befreite Marie von dem hinderlichen Kleidungsteil. Dafür bedankte sie sich nett bei ihm, während alle anderen diesem Fauxpas, wie in Konsuls Gesellschaftskreisen üblich, keine Beachtung schenkten.

Die tanzenden Leutnants: Artem Prokopchuk, Francesco Cortese (Fritz), Illia Zakrevskyi

Insgesamt war es eine gelungene Aufführung dieses von John Neumeier genial choreographierten Balletts. Zum Erfolg trug natürlich auch das schöne Bühnenbild von Jürgen Rose bei. Besonders die Verwandlung von Konsul Stahlbaums dunkler Festhalle in den hellen Ballettsaal geriet unverändert überwältigend. Dazu spielte das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter der Leitung von David Briskin einfühlsam die eingängige Komposition von Peter Tschaikowsky. Der einhellige Jubel des Publikums galt neben den Tänzerinnen und Tänzern des Hamburg Balletts auch dem Philharmonischen Staatsorchester und seinem Dirigenten.

Dr. Ralf Wegner, 6. Januar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schwanensee, Ballett von Yaroslav Ivanenko Theater Kiel, Ballett Kiel, 13. Dezember 2024

La Sylphide, Ballett in zwei Akten Bayerisches Staatsballett, Nationaltheater, 3. Dezember 2024

La Bayadère, Ballett in 4 Akten Theater Dortmund, 24. November 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert