Staatsoper Hamburg: Das war wohl die beste bisher von mir gesehene und gehörte Figaroaufführung

Ruzan Mantashyan als Contessa d’Almaviva, Julia Lezhneva als Cherubino und Katharina Konradi als Susanna (Foto: RW)

Trotz Anneliese Rothenbergers Silberklang als Susanna oder Gundula Janowitz und Elisabeth Grümmer als elegisch leidende Contessa war die  Aufführung am Freitag wegen der intelligenten Inszenierung von Stefan Herheim und der musikalisch durch die Bank sehr guten bis herausragenden Leistungen aller Mitwirkenden die wohl beste bisher von mir gesehene und gehörte Aufführung dieser Mozart-Oper.

Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro
Musikalische Komödie in vier Akten von Lorenzo Da Ponte

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
musikalische Leitung Louis Lohraseb

Inszenierung: Stefan Herheim
Bühnenbild: Christoph Hetzer, Kostüme: Gesine Völlm
Video: Momme Hinrichs und Torge Møller (fettfilm)

Staatsoper Hamburg, 17. Mai 2024

von Dr. Ralf Wegner

Mozarts Le nozze di Figaro hat mit gut drei Stunden Nettospielzeit fast Wagnersche Ausmaße und lässt das Publikum schon ab und an durchhängen. Bereits Lorenzo Da Ponte soll von einer bei aller Mühe unvermeidbar gewesenen Länge gesprochen haben.

Die Herheim’sche Inszenierung macht diese Längen aber mehr als wett. Schon die Videoprojektion während der Ouvertüre stimmt auf das Thema ein: Aus Noten der auf den Bühnenvorhang projizierten Partitur Mozarts entwickeln sich männliche und weibliche Strichfiguren, sich im Takt der Musik jagend, springend, fallend, wieder aufstehend, sich genussvoll dem Geschlechterkampf hingebend, sich schließlich umwerbend und zueinander findend. „Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro
Staatsoper Hamburg, 17. Mai 2024“
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Mir ist heut’ blutrünstig zumut’ – da tun zwei Morde richtig gut!

Photos © Monika Rittershaus (Photos der Premiere  22.1.2023)

Dmitri Schostakowitsch
Lady Macbeth von Mzensk

(1934)
Oper in vier Akten (neun Bildern)
Libretto von Alexander Preis und Dmitri Schostakowitsch nach der gleichnamigen Erzählung von Nikolai Leskow

Staatsoper Hamburg, 12. Mai 2024


von Harald Nicolas Stazol

„Ich geriet in St. Petersburg in eine Schießerei – die russische Gesellschaft ist einfach eine der Gewalt“, sagt der nette Herr in der Pause am Stehtisch im oberen Foyer zur Pause gerade, offenbar hat er überlebt, da sind in der Schostakowitsch-Oper schon zwei Morde passiert, und merke:

Wenn Du das Missfallen Stalins erregst, schläfst Du im Anzug und mit Koffer unterm Bett, monatelang, weil Du jederzeit abgeholt werden kannst! So geschieht es Dmitri Schostakowitsch, nachdem ein seine bis dahin so erfolgreiche Oper vernichtender Artikel in der „Prawda“ erscheint, und schon ist der Arme auf der Abschussliste… „Dmitri Schostakowitsch, Lady Macbeth von Mzensk
Staatsoper Hamburg, 12. Mai 2024“
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„Du schickst den Todesengel“: „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch überzeugt an der Staatsoper Hamburg

Photos der Premiere mit den damaligen Solisten © Monika Rittershaus 

Dmitri Schostakowitsch
Lady Macbeth von Mzensk

Kent Nagano, Dirigent

Kristīne Opolais, Sopran
Alexander Roslavets, Bass
Vincent Wolfsteiner, Tenor
Pavel Černoch, Tenor

Chor der Staatsoper Hamburg
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Angelina Nikonova, Inszenierung

Staatsoper Hamburg, 12. Mai 2024

von Dr. Andreas Ströbl

„Das Publikum wird von Anfang an mit absichtlich disharmonischen, chaotischen Tönen überschüttet“, hieß es in einer anonymen Kritik in der „Prawda“, die kurz nach der Aufführung von Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ am 26. Januar 1936 erschien. Dem Komponisten wurde angedroht, sein „Spiel“ könne „sehr schlimm“ enden. Was das in der Stalin-Ära hieß, lies den Adressaten solcher medialer Pranger-Urteile das Blut in den Adern gefrieren. „Dmitri Schostakowitsch, Lady Macbeth von Mzensk
Staatsoper Hamburg, 12. Mai 2024“
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Diesmal stimmte die Chemie zwischen Anna Karenina (Olga Smirnova) und ihrem Liebhaber, dem Grafen Wronski (Jacopo Bellussi)

Die Neuen: Jacopo Bellussi als Wronski, Olga Smirnova als Anna Karenina, Christopher Evans als Karenin, Quinn Bates als Aljoscha, Madoka Sugai als Dolly und Nicolas Gläsmann als Stiwa (Foto RW)

Olga Smirnova tanzte die Partie der Anna Karenina voller Anmut und mit technischer Finesse. Fast schlangenartig umgarnte sie den ihr hingebungsvoll verfallenen Grafen Wronski. Dabei genoss sie auch die Aufmerksamkeit als Frau des Politikers Karenin. Daraus hätte eine Ménage à trois werden können.

Anna Karenina in neuer Besetzung
Ballett von John Neumeier inspiriert von Leo Tolstoi

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Leitung Nathan Brock

Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 8. Mai 2024


von Dr. Ralf Wegner

Von den 29 Aufführungen seit der Premiere im Juli 2017 haben wir neun, einschließlich einer Voraufführung sogar 10 Vorstellungen dieses meisterlichen Balletts sehen dürfen. Und immer noch fallen choreographische Details auf, wie wir sie vorher nicht bemerkten oder übersahen. „Anna Karenina in neuer Besetzung, Hamburg Ballett
Staatsoper Hamburg, 8. Mai 2024“
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Der polnische Countertenor Orliński interpretiert die hohe Kunst zugänglich ohne Vereinfachung

Jakub Józef Orliński und Pianist Michał Biel; Foto Patrik Klein

Liederabend mit Jakub Józef Orliński und Michał Biel

Staatsoper Hamburg, 29. April 2024

von Jolanta Łada-Zielke

THE ART OF Jakub Józef Orliński ist nicht nur seine herausragende Stimme, die er mit Leichtigkeit und Klarheit einsetzt; nicht nur sein breites Repertoire, von barocken Arien bis hin zu spätromantischen Liedern; nicht nur die Art und Weise, wie er sich auf der Bühne bewegt, in der man das Training seines Körpers im Breakdance erkennen kann. Es ist vor allem seine künstlerische Persönlichkeit, dank der er bei den Auftritten eine einzigartige Stimmung schafft. Natürlich mögen manche Menschen seinen lockeren Stil nicht, der eher für Pop- und Rockstars charakteristisch ist. „Liederabend mit Jakub Józef Orliński und Michał Biel
Staatsoper Hamburg, 29. April 2024“
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„The Art of Jakub Józef Orliński“: der Abend mit diesem polnischen Ausnahmesänger möge keine Ende nehmen

https://www.jakubjozeforlinski.com/

Zugabe! Zugabe! Zugabe! Möchte man auch jetzt rufen. Das Erlebnis dieses Abends sollte bestenfalls immer weitergehen.  Also, schnell nach Hause, die Anlage angeschmissen und weiter hineingetaucht – zumindest digital – in die Welt, die Musik, die wunderschönen Legatobögen des Stimmwunders Jakub Józef Orliński.

The Art of Jakub Józef Orliński
Michał Biel – Klavier

Staatsoper Hamburg, Großes Haus, 29. April 2024

von Iris Röckrath

Große Spannung ist zu spüren schon vor Beginn des Liederabends in den Foyers der ausverkauften Staatsoper. Das bunt gemischte Publikum, quer durch alle Gesellschaftsschichten, wartet gespannt auf „seinen Star“.

Anscheinend trifft der 1990 geborene Opus-Klassik-Preis-Gewinner 2023 durch seine Präsenz auch im Internet genau den Nerv der Zeit. Er soll mehrere Hunderttausend Social Media-Follower haben. Allein seine spezielle Version des Cold Song von Purcell wurde auf YouTube über 2 Mio. Mal geklickt. Er singt dieses Stück nicht, sondern er „performt“ es mit einem Zittern in der Stimme, dass es einem beim Zuhören fröstelt.

„The Art of Jakub Józef Orliński, Michał Biel, Klavier
Staatsoper Hamburg, Großes Haus, 29. April 2024“
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Mit dieser La clemenza di Tito führt Ádám Fischer die Hamburgische Staatsoper schnurgeradeaus in Richtung Opern-Spitzenliga 

Tara Erraught © Hans Jörg Michel

Auch mit seiner dritten Mozart-Premiere in Folge an der Hamburgischen Staatsoper gelingt Ádám Fischer ein absoluter Opern-Triumphzug an der Dammtorstraße. Vor einer äußerst ansprechenden Regie lässt er sechs exzellente SolistInnen, ein luftig schwingendes Mozart-Orchester und einen fulminant singenden Chor zu neuen Rekord-Höchstleistungen dieses Hauses anlaufen. So marschiert Hamburg wieder schnurgeradeaus Richtung Opern-Spitzenliga!  

La clemenza di Tito
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Caterino Mazzolà nach Pietro Metastasio

Staatsoper Hamburg, 28. April 2024 PREMIERE


von Johannes Karl Fischer

Wenn Ádám Fischer mit seinem Orchester und Publikum begeisternden Dirigat auf dem Pult herumhüpft, flammt die Hamburgische Staatsoper stets in neuer Mozart-Begeisterung auf.

Schon die Ouvertüre war eine Paradeleistung dieses Hauses und zeigte einmal mehr, welches Spitzenpotential in diesem Klangkörper steckt. Rund, präzise, doch stets frisch und keck, so muss Mozart klingen! Zum absoluten Highlight wurden vor allem Alexanders  Klarinette und Bassetthorn-Soli, welche mit Mozartlicher Eleganz und Expressivität strahlend wie ein Klarinettenkonzert aus dem Orchestergraben segelten!  „Wolfgang Amadeus Mozart, La clemenza di Tito
Staatsoper Hamburg, 28. April 2024 PREMIERE“
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Von Gnade und Begnadeten

Katharina Konradi, Kangmin Justin Kim © Hans Jörg Michel

PREMIERE

Wolfgang Amadeus Mozart
La clemenza di Tito

Staatsoper Hamburg, 28. April 2024

von Harald Nicolas Stazol

Zu Hilfe! Das Capitol, brennt MEGA-mäßig! Ha, aber zum Glück Aller nur hinten im Bühnenbild der Hamburger Staatsoper, wirklich im Hintergrunde, aber ganz schön bedrohlich, 12 Meter breit, das Feuer beginnt zunächst auf einem schwarzen Stuhl, und Kaiser Titus soll auch tot sein! REVOLUTION!!! UMSTURZ!!! MORD UND TOTSCHLAG!

Premiere ist’s! Und alle, wirklich alle sind gekommen, ganz Hamburg gibt sich ein Stelldichein, in „Aanser Panier“, wie es in Wien mal von mir gefordert wurde, also großer Toilette, hier die PR-Chefin einer Top-Agentur, dort der junge, recht bekannte Schauspieler, den ich gleich frage, „Mir gefiehl es sehr gut“ zur Antwort.

„Wolfgang Amadeus Mozart, La clemenza di Tito
Staatsoper Hamburg, 28. April 2024 PREMIERE“
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Eine wunderbare Tänzerin und ein herausragender Tänzer ergeben noch kein beglückendes Liebespaar

Eine auf die Bühne stürmende Anna Laudere als Anna Karenina, dahinter von links Matias Oberlin als ihr Gatte Alexej Karenin, Ballettschüler Felix Koch als beider Sohn Serjoscha, Hayley Page als Annas Schwägerin Dolly, Florian Pohl als ihr Ehemann Stiwa sowie Greta Jörgens als Prinzessin Sorokina (Fotos RW)

Trotz der das Liebespaar betreffenden Einschränkungen war es ein herausragender, großer Ballettabend, wie wir ihn in der Zukunft unter dem neuen Intendanten Demis Volpi wohl nicht mehr so häufig sehen werden. Man hörte es beim Hinausgehen: „Wie schön, dass wir das erleben durften“.

Anna Karenina
Ballett von John Neumeier inspiriert von Leo Tolstoi

Choreographie, Bühnenbild (unter Mitarbeit Heinrich Tröger), Licht und Kostüme von John Neumeier (Annas Kostüme von Albert Kriemler)

Video und Graphik: Kiran West

Musik von Peter I. Tschaikowsky, Alfred Schnittke und Cat Stevens/Yusuf Islam

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Leitung Nathan Brock

Hamburg Ballett, 26. April 2024


von Dr. Ralf Wegner

Wenn ein herausragender Tänzer und eine wunderbare Tänzerin zusammen von der Liebe erzählen, sollte das Ergebnis eigentlich bezwingen. Anna Laudere ist als Anna Karenina eine begnadete Tänzerin, die sich aber nicht, so wie es bei Tolstoi steht, beim Anblick „dieses Knaben in Uniform“ entzündet. Anders als bei ihrem Ehemann Edvin Revazov als Wronsky, mit dem sie sonst zusammen tanzte. Laudere schmolz in Revazovs Armen wie Schnee in der Sonne (wie man es auf der käuflichen DVD dieses Balletts sehen kann), sie sah zu ihm auf, ebenso wie gestern zu ihrem Ehemann Karenin oder ihrem sie ebenfalls um einen Kopf überragenden Sohn Serjoscha. „Anna Karenina, Ballett von John Neumeier inspiriert von Leo Tolstoi
Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 26. April 2024“
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Und was lernen wir daraus: „Ein alter Mann sollte keine junge Frau heiraten!“

Don Pasquale © 2022 Brinkhoff/Mögenburg


Die 13. Vorstellung? Don Pasquale? Hamburger Staatsoper? Meine Glückszahl! Ich bin ja abergläubisch – also nichts wie hin!

Gaetano Donizetti
Don Pasquale

Staatsoper Hamburg, 23. April 2024 

von Harald Nicolas Stazol

 „Die Kinder! Sehen Sie die Kinder?“, frage ich das ältere Ehepaar nach zwei Akten Donizetti im Foyer – wo die Liebe hinfällt, beide sind etwa 1,70 Meter groß – „Aber natürlich, wir haben auch unsere Freude daran!“ – „Ja herzerfrischend, und dann auch noch eine Opera buffa, wie passend, um der Oper näherzukommen!“ – denn da ist eine Schar von Lausejungs im Anzug und von Backfischen im Kleidchen. Schon vorher ist mir die gar nicht kleine, gutgelaunte Truppe voller Vorfreude auf dem Trottoir vorm Hohen Haus auf das Entzückendste aufgefallen, „Sagt ihr mir nachher, wie ihr’s fandet?“ – „Aber klar!“, sagt mir ein Mädchen, – aber wie könnte es auch nicht?

„Gaetano Donizetti, Don Pasquale
Staatsoper Hamburg, 23. April 2024 “
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