Auf den Punkt 33: Max hat Bindungsangst… und Yoel Gamzou den Freischütz-Groove

Carl Maria von Weber DER FREISCHÜTZ © Brinkhoff-Moegenburg

Carl Maria von Weber, Der Freischütz

Chor der Hamburgischen Staatsoper
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Musikalische Leitung:  Yoel Gamzou

Inszenierung:  Andreas Kriegenburg

 Staatsoper Hamburg, 23. November 2024

von Jörn Schmidt

Der Freischütz ist im Grunde eine phantastische Oper, ein Meilenstein der Musikgeschichte. Während Mozart Emotionen nur mit Klangfarben ausdrückte, ordnet von Weber den Gefühlen musikalische Themen zu. Richard Wagner hat sofort erkannt, wie genial sich mit solchen Leitmotiven arbeiten lässt. Hector Berlioz übrigens auch, da heißen die Leitthemen idée fixe. Aber was bei Wagner und Berlioz zeitlos-elegant kommt, lässt mich seit jeher mit dem Freischütz fremdeln. Die Oper hinterlässt bei mir immer auch ein Gefühl von Konformismus und Enge. „Auf den Punkt 33:  Webers Freischütz
Staatsoper Hamburg, 23. November 2024“
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Ich glaub, ich steh im Wald!

Carl Maria von Weber DER FREISCHÜTZ © Brinkhoff-Moegenburg

Der Freischütz
Romantische Oper in drei Aufzügen
Text von Johann Friedrich Kind
Musik von Carl Maria von Weber

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
musikalische Leitung   Yoel Gamzou

Inszenierung:  Andreas Kriegenburg
Bühne: Harald B. Thor, Kostüme:  Andrea Schraad

Staatsoper Hamburg, Premiere am 17. November 2024


von Harald Nicolas Stazol

Soviel Holz in der Hüttn war nie! Und dürfte es in der Hamburger Staatsoper selten gegeben haben, zur „Freischütz“-Premiere, der 10. Inszenierung am Haus seit dem 26. Dezember 1917, von der ersten Hamburger Aufführung 1822 ist wenig bekannt – nein, an Holz mangelt es Andreas Kriegenburg und seiner mit großer Spannung erwarteten Aufführung nicht, bzw. seinem bevorzugten Bühnenbildner Harald B. Thor.

Ist doch der hier so bedeutsame, und den Deutschen seit der Romantik so symbolträchtige Wald, bereits abgeholzt, und in riesigen, braunen und spektakulär hin und her gefahrenen Wänden aus recht gigantischen Holzquadern zusammengesetzt, es duftet bis in die Mitte des Parketts, aber wer nun Waldgrün und Tannen erwartet hat, wird nun enttäuscht werden, „Schrecklich, ganz schrecklich“ höre ich vor mir einen Naturalisten, nun denn, dem kann ich mich MITNICHTEN anschließen, ist das Ganze für ja GANZ neu, und dann gleich bei Kriegenburg zu landen, ist ja wohl ein Glücksfall?

„Carl Maria von Weber, Der Freischütz
Staatsoper Hamburg, Premiere am 17. November 2024“
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Dieser Freischütz war sängerisch kein Ruhmesblatt


William Desbiens (Kilian), Andrzej Dobber (Ottokar), Clemens Sienknecht (Samiel), Johan Reuter (Caspar), Maximilian Schmitt (Max), Julia Kleiter (Agathe), Alina Wunderlin (Ännchen), Han Kim (Ein Eremit), Hubert Kowalczyk (Kuno) (Foto: RW)

Wenn es der Wunsch des Regisseurs Andreas Kriegenburg war, den Zuschauer mit der Komplexität der Figuren und ihrer Psychologie zu überraschen und uns die Tragödie dieser jungen Menschen zu Gemüte zu führen, so hat er solches mittels seiner szenischen Interpretation ebenfalls nicht erreicht.

Der Freischütz
Romantische Oper in drei Aufzügen
Text von Johann Friedrich Kind
Musik von Carl Maria von Weber

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
musikalische Leitung  Yoel Gamzou

Inszenierung: Andreas Kriegenburg
Bühne: Harald B. Thor, Kostüme: Andrea Schraad

Staatsoper Hamburg, Premiere am 17. November 2024

von Dr. Ralf Wegner

Webers Freischütz spielt nach dem 30jährigen Krieg. Die Försterstochter Agathe will den Jägerburschen Max heiraten, der dafür aber sein
Schützenglück unter Beweis stellen muss. Sein Schützengenosse Caspar, der ebenfalls ein Auge auf Agathe (und damit die Försterei) geworfen hat, legt ihn mit in der Wolfsschlucht neu gegossenen Freikugeln und der Hilfe des teuflischen Samiel herein. Nur der Eremit ist in der Lage, die von Samiel für Agathe vorgesehene Schützenkugel abzulenken. Caspar stirbt und Max und Agathe können sich vereinen. „Carl Maria von Weber, Der Freischütz
Staatsoper Hamburg, Premiere am 17. November 2024“
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Das Hamburg Ballett tanzt herausragend

Ida Praetorius (Jane Eyre), Nathan Brock (musikalische Leitung), Artem Prokopchuk (Edward Rochester), Ana Torrequebrada (Junge Jane)

… trotzdem bleibt Cathy Marstons Ballett Jane Eyre nach dem Roman von Charlotte Brontë inhaltlich eine Schmonzette

Äußerlich und auch im Herzen jünger und deutlich weniger arrogant tanzte Artem Prokopchuk den Part des Edward Rochester leichtfüßig und darstellerisch mit großer Sensibilität. Das übertrug sich sichtbar auf seine Partnerin Ida Praetorius. Zwischen ihnen stimmte die Chemie. Vor allem der weiße Liebes-Pas de deux am Ende des ersten Aktes geriet zum tänzerischen Höhepunkt.

Jane Eyre, Ballett von Cathy Marston

Musik von Fanny Hensel, Felix Mendelssohn Bartholdy und Franz Schubert

Choreographie und Inszenierung: Cathy Marston
Bühnenbild und Kostüme: Patrick Kinmonth

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung: Nathan Brock

Hamburg Ballett, 16. November 2024

von Dr. Ralf Wegner

Eines muss man Cathy Marston lassen, sie schuf für ihr Ballett drei Rollen für Tänzer und dreimal so viele für Tänzerinnen. Und die Männerrollen sind mit dem bösartigen Heimleiter Mr. Brocklehurst, dem steifen Geistlichen St John Rivers sowie dem vermeintlichen Bigamisten Edward Rochester zudem nicht sonderlich sympathisch. „Jane Eyre, Ballett von Cathy Marston
Hamburg Ballett, 16. November 2024“
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Staatsoper Hamburg: „Ich will ein Weiberschicksal!“

Elektra/Staatsoper Hamburg © Monika Rittershaus

Richard Strauss,  Elektra
Text   Hugo von Hofmannsthal 

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano / Dirigent

Staatsoper Hamburg, 13. November 2024

von Harald Nicolas Stazol

… nana, so weit ist es noch nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber Chrysothemis  will es, sehr zum Verdruß von Elektra, hier, an der Hamburger Staatsoper, zugegebenermaßen und ausgerechnet in der 13. Aufführung – rien sans fortune!!! – Elektra?

„Richard Strauss, Elektra
Staatsoper Hamburg, 13. November 2024“
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Auf den Punkt 32: Silberne Rose statt blutiges Beil

Die traditionelle Übergabe der silbernen Rose vermeldet in Richard Strauss’ Oper Der Rosekavalier die Ankunft des Bräutigams. Im Vorgänger Elektra wird deren Vater mit einem Beil erschlagen, das fortan stets präsent ist. Beides führt zu einigen Konflikten, die unterschiedlich gelöst werden. Im Rosenkavalier unblutig, mit viel Humor, in der Elektra ziemlich blutig.

Staatsoper Hamburg, 10. November 2024
Richard Strauss, Elektra

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano / Dirigent; Foto: © Felix Broede

 von Jörn Schmidt

In der Hamburger Inszenierung von Dmitri Tcherniakov wird es noch blutiger, es geht dort zusätzlich  Chrysothemis (Jennifer Holloway) an den Kragen. Orest (Kyle Ketelsen) ist halt ein Killer durch und durch. Das Libretto (Hugo von Hofmannsthal) gibt das nicht her. Schlüssig ist dieser Ansatz auch sonst  nicht, jedenfalls nicht für mich. Aber Regietheater ist heute nicht das Thema. „Richard Strauss, Elektra, Kent Nagano
Staatsoper Hamburg, 10. November 2024 “
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John Neumeiers letztes Ballett Epilog zeigt Tiefenspannung und enthusiasmiert das Publikum

Vorn Aleix Martínez und Lennard Giesenberg, dahinter Anna Laudere, Jacopo Bellussi, Madoka Sugai, Alexandr Trusch und Xue Lin, links im gelben Hosenanzug Ana Torrequebrada (Foto: RW)

John Neumeiers Ballett Epilog handelt von der Liebe. Es ist eine tröstliche, empathische Liebe, es ist die Liebe der Eltern zu den Kindern, es ist eine freundschaftliche und auch die romantisch erlebte Liebe, es ist die Empathie der Gruppe ihren Einzelgliedern gegenüber.

Epilog, Ballett von John Neumeier

Choreographie, Bühnenbild und Licht: John Neumeier
Kostüme: Albert Kriemler

Musik: Franz Schubert und Richard Strauss, vom Band Simon & Garfunkel

Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, Vorstellung am 7. November 2024

von Dr. Ralf Wegner

Verglichen mit dem jüngst auf die Bühne gehobenen handlungsfreien Vierteiler The Times Are Racing wurde erneut klar, mit welcher unvergleichlichen künstlerischen Kraft John Neumeier sein hiesiges letztes Werk choreographiert hat. Da stimmte einfach alles, nicht nur die Leistungen der herausragenden Tänzerinnen und Tänzer, auch das Bühnenbild und die Kostüme, die Schuberts Klavierstücke spielenden Pianisten Michal Bialk und Piotr Machnik sowie die begnadet die vier letzten Lieder von Richard Strauss zu Gehör bringende Christiane Karg. „Epilog, Ballett von John Neumeier
Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 7. November 2024“
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Mozarts Don Giovanni ist auch durch eine schlechte Inszenierung nicht klein zu kriegen

Alessio Arduini (Don Giovanni) und Erwin Schrott (Leporello) (Foto: RW)

Das Ensemble agierte wie bei einer Don Giovanni-Aufführung erwartbar. Die Sängerinnen und Sänger kannten ihre herkömmlichen Aufgaben, so dass man sich ganz auf die gesangliche Leistungen konzentrieren konnte. Und Mozarts Don Giovanni bietet eine Fülle großartiger musikalischer Momente.

Don Giovanni, Dramma giocoso in zwei Akten (1787)
Text von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung: Francesco Ivan Ciampa

Inszenierung: Jan Bosse, Bühne: Stéphane Laimé, Kostüme: Kathrin Plath

15. Aufführung seit der Premiere am 20. Oktober 2019

Staatsoper Hamburg, 3. November 2024


von Dr. Ralf Wegner

Selten habe ich so eine sinnentleerte Inszenierung gesehen, eingeschlossen das Bühnenbild und die Kostüme, wie bei der 2019 premierten Fassung von Mozarts Meisterwerk Don Giovanni. Auch die jetzt zum dritten Mal gesehene Vorstellung (nach 2019 und 2022) ließ mich nicht nur ratlos zurück, sondern geriet, auch wegen nach wie vor bestehender handwerklicher Fehler, zum Ärgernis. „Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni
Staatsoper Hamburg, 3. November 2024“
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"The Times Are Racing" – die dritte Aufführung ist häufig die beste, so auch dieses Mal

Das Ensemble nach dem das Publikum mitreißenden Stück von Justin Peck The Times Are Racing. In der Mitte Ida Praetorius, Gabriel Barbosa und Ida Stempelmann (Foto: RW)

Die anderen drei Stücke von Hans von Manen, Demis Volpi und Justin Peck beeindruckten dafür umso mehr. Es gibt zwar bei keinem der Werke dieser Choreographen eine erkennbare Handlung, es wird aber im Gleichklang mit der Musik getanzt, und zwar ganz fabelhaft.

Ballettabend mit Werken von Pina Bausch, Hans von Manen, Demis Volpi und Justin Peck

Adagio, Variations for Two Couples, The thing with feathers, The Times Are Racing

Musik u.a. von Gustav Mahler, Benjamin Britten, Astor Piazzolla, Richard Strauss und vom Band: Dan Deacon

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung Vitali Alekseenok

Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 17. Oktober 2024, dritte Vorstellung seit der Premiere vom 28. September 2024

von Dr. Ralf Wegner

Sprechen wir nicht von dem ersten Stück von Pina Bausch, das war wie bei der Premiere langweilig anzuschauen. Selbst die Musik von Mahler konnte da nichts retten. Denn das Bühnengeschehen, also die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer, ließ jeden Bezug zur Leistung im Orchestergraben vermissen. Wie sollte man auch zu Mahler Gehen oder Laufen, wie von Bausch choreographiert. Die anderen drei Stücke von Hans von Manen, Demis Volpi und Justin Peck beeindruckten dafür umso mehr. Es gibt ja bei keinem der Werke dieser Choreographen eine erkennbare Handlung, es wird aber im Gleichklang mit der Musik getanzt, und zwar ganz fabelhaft. „Ballettabend mit Werken von Pina Bausch, Hans von Manen, Demis Volpi und Justin Peck
Hamburg Ballett, 17. Oktober 2024“
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La clemenza di Tito: Ein inhaltlich kitschig-sentimentales Stück geht baden

William Guanbo Su (Publio), Kady Evanyshyn (Annio), Olivia Boen (Servilia), Oleksiy Palchykov (Titus), Ben Glassberg (musikalische Leitung), Tara Erraught (Vitellia), Angela Brower (Sesto) (Foto: RW)

Warum ging Mozarts Werk für mich baden? Ich sah diese Oper zum ersten Mal, und konnte der Geschichte und vor allem der Inszenierung wenig abgewinnen. Und nur die drei großen Arien für Sopran, Mezzosopran und Tenor am Ende der Oper blieben mir im Gedächtnis haften. Wahrscheinlich stand ich mit dieser Meinung nicht allein, jedenfalls sprachen der laue Beifall und die mehrfachen Buhrufe für sich selbst. 

La clemenza di Tito, Opera seria in zwei Akten
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung   Ben Glassberg

Inszenierung Jetske Mijnssen
Bühne und Kostüme: Ben Baur

Staatsoper Hamburg, 16. Oktober 2024

7. Vorstellung seit der Premiere am 28. April 2024

von Dr. Ralf Wegner

Was soll das, zwei Frauen singen sich an wie Verliebte und Erzürnte. Bei zwei anderen Frauen dasselbe, und es gibt eine weitere Frauenrolle, aber nur zwei Männerpartien. Der eine soll den römischen Kaiser Titus darstellen, der andere eine Art Polizeichef des Kaisers. Mit der Zeit wird deutlich, dass es sich bei zwei der Frauenpartien um Männerrollen handelt, erkenntlich vor allem an den flachen Schuhen, während die Frauen hochhackig über die Bühne gehen. Warum sich eine der Sängerinnen in eine so unpassende Männerhose ohne Sakko zwängen und selbst Tara Erraught als Vitellia in einer Szene einen völlig unkleidsamen Hosenanzug tragen musste, blieb mir verborgen. „Wolfgang Amadeus Mozart, La clemenza di Tito
Staatsoper Hamburg, 16. Oktober 2024“
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