CD-Besprechung:
Neujahr 1892. An der Hofoper in Wien feierte die erste Oper von Johann Strauss ihre Uraufführung. Der erfolgsverwöhnte Meister setzte große Hoffnungen in das Werk. Schließlich wollte er sich auch im Opern-Fach etablieren.
Das Johann-Strauss-Jubeljahr 2025 sollte Anlass genug sein, mal wieder des Komponisten Ritter-Rüstung zu polieren…
Ritter Pásmán
Komische Oper von Johann Strauss
Libretto von Ludwig von Dóczi
Doppel-CD des Labels ORFEO von 2021
basierend auf einer Aufnahme des Österreichischen Rundfunks von 1975
ORFEO 200062
von Ralf Krüger
“Oh Pásmán, armer alter Ritter!”
Als der edle Rittersmann auf seiner Burg im Ungarn des 14. Jahrhunderts seine Arie schmettert und in Selbstmitleid versinkt, hatten sich die Ereignisse längst verselbstständigt.
Was war geschehen?
Pásmán hatte eine bunte Jagdgesellschaft zum Festschmaus geladen. Im Rittersaal kam es zum Blickkontakt zwischen dem jugendlichen Helden dieser Oper und der Gattin des Gastgebers. Man ahnt es, die beiden trafen sich. Er küsste sie – Achtung! – auf die Stirn. Aber die Dame blieb frei jeder Schuld. Denn der jugendliche Liebhaber stibitzte ein Accessoire des Ritters – seine Kappe – und schlüpfte in dessen Rolle. So dachte die Dame, ihr Gatte käme auf einen Gute-Nacht-Kuss vorbei. Als sie bemerkte, dass es der Tischnachbar war, der sich auch noch als König von Ungarn entpuppte, war ihr Aufschrei groß…
Musikalisch hat Johann Strauss genau an dieser Stelle einen Meilenstein seiner Karriere gesetzt. Das große, fast zwanzig-minütige Duett der Rittersgattin Eva mit dem (anfangs noch maskierten) König ist für mich unschlagbar der Höhepunkt dieses Ritterspektakels.
Der Walzerkönig bewies, dass er durchaus große Opernmomente zaubern konnte. Trudeliese Schmidt (als Eva) hat in dieser Aufnahme ihr Entsetzen über diesen „falschen“ Kuss, ihre Schuldgefühle, ihre Klagen fast explosionsartig ihrem Partner entgegengeschleudert. Dieser, nun voll und ganz König und Landesvater, befiehlt ihr, dem Gatten nichts von diesem Fauxpas zu beichten. Schaden an Leib und Leben könne er nicht ausschließen. Josef Hopferwieser singt den König, hat aber Eva an Kraft und Willensstärke nichts entgegenzusetzen.
Was Sancho Panza bei Don Quijote war, ist Mischu in gleicher Funktion bei Pásmán: Des Ritters Knappe! Und dieser Mischu wird zum unfreiwilligen Zeugen jenes Kusses, der nicht sein durfte. Wir sind in der Mitte des zweiten Aktes. Der Spannungsbogen der Oper hat seinen Höhepunkt erreicht. Die Kurzweiligkeit der Musik hält bis zum Schluss.
Es sind die Chöre, die mich dabei immer wieder begeistern. Allein im ersten Akt höre ich einen Chor der Spinnerinnen, der Jäger, der Fischer… Die manchmal unverständlichen Solopartien des Ensembles werden durch die fröhlich-volkstümlichen Chöre kaschiert und die Handlung flott weitergetragen. Heinz Wallberg hat mit dem Radio Symphonie Orchester Wien des ORF und dem Chor des Senders vor fünfzig Jahren ein unterhaltsames Stück Musiktheater konserviert. Glücklicherweise möchte ich sagen, sonst wäre das Werk vielleicht vergessen.
Ich würde die Musik, zumindest die gesungene Partitur, nicht unbedingt mit Johann Strauss in Verbindung bringen. Es fehlen die Hits, die Ohrwürmer… Aber Ritter Pásmán bietet auch instrumentale Einlagen, die aber, außer einer kurzen Ballettmusik im 3. Akt, nicht in dieser Gesamtaufnahme enthalten sind. ORFEO hat als Bonus und Bonbon drei Einspielungen jüngeren Datums noch mit an Bord. Sie wurden mit dem Staatlichen Philharmonischen Orchester der Slowakei unter Alfred Walter eingespielt.
Auch Christian Thielemann hatte für das Neujahrskonzert 2019 der Wiener Philharmoniker zwei Pásmán- Fundstücke dabei. Spätestens da schimmert das Genie durch, das wir kennen und lieben.
„Verzeih’, holde Königin“.
Mit dieser Entschuldigung im Finale wird für mich die Frage, ob der Pásmán vielleicht doch ins Operetten-Genre gehört (oder nicht) eindeutig beantwortet. In vielen Operetten wird die Happy-End-Lösung im 3. Akt derart an den Haaren herbeigezogen und entbehrt oft jeder Logik. Ritter Pásmán endet mit einer riesigen Portion Diplomatie. Die Königin (Sona Ghazarian) und Pásmán (Eberhard Waechter) klären den Sachverhalt wie Erwachsene, die an Lösungen interessiert sind. Ein solider Opern-Schluss!
Ralf Krüger, 8. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Johann Strauss, Das Spitzentuch der Königin Musiktheater an der Wien, 28. Januar 2025
Sommereggers Klassikwelt 267: Johann Strauss klassik-begeistert.de, 1. Januar 2025
Wiener Johann Strauss Orchester, Dirigent Johannes Wildner Elbphilharmonie, 3. Februar 2024, Matinee