Teatro alla Scala/Walküre © Brescia e Amisano
Ein durchgehend mächtiges, von souveräner stimmlicher Klarheit beherrschtes Gesangsensemble thront im Mailand um die Herrschaft Walhalls. Auch in Sachen Wagner lässt die Scala nichts anbrennen und verteidigt ihren verdienten Ruf an der Spitze der Opern-Champions-League!
Die Walküre (Der Ring des Nibelungen)
Musik und Libretto von Richard Wagner
Musikalische Leitung: Simone Young / Alexander Soddy
Inszenierung: David McVicar
Bühnenbild: David McVicar und Hannah Postlethwaite
Kostüme: Emma Kingsbury
Mit dem Orchester des Teatro alla Scala
Neuproduktion
Teatro alla Scala, Milano, 9. Februar 2025
von Johannes Karl Fischer
Vor dem Haus erklärt ein italienischsprachiger Gast seinem Bekannten die Namen der Walküre, ein Ross wie Rossweiße ist ein cavallo und Schwert wie Schwertleite heißt auf Italienisch spada. Klatschen im Feuerzauber? Geht gar nicht, der an diesem Haus sehr übliche Schlussakkordapplaus wird heute natürlich von Zischen begrüßt. Schon ein bisschen eine andere Scala-experience, auch Mailand scheint seine Walküre-fanatische Wagner-Community zu haben…
Nylund und Volle thronen in Walhall
Und nicht umsonst sind Wagner-Fans aus aller Welt zu diesem Mailänder Gesangsfeuerwerk angereist. Das war eine Walküre der absoluten Extraklasse, ganz nach dem Motto: Die besten sind uns gerade gut genug.
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Allen voran stemmte Michael Volle den Wotan mit kraftvoller, runder Stimme und souverän klarer Textverständlichkeit wie ein mächtiger Göttervater in den Saal, dem Publikum servierte er eine unangefochtene Paradeleistung des dramatischen Wagner-Gesangs. Dieser Wotan will herrschen, vor einer in Ketten liegende Weltkugel thronte sein Bariton siegessicher der Weltherrschaft entgegen.
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Wäre da nicht Camilla Nylunds Brünnhilde… an der Wotan letztendlich auch in der Handlung scheitert. Wie eine allwissende Gesangsgöttin schwebte ihre Stimme kraftvoll doch mühelos über den dramatischen Grenzen der Musik und Handlung, ihr sonnenheller Leuchtkraftsopran blühte souverän über dem Orchester und segelte in die Ohren des Publikums. Mit fesselndem Blick und ebenfalls überragend klarer Textverständlichkeit hatte sie das Geschehen felsenfest im Griff, an ihren blitzsauberen Hojotoho-Rufen schien sie regelrecht Spaß zu haben. Ihre Todesverkündungsszene ließ die ganze Stadt im siebten Himmel Walhalls schweben und entthronte ihren Göttervater ohne den Hauch eines stimmlichen Speers!
McVicars Regie überzeugt mit rebellischer Felsenlandschaft
Insgesamt konnte auch David McVicars klassische, aber aussagekräftige Regie auf ganzer Linie überzeugen. Die alten Mythen dieser Handlung ließ er sichtbar mit Schwert und Speer intakt, doch ließ vor allem sein packender zweiter Aufzug die omnipräsente Brünnhilde zu wahren Herrscherin der Handlung aufsteigen. Seine mystische Felsenlandschaft verzierte er stets mit rebellischen Einfällen, nicht zuletzt die mit Punk-Mohawks herumspringenden Walküren schrien nahezu nach Aufstand gegen den vermeintlich allmächtigen Göttervater.
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Elza van den Heever fügte sich souverän als Sieglinde in das Ring-erfahrene Gesangsensemble ein und ließ die strahlenden Melodien wie im sonnigen Lenz glänzen. Leider klang ihre Stimme im dritten Aufzug ein wenig eng, als würde Sieglinde nun im benennenden Liebeskummer mit Brünnhildes Speer auf die Walküren losgehen…
Günter Groissböck war jedenfalls ein souverän routinierter Hunding, mit tiefem, bösem Bass stürmte er skrupellos seiner ungefragt gefreiten Braut entgegen. Kämpferisch schmetterte er auch seine Wehwalt-Rufe Siegmund entgegen, ehe er diesen eiskalt hinter dem Rücken eines widerwillig von Frickas Eide gefesselten Wotans erledigte.
Als Fricka selbst brillierte Okka von der Damerau ebenfalls souverän und selbstsicher durch ihre Rolle, drängte Wotan mit mächtigem Mezzo gegen seinen eigenen Willen und seine Lieblingstochter auf.
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Stolz und kämpferisch schmetterten auch die acht Walküren ihre Partien in den Saal, peitschten ihre kunstvoll auf Sprungstelzen umherspringenden Pferde mit sichtlichem Amüsement umher wie auf einem Spielplatz für lebenslustige Wotan-Töchter. Leider gab es ausgerechnet für diese äußerst einfallsreich inszenierten Wagner-Rosse auch die einzigen Buhs des Abends… dürfen die Walküren nicht auch mal ihren Spaß haben? Oder wie soll man denn bitte sonst den Sinn dieser Heldenvergötterung der Wunschmädchen Wotans auf die Bühne bringen?
Vogt singt sich für Siegfried warm
Einzig der Siegmund des Abends, Klaus Florian Vogt, konnte den haushohen Erwartungen an seine Stimme ausnahmsweise mal nicht vollständig gerecht werden. Nun ja, der wohl weltbeste Wagner-Tenor bewies zwar wieder einmal seine souverän klare Extraklasse, sang den Siegmund allerdings mehr wie eine jugendliche Aufwärmübung für den als anspruchsvoller gesehenen Siegfried – ja, in diesem Ring gibt’s nur einen Heldentenor – und ließ die brennende Passion dieser Partie für seine bräutliche Schwester ein wenig auf der Strecke liegen. In die rauschende Ekstase von Wagners Mathilde-Fantasien wollte er jedenfalls nicht ausbrechen…
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An der Spitze des Mailänder Opernorchester lieferte Simone Young eine souveräne, saubere orchestrale Leistung. Die Leitmotive stiegen klar empor aus dem Graben, mit strahlender Brillanz ließ sie die lang atmenden Wagner-Tuben tief in die musikalische Seele eindringen. Ein wenig mehr Biss hätte dem Orchester an der einen oder anderen Stelle allerdings nicht geschadet, die instrumentalen Speere Brünnhildes und Wotans bekam man ebenso weich zu spüren wie die rot gepolsterten Sitze dieses Hauses im Rücken. Ob das im Siegfried gut geht?
Summa summarum: Die Scala lässt mal wieder nichts anbrennen und festigt auch mit Wagner ihren Ruf als Weltspitzen-Opernhaus. So einen durchgehend souveränen, klaren Wagner-Gesang wird man so schnell nicht wieder sehen!
Johannes Karl Fischer, 10. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Giuseppe Verdi, La forza del destino Teatro alla Scala, Milano, 7. Dezember 2024 Inaugurazione