Zwischen Tiroler Blumenauen blüht der Erler Parsifal

Richard Wagner, Parsifal  Tiroler Festspiele Erl, 17. April 2025

Parsifal Erl 2025 © Xiomara Bender

Schon die Pilgerwanderung durch die blühende Voralpenlandschaft läutet in Erl das Gesamtkunstwerk ein: Dieses einzigartige Tiroler Wagnererlebnis lässt auch in der derzeit stark umkämpften Osterparsifalszene deutlich aufhorchen. Musikalisch räumte vor allem Irene Roberts sensationell dominierende Kundry ab, die vor einer uninspirierten und leblosen Regie das Werk quasi im Alleingang beherrschte.

Parsifal
Musik und Libretto von Richard Wagner

Orchester und Chor der Tiroler Festspiele Erl
Musikalische Leitung:  Asher Fisch

Regie
:  Philipp M. Krenn
Bühnenbild:  Heike Vollmer
Kostüme:  Regine Standfuss
Licht:  Stefan Schlagbauer
Video:  Thomas Achitz
Dramaturgie:  Werner Hintze

Tiroler Festspiele Erl, 17. April 2025

von Johannes Karl Fischer

Kein Münchner Großstadtwahn, nicht einmal eine Festspielstadt in Sicht. Stattdessen wohltuende Landluft und raumhohe Fenster mit malerischen Alpenblicken. Nach einer vierzigminütigen Pilgerwanderung vom Bahnhof Oberaudorf erscheint inmitten blumiger Voralpenauen etwas unscheinbar ein schwarzer, hypermodern eckiger Bau namens Festspielhaus Erl. Ein bisschen eine andere Opernerfahrung ist’s schon im ländlichen Tirol.

Passend dazu webte die Inszenierung von Philipp Krenn das Bühnenweihfestspiel in das Tiroler Festspielgeschehen mit ein. Parsifal spaziert über die grünen Wiesen vor dem Opernbau, im Schlusschor schreiten die Sänger von der Bühne in den Zuschauerraum.

Jenseits dieses einzigartigen, immersiven Regieansatzes hatte die allesamt emotional flache Inszenierung allerdings wenig zu bieten und konnte die eh sehr zähe Handlung wenig beleben. Diese Oper geht eben nicht ohne Regietheater, man siehe das Parsifal-Non-Plus-Ultra namens Kirill Serebrennikov! Das Publikum sah das anscheinend anders, so hörte man in den Pausen viel Lob und es gab kaum Buhs für das Regieteam. Naja, wem’s gefällt…

Parsifal Erl 2025 © Xiomara Bender

Musikalisch war die Bilanz allerdings um einiges positiver. Insbesondere Irene Roberts als sensationelle Kundry beherrschte den Abend quasi im Alleingang. Mit ihrem umschwärmenden, brillanten Mezzosopran eroberte sie die Herzen des Publikums und zeigte in ihrer blühenden Stimme ihre in dieser Regie präsente Liebe zu Parsifal. Den berühmten Lachruf ließ sie atemberaubend im Saal resonieren, da spürte man die volle Wucht dieser Rolle tief in der musikalischen Seele. Auch schauspielerisch füllte sie den Abend mit einer omnipräsenten Energie, die hier zurecht monoton dargestellte Gralsrittergesellschaft beflügelte sie stets mit lebendiger Passion und einer fesselnden Bühnenpräsenz!

Dagegen schlug sich Intendant und Titeltenor Jonas Kaufmann, der in letzter Zeit als Sänger oftmals mit wenig überzeugenden Leistungen auffiel, überraschend wacker. Zwar kämpfte er immer noch ordentlich in den Höhen seiner Partie, doch klang sein eher baritonal gefärbter Tenor vor allem im zweiten Aufzug selbstsicher und formte die Noten zu soliden Wagner-Melodien. Im Duo mit Frau Roberts nahm das Parsifal-Kundry-Duett ordentlich an Fahrt auf und riss auch das bis dahin nicht sehr engagiert spielende Orchester in den Sog dieser Musik mit hinein.

Eine weitere Spitzenleistung bot Michael Nagy als Amfortas. Sein bärenstarker, ausdrucksvoller Bariton haute einen in dieser manchmal etwas langatmig lamentierenden Partie regelrecht um! Mit jeder einzelnen Note ließ er das Publikum sein brennendes Leiden in tiefster Seele nachempfinden und seine intensive Leidenschaft für diesen Gesang im Saal schweben.

Parsifal Erl 2025 © Xiomara Bender

Auch Brindley Sherratt war ein mindestens solider Gurnemanz. Mit röhrendem, doch klar verständlichem Bass trug er die sehr langen und omnipräsenten Monologe auf seinen Schultern. Zwar schmetterte er insbesondere im dritten Aufzug seine Spitzentöne nicht ganz so effektvoll ins Publikum wie Herr Nagy, doch lieferte er insgesamt eine mehr denn überzeugenden Auftritt in dieser die Oper rein zeitlich regelrecht dominierende Rolle. Das reicht.

Sehr überzeugend waren zudem die Nebenrollen besetzt. Schon Lukas Enoch Lemcke in der Minipartie des zweiten Gralsritters glänzte mit souveräner Klarheit in seinem knappen, doch markanten Bass-Solo, da musste sich selbst der Gurnemanz stimmlich warm anziehen. Auch aus den Reihen der Blumenmädchen strömten zauberhafte, glänzende Sopranstimmen, deren Noten wohlklingend und rührend musikalisch das Ohr streichelten. Der weit erfahrenere Georg Nigl sang und spielte souverän einen äußerst bösartigen, dämonischen Klingsor und Clive Bayley ließ die wenigen Noten des alten Titurels aus dunkler Tiefe schreitend in den Saal aufsteigen.

Einzig das Orchester unter dem Dirigat von Asher Fish konnte leider nicht mit dem sonst sehr hohen musikalischen Niveau mithalten. Jenseits zahlreicher Koordinationsprobleme – schon das Unisono der ersten Vorspielsmelodie war nicht zusammen – ließ der Chef am Pult den ersten Aufzug recht langsam dahin schleppen, ehe er durch den dritten Teil durchraste, als würde er mit einem motorisierten Segelflugzeug das Inntal überfliegen.

Die Musiker im Graben spielten zwar die meisten Noten korrekt, ein richtig magischer Wagnerklang wollte sich hier nicht einsetzen. Schade. Auch der Chor sang zwar grundsolide, konnte dem dynamisch undifferenziert spielenden Orchester leider wenig entgegensetzen.

Trotz allem bekam man in Erl ein völlig einzigartiges, souveränes Parsifal-Erlebnis serviert.

Das Gesamtkunstwerk streckte sich weit über die Bühne hinaus!

Johannes Karl Fischer, 18. April 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Ein Gedanke zu „Richard Wagner, Parsifal
Tiroler Festspiele Erl, 17. April 2025“

  1. Der Wiener Parsifal ist das Parsifal-non-plus-Ultra? In einer Beziehung sicher, denn ich habe selten in einer Oper so gelacht wie vorgestern in eben diesem Wiener Parsifal….

    Richard

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