„Arabella“ unter Thielemann: Wenn Klang mehr sagt als jede Geste

Richard Strauss, Arabella  Wiener Staatsoper, 22. April 2025

Arabella – Nylund, Volle © Michael Pöhn/Wiener Staatsoper

Jawohl, danke! Ein außergewöhnlicher Abend, der lange in Erinnerung bleiben wird. Christian Thielemann und das Wiener Staatsopernorchester haben eines bewiesen: Wie man das Maximum aus einer langweiligen Partitur wie „Arabella“ holt. Camilla Nylund und Michael Volle komplettieren das Gesamterlebnis an der Wiener Staatsoper.

Arabella
Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal

Wiener Staatsoper, 22. April 2025

von Jürgen Pathy

Es war ein außergewöhnlicher Abend, der unter mehreren Maximen stehen könnte. Zum einen: Wenn alle an einem Strang ziehen, kann Großes entstehen. Der Cast durch die Bank berauschend. Michael Volle findet als Mandryka zu seiner romantischen Ader. In puncto Klarheit, Aussprache macht ihm sowieso keiner was vor – ein Sir statt ein Rabauke, der dieses Mal seine verletzliche Seite enthüllt.

Camilla Nylund findet zu alter Stärke. Kaum zu glauben, wie die finnische Sopranistin ihre rührenden Piani samtweich intoniert und wie Seide dahinschweben lässt. Michael Laurenz als Matteo ist die auffälligste Stimme auf der Bühne. Ein Charaktertenor, schrill und prägnant wie Wagners Feuergott Loge. Zdenka, alias Sabine Devieilhe, hat schon bei der ersten Aufführung dieser Serie ihre Qualitäten bewiesen. Sie ist keine Nebenfigur, sondern eine Figur voller Schmerz, Mut und Identitätskonflikt. Nur Wolfgang Bankl – der schwingt dieses Mal mit weniger Wucht durch die Hallen. Wienerischer, ja – aber auch gesetzter, weniger Schub als gewohnt.

Müde Partitur zum Leben erweckt

Zum anderen: Was kann man alles aus einer Partitur holen, die einen vor der Pause fast in Tiefschlaf versetzt? Viel – das hatte vor sechs Jahren schon Dirigent Axel Kober bewiesen. Damals mit einem sportlichen Tomasz Konieczny als Mandryka. Unvergessen sein Sprung, aus dem Stand auf die Theke. Die spielt auch in Sven-Eric Bechtolfs Inszenierung eine zentrale Rolle – wie überhaupt das stilvolle Hotelfoyer mit Art-Déco-Charme. Eine Inszenierung, an der es nichts zu meckern gibt: klassisch, klar, atmosphärisch dicht. Und wenn mal halbnackte Damen in Strapsen durchs Bild tanzen, ist das weniger Provokation als willkommene Ablenkung vom Konversationsfluss.

Aber alles in allem, das Motto, das den Abend geprägt hat: Wenn Kapellmeisterei in den Hintergrund rückt, kann Zauber entstehen. Das Geheimrezept hat nur Christian Thielemann parat – und: das Orchester der Wiener Staatsoper, dem eigentlich das große Lob gebührt. Plötzlich, kurz nach dem musikalischen Highlight der Oper – dem Duett „Nur du kannst mein Gebieter sein“ – macht’s klick. Da verwandelt sich der Ton in diesen unvergleichlichen, süßlichen Klang, der sich so zart und leicht ausbreitet. Kammermusik, mit minimalen Eruptionen gar. Als würde man mit Samt über eine klare Fläche wischen, dabei alles mit Energie aufladen, die sich über dem Orchestergraben in sanftem Fluss ausdehnt.

Christian Thielemann © Michael Pöhn

Maestro, Dirigent und Kapellmeister in einer Person

Der Kapellmeister dürfe als Dirigent scheitern, hat Thielemann mal geschrieben. Aber: Der Dirigent niemals als Kapellmeister. Das ist sein Credo, seine Grundlage, auf der sein Erfolg basiert. Wenn beide in Hochform agieren, liefert er Unvergleichbares. Die Finger seiner linken Hand sind noch immer im Einsatz. „Etwas zurücknehmen, meine Lieben“, heißt das. Vehemente Bewegungen mit der ganzen linken Handfläche sind aber rar. Ganz im Gegenteil zur ersten Aufführung dieser Serie, wo die Magie noch in weiter Ferne lag. „Weg, ganz weg“, bedeutet das – und war da noch oft notwendig. Nun, bei der vierten, bleibt Raum zu gestalten. Nostalgie, Energie und Harmonie sind präsent. Die Zutaten, die Thielemann zum Unsterblichen machen – mit Musik, die nicht laut sein muss, um zu wirken.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 23. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Strauss, Arabella Wiener Staatsoper, 22. April 2025

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