Schweitzers Klassikwelt 139: Wir bringen den Mut auf über Mittelmäßigkeit zu schreiben

Schweitzers Klassikwelt 139: Mittelmäßigkeit  klassik-begeistert.de, 10. Juni 2025

Coverfoto des Programms: Lukas Beck

In unsren Klassikwelten finden Sie eine Serie in unregelmäßigen Abständen mit dem Untertitel: Erinnerungen an schöne musikalische Erlebnisse. Darunter einen Bericht über den von uns als „Jahrhundert-Inszenierung“ gelobten „Fidelio“ von Claus Guth oder das zur Adventstimmung passende Musical „Winter Wonderettes“. Diesmal wählen wir aus der Reihe fallend „Der Carneval in Rom“, eine weniger populäre Operette von Johann Strauß, bei der wir eine noch nie so laue Aufnahme seitens des  dieses Genre liebenden Publikums erlebt haben.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Zwei Gründe führten wir dafür an. Erstens hatte die Lösung der Spannung vor dem Finale Hänger und zweitens endet die Operette in Nachdenklichkeit ohne Feuerwerkslaune.

Versuchen wir den Inhalt der Verkleidungskomödie zu straffen. Marie, ein Mädchen vom Land, steht einem Maler Modell und glaubt deswegen sich in ihn erfolgreich verlieben zu können. Der Maler reist ab und sie kann von ihm nur mehr träumen.

Jerica Steklasa © Christian Husar

Letztendlich reist sie ihm zur Karnevalszeit nach Rom nach und verdingt sich bei ihm als männlicher Malerlehrling Pepino. Der Maler ist seltsam berührt von dem schönen Knaben. Marie hat genug die Liebschaften des Künstlers mit seinen Modellen mitansehen zu müssen. Sie bestellt heimlich Modell und Ehegatte gleichzeitig ins Atelier und versucht vor den Augen des gräflichen Ehegatten die Gräfin zu küssen. Es kommt aber zu keinem Duell. Pepino verwandelt sich in Marie zurück und der Maler sieht sich nur mit der Kunst vermählt zu sein, mit Marie als einziger Muse an seiner Seite.

Das Stück enthält viele abgegriffene Witze und banale Musiknummern wechseln mit ein paar eleganten Melodiebögen. Man merkt auch bei diesem nicht so bekannten Werk von Johann Strauß (Sohn) in gewissen Momenten seinen Hang zur Oper.

Die Schwächen des Stücks konnte auch die gute Besetzung nicht retten. Da tritt nach dem Vorspiel eine Sympathieträgerin auf, die Slowenin Jerica Steklasa, vierundzwanzig Jahre, ein glückliches Casting. Beim Surfen im YouTube trifft man auf eine willensstarke Künstlerin.

Jerica Steklasa © Martin Teschner

Und als Gegenspielerin (Gräfin) im Doppelsinn Barbara Payha, der fulminant höhensichere Sopran mit professioneller Erfahrung als Musetta der Wiener Volksoper und als Olympia des Linzer Landestheaters.

Barbara Payha Foto: privat

Sebastian Reinthaller kann sich in der Rolle des Malers wohlfühlen.

Was uns an der Aufführung trotz der vielen Schwächen bleibend imponierte, war die gelungene Verwandlung auf offener Bühne (Inszenierung: Monika Steiner, Ausstattung: Friedrich Despalmes) von der verschneiten Alpenszenerie zum wärmeren, großstädtischen Rom.

Erinnerungen werden da wach an einen spätherbstlichen Abend am Kaminfeuer in einem Tiroler Gasthaus und dem Abendessen am folgenden Tag im Freien auf einer römischen Piazza.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 10. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.

Lothar und Sylvia Schweitzer

Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

Schweitzers Klassikwelt 138: Verkleidungsposse klassik-begeistert.de, 27. Mai 2025

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