Blu-ray Besprechung:
Man hört also eine „Turandot“ von ganz großem Kaliber, die Inszenierung kommt aber über ein eindimensionales Bilderbuch nicht hinaus.
Giacomo Puccini
Turandot
Anna Netrebko
Yusif Eyvazov
Franco Zeffirelli Regie
Marco Armiliato Dirigent
Unitel C-major 769704
von Peter Sommeregger
Diese Aufführung von Puccinis letzter Oper fand im Sommer 2022 statt, als die Corona-Pandemie zu Ende ging, und ein ausgehungertes Publikum doppelt dankbar das hochkarätige Spektakel in der Arena di Verona genoss.
Die Inszenierung des inzwischen verstorbenen Altmeisters Franco Zeffirelli geht auf das Jahr 2010 zurück, ist in ihrer Art aber zeitlos. Der Regisseur wusste genau, was in diesem besonderen Ambiente von einem Massenspektakel verlangt wird. Prächtige, sehr bunte Kostüme, zahlreiche Statisterie, und natürlich mindestens ein Gesangsstar. Dazu eine spektakuläre Choreographie, die das Bühnengeschehen kaum zur Ruhe kommen lässt.
Puccini hat die „Turandot“ unvollendet hinterlassen, angeblich haderte er mit der Komposition jener Passage, in der sich die grausame Prinzessin in eine liebende Frau wandelt. Ein Schüler des Komponisten, Franco Alfano, komplettierte die Partitur, wobei er bei seiner Ergänzung auf Material des Verstorbenen zurückgriff, er wiederholte einfach einige Passagen. Viele Jahre später schuf der Komponist Luciano Berio einen sehr viel spröderen Schluss, der sich zwar auch Skizzen Puccinis bedient, aber dramaturgisch überzeugender ist.
Zeffirelli entschied sich für die Version Alfanos, wobei er selbst diese deutlich eingekürzt hat, wohl wissend, dass das Publikum in der Arena mit Berios längerer Ergänzung überfordert wäre. Insgesamt werden zwar schöne, bunte Bilder gezeigt, aber die Handlung erlebt keinerlei Interpretation im eigentlichen Sinn. Sicher, ein Spielort wie die riesige Arena verlangt nach einer optisch nicht zu komplizierten Szene, subtile Details würden darin nicht wahrgenommen. Trotzdem ist es ein wenig enttäuschend, lediglich mit bunten Bildern abgespeist zu werden.
Musikalisch kommt man aber voll auf seine Kosten.
Orchester und Chor der Arena spielen unter Marco Armiliato gekonnt auf, Puccinis Musik gehört hierzulande schließlich zur musikalischen DNA. Der Chor ist in dieser Oper besonders gefordert, ihm gehört sogar das letzte Wort in der Partitur, was großartig gelingt.
Entscheidend für den Erfolg dieser Oper ist die Besetzung der Titelrolle, wie des Prinzen Calaf. Mit Anna Netrebko sicherte man sich die Primadonna unserer Tage, gerade noch rechtzeitig, bevor ihre Putin-Nähe zum Problem wurde. Ihre über die Jahre an Volumen und Kraft gewachsene Stimme bewältigt die Partie mühelos, makellos sauber phrasierend reiht sie sich in die Riege der großen Interpretinnen dieser Rolle ein. Ihr zur Seite Ehemann Yusif Eyvazov, wie gewohnt mit gewöhnungsbedürftiger Diktion, aber bombensicher in den exponierten Spitzentönen. Inzwischen hat sich das Paar getrennt, tritt aber weiterhin gemeinsam auf.
Ferruccio Furlanetto, altgedienter Recke, kann als greiser Timur überzeugen. Spielfreudig und auch vokal höchst agil die Minister Ping, Pang, Pong von Gézim Myshketa, Matteo Mezzaro und Youngjun Park. Maria Teresa Leva überrascht neben engagiertem Spiel mit frischem, blühenden Sopran, und krönt ihre beiden Arien mit Spitzentönen im Piano.
Man hört also eine „Turandot“ von ganz großem Kaliber, die Inszenierung kommt aber über ein eindimensionales Bilderbuch nicht hinaus.
Peter Sommeregger, 10. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD/Blu-ray-Besprechung: Giacomo Puccini, Turandot klassik-begeistert.de, 7. Juni 2025
Giacomo Puccini, Turandot Macerata Opera Festival, 10. August 2024