Weinbergs „Idiot“ in Salzburg: Ein Meisterwerk wird entdeckt

CD/Blu-ray Besprechung: Mieczysław Weinberg The Idiot  Klassikwelt-begeistert.de, 29. Juli 2025

CD/Blu-ray Besprechung:

Das Salzburger Festspielpublikum nahm das Werk mit begeistertem Applaus auf, auch auf dem Bildschirm zieht einen das Werk in seinen Bann. Ob das lange, und über Strecken doch anstrengende Stück aber Eingang in das Repertoire finden wird, muss man leider bezweifeln.

Mieczysław Weinberg
The Idiot

Prinz Myshkin    Bogdan Volkov
Nastasya   Aušrinė Stundytė
Rogozhin    Vladislaw Sulimsky
Aglaya    Xenia Puskarz Thomas

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker
Mirga Gražinytė-Tyla, Dirigentin

Krzysztof Warlikowski, Regie
Małgorzata Szczęśniak, Bühnenbild und Kostüme

Unitel 811504

von Peter Sommeregger

Das komplizierte Schicksal des Komponisten Weinberg spiegelt sich in der Rezeptionsgeschichte seiner Opern wieder. Der Komponist war polnischer Jude, floh vor den Deutschen nach Russland, wo er Freundschaft mit Schostakowitsch schloss, aber wie jener auch ins Fadenkreuz des stalinistischen Regimes geriet.

Seine erst 2010, also 14 Jahre nach seinem Tod uraufgeführte Oper „Die Passagierin“ wurde zum Welterfolg und damit erwachte auch das Interesse an den übrigen Werken Weinbergs.

Die Uraufführung seiner letzten Oper „Der Idiot“ nach Dostojewskis Roman erlebte Weinberg, der 1996 starb, noch in einer Kurzfassung an der Moskauer Kammeroper. Das komplette Werk wurde von Thomas Sanderling 2013 am Nationaltheater Mannheim uraufgeführt.

Die nun auf Blu-ray vorliegende Aufführung von den Salzburger Festspielen in der dortigen Felsenreitschule eröffnete dem Werk erstmals ein breites internationales Publikum. Da es sich um eine klassische Literatur-Oper handelt, ist sie naturgemäß stark textlastig. Es wird der russische Originaltext gesungen, was den Zugang noch ein wenig komplizierter macht. Relativ schnell zieht aber die Intensität der Musik das Publikum in seinen Bann, auch als „Konserve“ genossen entfaltet sie eine starke Sogwirkung.

Das liegt auch an der Regiearbeit Warlikowskis, dem es gelingt, auf der überbreiten Bühne der Felsenreitschule Tableaus von atmosphärischer Dichte zu erzeugen. Schon die simulierte Zugfahrt im ersten Bild, in dem die verschneite russische Landschaft vorüberzieht, ist ein genialer Regieeinfall. Warlikowski ist bekannt für seinen exzentrischen Stil der totalen Verfremdung, aber hier bewährt sich seine geheimnisvolle Bildersprache, da die eigentliche Handlung eher statisch ist.

Dem Regisseur gelingt es, seine Sänger zu intensivem Spiel zu animieren. In Bogdan Volkov hat er den idealen Darsteller für den emphatischen, aber schwachen Fürsten Myshkin gefunden, der wegen seiner Gutmütigkeit Idiot genannt wird. Figürlich schmal und blass, knabenhaft zart aber mit kräftigem, schönen lyrischen Tenor verkörpert er glaubhaft diese komplizierte Rolle. Sein Gegenspieler Rogozhin ist Vladislaw Sulimsky mit kompaktem Bass und derberem Naturell.

Problematisch ist die Besetzung der Nastasya mit der litauischen Sopranistin Aušrinė Stundytė. Die Sängerin verfügt zweifellos über eine überdurchschnittliche schauspielerische Begabung, was sie zum Darling der internationalen Regisseure gemacht hat. Ihre gesanglichen Leistungen fallen dagegen extrem ab, die Stimme klingt verschlissen, hart, und unschön. Szenisch ist ihre kapriziöse, sich selbst vernichtende Nastasya aber atemberaubend intensiv. Nur das blutjunge Mädchen kann man ihr nicht mehr glauben.

Als solches beweist sich Xenia Puskarz Thomas in der Rolle ihrer Gegenspielerin Aglaya. Ihr frischer Sopran ist der passende Widerpart zu Stundytės extremer Stimme.

Auch die kleineren Rollen sind gut besetzt, alle durch die Bank auch als Darsteller überzeugend. Sehr gut ebenfalls die Herren der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Die Wiener Philharmoniker haben offensichtlich einen Zugang zu der Musik Weinbergs gefunden, die über weite Strecken einen deklamatorischen Duktus hat, sich aber permanent steigert. Die Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla koordiniert Bühne und Graben perfekt.

Das Salzburger Festspielpublikum nahm das Werk mit begeistertem Applaus auf, auch auf dem Bildschirm zieht einen das Werk in seinen Bann. Ob das lange, und über Strecken doch anstrengende Stück aber Eingang in das Repertoire finden wird, muss man leider bezweifeln.

Peter Sommeregger, 27. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Mieczysław Weinberg, Der Idiot Felsenreitschule, Salzburg, 02. August 2024

Mieczysław Weinberg, Die Passagierin Theater Lübeck, 12. Oktober 2024 PREMIERE

6. Symphoniekonzert, Weinberg und Dvořák MUK Lübeck, 24. März 2025

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