OPER darf ein Event sein!

Kommentar: OPER darf ein Event sein!  klassik-begistert.de, 28. August 2025

Klavierhauptprobe „Der Freischütz“ Bregenzer Festspiele  © anja koehler 

Ich frage mich allen Ernstes, wieso darf eine Oper kein Event sein? Wieso darf man keinen Spaß haben, wenn man Oper hört und erlebt? Ist diese „Kunstform“ nur für einen kleinen Kreis Interessierter gedacht, der sie auch versteht und der die Höhen und Tiefen der Sänger beurteilen kann?

 von Ralf Krüger

Anfang des Jahres erlebte ich in der Staatsoper Unter den Linden das erste Mal in meinem Leben den Rosenkavalier. Ich hatte mich vorbereitet, hatte die Handlung inhaliert, die Alltagskleidung abgelegt und im Foyer an der Theaterbrezel geknabbert. Was dann folgte war ein großartiger Opernabend mit entzückender Musik, wunderschönen Kostümen und Kulissen.
Von den Sängerinnen kannte ich nur Diana Damrau. Sie hatte vor einiger Zeit eine CD mit Operettenliedern veröffentlicht, die mir gut gefiel. Aber es war mir völlig egal, wer dort vorne sang. Was zählte war das Gesamtpaket: Ein Opernspektakel, ein Event, dass mich gut gelaunt in den nächsten Tag geleitete.

In seiner Kolumne bei klassik-begeistert mahnte Peter Sommeregger in dieser Woche: „Die Kunstform Oper sollte sich davor hüten, zum Event zu verkommen.“

Ich lese die Beiträge von Herrn Sommeregger immer sehr interessiert und gebe gerne zu: Man kann als Freund der Klassischen Musik hier sehr viel lernen und aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz schöpfen.

Doch ich frage mich allen Ernstes, wieso darf eine Oper kein Event sein? Wieso darf man keinen Spaß haben, wenn man Oper hört und erlebt? Ist diese „Kunstform“ nur für einen kleinen Kreis Interessierter gedacht, der sie auch versteht und der die Höhen und Tiefen der Sänger beurteilen kann?

Seit einigen Jahren gehen meine Frau und ich jeweils an den Nachmittagen des ersten Weihnachtsfeiertages in die Staatsoper. Vor zwei Jahren gab es La Bohème, voriges Jahr Die Zauberflöte und für dieses Weihnachten ist Schwanensee angekündigt. Diese Vorstellungen sind ungemein beliebt.

Ganze Familienformationen strömen hinein. Die Kinder sind chic angezogen und selbst der Papa hat seine Krawatte umgebunden. Man bemerkt bei vielen Zuschauern die Spannung, das Aufgeregt-Sein, aber auch die Freude, trotz hoher Eintrittspreise dabei sein zu können. Sie alle wollen etwas Schönes erleben, einen Feiertag mit Opernmusik, ein Event, von dem man noch lange spricht.

Der Höhepunkt der sommerlichen Konzertübertragungen von ORF III und 3sat war für mich in diesem Jahr das Konzert mit Elīna Garanča, ihren Gästen und dem Symphonieorchester der Volksoper Wien. Übertragen wurde es aus einer privaten Schlossanlage in Kitzbühel. Es war viel Giuseppe Verdi zu hören, Franz Lehár, Instrumentales von Johann Strauss, bevor man sich zum Schluss Rosen in Tirol schenkte. Meine Mutter sagte mir hinterher, dass sie ihre Tränen vor Begeisterung nicht zurückhalten konnte. Ja, das war Große Oper für Alle! Ein Abend, der lange nachhallt!

Ich frage mich: Muss man sich hier schämen, Oper wieder als Fest, als Event betrachtet zu haben?

Ich kann die Argumentation von Peter Sommeregger verstehen. Er gehört einer Generation an, die noch Klassische Musik gezielter vermittelt bekam und die (wahrscheinlich) mehr Möglichkeiten hatte, sie zu genießen und vor allem zu verstehen. Seine Sorgen sind (vielleicht) begründet. Denn wer erzählt einem heutzutage von der Geschichte dieses Musik-Genres, wer stellt Werke vor, wer gibt Anreize, ins Opernhaus zu gehen?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wäre ein guter Partner. Doch wie sieht die Realität aus? Für Berlin und Brandenburg gibt es Radio 3 als Kulturwelle, werbefrei und von den Rundfunkgebühren finanziert. Klassische Musik wurde in die Nische von 10 bis 16 Uhr verbannt. Opernmusik gibt es dienstags und mittwochs von 14 bis 16 Uhr zu hören. Das sind tolle Sendungen mit fachkundigen Moderatoren – aber für die breite Mehrheit zu einem ungünstigen Zeitpunkt ausgestrahlt.

Also, wer bringt einem „Oper“ bei – wenn man es nicht selber tut!

Ich werde mit meiner Einschätzung, dass Oper doch ein Event sein kann und muss, in diesem Blog keine Mehrheit finden. Aber das macht nichts. Es ist erlaubt, unterschiedlicher Meinung zu sein.

Ich halte es mit meinem Kollegen, der letztes Jahr beim Freischütz in Bregenz war und mir sagte: Wenn Oper so spannend, so gruselig, so unterhaltsam daherkommt, dann gehe ich wieder mal hin.

Ralf Krüger, 28. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt 292: Rettet die Oper klassik-begeistert.de, 27. August 2025

Carl Maria von Weber, Der Freischütz, Romantische Oper Seebühne Bregenz, 17. Juli 2024 (Première)

Richard Wagner, Der fliegende Holländer Oper im Steinbruch (St. Margarethen im Burgenland), 9. Juli 2025

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