Christoph von Dohnányi ist tot
Zwei Tage vor seinem 96. Geburtstag ist der Dirigent Christoph von Dohnányi am 6. September 2025 in München gestorben. Um den international gefeierten Musiker war es in den letzten Jahren still geworden, nach seinem Abschied vom NDR-Sinfonieorchester 2010 nahm er keine feste Verpflichtung mehr an.
Er war der Träger eines großen Namens. Sein Vater Hans bezahlte den Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime mit dem Leben, sein Großvater Ernö war ein bedeutender Komponist, bei dem er selbst noch seine Ausbildung in den USA fortsetzte.
Obwohl von der Familie zum Juristen bestimmt, setzte sich die Liebe zur Musik durch, und er begann ein Musikstudium in München. Nach dem Abschluss seines Studiums in den USA bei seinem Großvater kehrte er nach Deutschland zurück und wurde in rascher Folge GMD an verschiedenen mittleren Opernhäusern, ab 1968 wirkte er in der gleichen Funktion am Opernhaus von Frankfurt am Main. Von 1977 bis 1984 leitete er als Intendant und GMD das Hamburger Opernhaus, parallel dazu war er Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg.
In diese Zeit begann seine internationale Karriere. Ab 1982 arbeitete er mit dem Cleveland Orchestra, als dessen sechster Music Director er von 1984 bis 2002 amtierte. Eine enge Zusammenarbeit verband ihn zusätzlich mit dem Londoner Philharmonia Orchestra und den Wiener Philharmonikern. In London, Wien, Paris, New York, San Francisco und Paris betreute er Produktionen an den dortigen Opernhäusern.
Im Jahr 2004 kehrte Dohnányi nach Hamburg zurück, wo er bis 2010 dem NDR-Sinfonieorchester vorstand.
Seine authentischen und kraftvollen Interpretationen sind auf zahlreichen Tonträgern festgehalten. Eine ganze Reihe von Opernaufnahmen entstanden mit den Wiener Philharmonikern, darunter herausragende Aufnahmen von Alban Bergs Opern „Wozzeck“ und „Lulu“, sowie Schönbergs „Erwartung“, alle mit seiner langjährigen Ehefrau Anja Silja.
Nicht zu Ende geführt wurde leider ein begonnener Ring-Zyklus mit dem Cleveland Orchestra, von dem nur „Rheingold“ und „Walküre“ realisiert wurden. Darüber hinaus spielte er mit dem Orchester zahlreiche symphonische Werke ein, die zum Teil preisgekrönt wurden.
Seine Diskographie weist ihn als vielseitigen Musiker aus, der stilsicher ein sehr breites Repertoire bedienen konnte. So gesehen war er im besten Sinne ein Kapellmeister der alten Schule. Liest man die Liste seiner Tätigkeiten, muss man alleine schon die Quantität seiner Auftritte bewundern, von deren Qualität ganz abgesehen. Mühelos konnte er sich neben den Stars seiner Zunft behaupten, er hat sich in die Annalen vieler großer Orchester nachdrücklich eingeschrieben.
Unsere, leider sehr oberflächlich nur dem hier und heute nachjagende Zeit lässt Künstler oft schnell vergessen, wenn sie längere Zeit nicht auftraten. Persönlichkeiten wie Christoph von Dohnányi müssen als beispielgebender Maßstab unbedingt im Gedächtnis bleiben.
Peter Sommeregger, 8. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Christoph von Dohnányi, NDR Elbphilharmonie Orchester, Elbphilharmonie, 17. Januar 2020
Staatskapelle Berlin, Christoph von Dohnányi, Philharmonie Berlin
Die Ära Dohnányi an der Hamburgischen Staatsoper war nach meinem Eindruck gesanglich die beste der letzten 60 Jahre. Um nur einige von mir gesehene Spitzenaufführungen zu nennen:
Fidelio mit Behrens und Kollo
Ariadne auf Naxos mit Marton, Kollo und Gruberova
Frau ohne Schatten mit J. King, Marton, Stewart, Nilsson
Macbeth mit Cappuccilli, Bumbry, Ghiaurov
Tosca mit Marton, Aragall und Wixell
Troubadour mit Zancanaro, Marton, Obraszova und Bonisolli
Elektra mit Nilsson sowie Dernesch und Saunders bzw. Varnay und Jones
Lucia di Lammermoor mit Gruberova und Carreras
Aida mit Bonisolli und M. Price
Rosenkavalier mit Janowitz, Fassbaender, Donath und Moll
Luisa Miller mit Nucci, Ricciarelli und Carreras
Maskenball mit Bonisolli, Zancanaro, Caballé und Lipovšek
Turandot mit Marton und Bonisolli
Weiterhin sangen damals noch u.a. Sherrill Milnes, Plácido Domingo, Leonie Rysanek, Julia Varady, Helen Donath, Anja Silja, Mirella Freni, Teresa Berganza, Neil Shicoff, Simon Estes oder Lucia Popp.
So eine Dichte gesanglich herausragender Aufführungen hat es nach der Intendanz von Dohnanyi an der Hamburgischen Staatsoper nicht wieder gegeben.
Dr. Ralf Wegner