Erin Caves (Tristan) und Katherine Broderick (Isolde) im 2. Aufzug © Arnold Pîschl
Nach dem Ring des Nibelungen in den vergangenen Saisonen wagt sich das Stadttheater der Kärntner Landeshauptstadt jetzt an Wagners Tristan und Isolde. Kein leichtes Unterfangen, das aber weitgehend von Erfolg gekrönt war.
Richard Wagner
Tristan und Isolde
Handlung in drei Aufzügen. Libretto vom Komponisten
Musikalische Leitung: Chin-Chao Lin
Regie: Aron Stiehl
Bühnenbild: Thomas Stingl
Kostüme: Bettina Breitenecker
Licht: Walter König
Choreinstudierung: Günter Wallner
Englischhorn: Angelika Neuwirth-Joham
Kärntner Sinfonieorchester
Herrenchor und Herrenextrachor des Stadttheaters Klagenfurt
Stadttheater Klagenfurt, 21. September 2025
von Dr. Rudi Frühwirth
Mit Richard Wagners Tristan und Isolde hat das Stadttheater Klagenfurt seine Spielzeit 2025/26 eröffnet und sich damit kein leichtes Vorhaben gewählt. Das Werk, das oft als Wendepunkt in der Musikgeschichte, ja als entscheidender Schritt zur Moderne interpretiert wird, war in Klagenfurt zuletzt vor mehr als sechzig Jahren zu erleben. Die Neuproduktion bedeutet daher nicht nur einen großen programmatischen Schritt, sondern auch eine Bewährungsprobe für das Haus, das Orchester und die Sängerinnen und Sänger.
Das Kärntner Sinfonieorchester war eine tragende Säule der Produktion. Die wahre Handlung spielt sich ja im Orchester ab und nicht auf der Bühne. Wohl eher der Not, also dem nicht allzu großen Orchestergraben geschuldet, war die Streichergruppe recht klein gehalten – bei den Bläsern müssen natürlich alle Stimmen besetzt sein. Chefdirigent Chin-Chao Lin machte aus der Not eine Tugend und zeigte schon im Vorspiel beispielhafte Transparenz und fast kammermusikalische Klarheit: die Streicher mit schlankem, zugleich innigem Ton, die Holzbläser mit fein gezeichneten Linien, das Blech klar und prägnant, ohne je zu dominieren. Die alte Weise im dritten Aufzug wurde perfekt von Angelika Neuwirth-Joham geblasen.

Sehr eindrucksvoll war die dynamische Gestaltung. Lin wusste die orchestrale Ekstase von Akt zu Akt zu steigern. Während sie im großen Duett des zweiten Aufzugs noch leicht verhalten schien, blühte sie im dritten Aufzug zu höchst beeindruckender Wirkung auf, um schließlich nach der ungeheuerlich expressiven Sterbeszene Tristans in Isoldes Verklärung zu einem klanglich berauschenden Höhe- und Endpunkt zu finden.
Die Sängerbesetzung fügte sich in diesen Klangraum überzeugend ein. Katherine Broderick gab ihr Rollendebüt als Isolde und überzeugte durch eine souveräne Stimmführung, dramatische Intensität und sichere Höhen. Die beiden h’’ im ersten Aufzug erreichte sie allerdings nur ansatzweise, was aber ihre insgesamt eindrucksvolle Interpretation nur marginal beeinträchtigte.
Erin Caves meisterte die immensen Herausforderungen der Titelpartie mit bewundernswerter Ausdauer; nach dem Fluch im dritten Aufzug verließen ihn allerdings die Kräfte, sodass er in der Sterbeszene nicht mehr sehr deutlich zu hören war, auch weil Lin hier das Orchester keineswegs zurücknahm.

Melissa Zgouridi überzeugte mich als Brangäne nicht ganz; ich hätte mir eine etwas wärmer timbrierte Stimme gewünscht. Ihr Warnruf im zweiten Aufzug klang dennoch betörend von der unsichtbaren Warte. Birger Radde als Kurwenal beeindruckte im ersten Aufzug vor allem durch Stimmstärke, zeigte im dritten aber, dass er diffenzierter Gestaltung sehr wohl fähig ist. Friedemann Röhlig als nobel-resignativer König Marke rundete das Ensemble auf hohem Niveau ab. Gemeinsam mit Thomas Paul als Melot ergab sich eine sehr zufriedenstellende Besetzung mit letztlich wenigen unbedeutenden Schwachpunkten.
Regisseur Aron Stiehl und Bühnenbildner Thomas Stingl entschieden sich für eine Lesart, die die realistischen Aspekte der Handlung klar absetzt von den transzendenten, unterstützt durch die suggestive Lichtregie von Walter König.
Im ersten Aufzug sind die Protagonisten in einen geschlossenen, geometrisch abgezirkelten Raum gezwängt, der ihre emotionale Fesselung anschaulich macht. Der Raum öffnet sich mit dem Sühnetrank, der den beiden vorläufige Befreiung bringt; mit dem von grellem Licht begleiteten Auftritt Markes wird diese aber gleich wieder zerstört.
Im zweiten Aufzug weichen nach dem Verlöschen der Fackel die gefängnishaften Wände dem Blick ins Weltall. Der Gang in die Transzendenz, in die ewige Vereinigung im ewigen Nichts, wird durch Melot und Marke jäh unterbrochen, die Wände schließen sich wieder und verwehren den Liebenden den erwünschten Ausweg in den Tod.
Die verfallene Wand im dritten Aufzug, vor der Tristans Leiden in buchstäblich unerhörten Paroxysmen musikalisch ausgedrückt werden, weicht nach seinem Tod einem Ausblick in die Unendlichkeit, in der er Isolden nur mehr schemenhaft erkennbar ist.
In der letzten Szene sind alle Personen der Handlung außer Isolde im Zuschauerraum; sie ist allein auf der Bühne, auf dem Weg in das endgültige Einswerden mit dem All, das dann im Liebestod so ergreifenden, überirdisch schönen Ausdruck findet.

Die Kostüme von Bettina Breitenecker schwanken etwas unentschlossen zwischen historisierenden Anspielungen und modernen Akzenten. Als störend empfand ich manche Einfälle des Regisseurs in der Personenführung, so etwa die überflüssige sexuelle Belästigung Brangänes durch Kurwenal und Tristans Seeleute. Auch die Darstellung Isoldes als kokettes junges Mädchen zu Beginn des zweiten Aufzugs schien mir nicht recht zu passen zu den sehr ernsten philosophischen Höhenflügen des Liebesduetts. Diese waren allerdings teilweise gestrichen, wohl aus Rücksicht auf die Aufnahmefähigkeit des Publikums.
Ich kann also von einer musikalisch durchwegs, szenisch weitgehend gelungenen Aufführung berichten, die mit starkem Beifall belohnt wurde.
Für das Stadttheater Klagenfurt bedeutet diese Produktion einen Meilenstein: Sie zeigt, dass auch ein Haus mittlerer Größe die enorme Herausforderung eines Werkes wie Tristan und Isolde stemmen kann – getragen von einem Orchester, das unter Chin-Chao Lin zu einer überzeugenden Form gefunden hat.
Dr. Rudi Frühwirth, 23. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Tristan: Erin Caves
Isolde: Katherine Broderick
Brangäne: Melissa Zgouridi
Kurwenal: Birger Radde
König Marke: Friedemann Röhli
Melot: Thomas Paul
Blu-ray Rezension: Richard Wagner Tristan und Isolde klassik-begeistert.de
Blu-ray/CD-Besprechung: Wagner, Tristan & Isolde klassik-begeistert.de, 12. Juli 2025
Richard Wagner, Tristan und Isolde Bayreuther Festspiele, 3. August 2025