Ein Märchen-Klassiker im neuen Gewand lässt viel Raum für eigene Gedanken

Etwas Besseres als den Tod finden wir überall, Singspiel  Theater an der Parkaue, Bühne 1, 29. September 2025

Etwas Besseres als den Tod finden wir überall, Singspiel von Martin Heckmanns und Masha Qrella © Kaspar Wengenroth

Sie sind Esel Grau, Hund Schlau, Katze Schwarz und Huhn Kommun. Rein äußerlich sind sie die Bremer Stadtmusikanten aus dem Märchenbuch der Gebrüder Grimm. Doch die Vier auf dieser Bühne haben ihr Märchen-Gewand längst abgelegt und hadern nicht nur mit dem eigenen Schicksal, sondern mit dem der ganzen Welt. Und trotzdem singen sie und spielen sie, als ob es kein Morgen gäbe.

ETWAS BESSERES ALS DEN TOD FINDEN WIR ÜBERALL
Singspiel von Martin Heckmanns (Text) und Masha Qrella (Musik)

Mit Studierenden der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin
(Absolventenjahrgang 2027)

Regie: Friederike Heller
Bühne und Kostüme: Sabine Kohlstedt
Live-Musik:

Masha Qrella (Gitarre & Gesang)
Andreas Bonkowski (Bass, Keyboard & Gesang)

Uraufführung am 23. September 2022 am Staatstheater Kassel
Berliner Erstaufführung am 20. September 2025 am Theater an der Parkaue

Theater an der Parkaue, Bühne 1, 29. September 2025

von Ralf Krüger

Esel Grau wurde geschunden von seinem Dienstherrn. Blutig ist sein Rücken und doch wird er dank Körperkraft und Stärke zum tragenden Fundament der Truppe. Hund Schlau ist von der Kette und vom Leben gezeichnet, macht aber seinem Namen alle Ehre. Er erklärt jedem, der es nicht hören will, und uns Zuschauern, wie diese Welt funktioniert. Katze Schwarz betrauert all die Verstorbenen und Vergessenen, die ihren Weg säumten. Sie verkörpert den Pessimismus in Perfektion. Und das bunte Huhn Kommun? Es konnte der Legebatterie entfliehen und sollte im Suppentopf landen! Nun steht es auf der tierischen Pyramide ganz oben und gibt lautstark die Richtung vor.

Das Stück ist für Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren bis hoch zur Abiturklasse konzipiert. Es ist viel Gesellschaftskritik dabei. Immer wieder wird auf die Klimakrise hingewiesen und werden Weltuntergangsszenarien diskutiert. Dem Entsetzen über verstorbene Flüchtlinge im Mittelmeer stellt man den ausufernden Kreuzfahrt-Tourismus gegenüber. Herr und Frau von zur Mühlen verkörpern in der Handlung die Fraktion der Reichen, der Arbeitgeber, der Ausbeuter – die vier Tiere den Gegenpart. Die üppige Kritik an Kapitalismus und Machtverhältnissen „versüßt“ der Autor allerdings mit dem Wortwitz unserer Muttersprache und so wird die inhaltsreiche Schwere mancher Sätze mit einem pfiffigen Reim etwas abgefedert.

Etwas Besseres als den Tod finden wir überall, Singspiel von Martin Heckmanns und Masha Qrella © Kaspar Wengenroth

Einen unterhaltsamen Charakter bekommt das Werk dann letztlich durch die Musik. Die toll vorgetragenen Songs und die unbändige Spielfreude der Schauspiel-Studenten begeistern die jungen Leute im Saal dann wirklich richtig. Man muss als etwas älter gewordener Mensch doch neidlos anerkennen, dass auch Musik, die durch E-Gitarre und Keyboard erzeugt wird, angenehme Melodien ins Ohr zaubern kann. Das ersetzt zwar noch immer kein Orchester, aber bei einem „Singspiel“ wie diesem, wo wirklich beide Silben des Wortes zu ihrem Recht kommen, sind diese Instrumente ausreichend. Und sie werden so toll und professionell eingesetzt, dass ich mich bei bestimmten Szenen und Songs in einem Musical wähnte. Kompliment!

„…zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall. Du hast eine gute Stimme, und wenn wir mitsammen musizieren, wird es gar herrlich klingen.“

Das Programmheft hat das Märchen über die „Bremer Stadtmusikanten“ von Jacob und Wilhelm Grimm in unser Gedächtnis zurückgeholt. Eine gute Idee. So lesen wir auch die Stelle im Text, auf die sich der etwas sperrige Titel des Theaterstücks bezieht:

Der alte Esel war schon unterwegs in die große Stadt, hatte mit Hund und Katze Gleichgesinnte im Schlepptau und rettete schließlich den Hahn, bevor die Köchin ihm den Kopf abschlagen konnte. Aus der Ansprache des Esels an den Hahn, doch mitzukommen nach Bremen, stammt dieses Zitat.

Und mir wird bewusst, wie unbarmherzig Grimms Märchen doch waren. Hat man uns tatsächlich damals mit diesen Geschichten ins Bett gebracht?

Etwas Besseres als den Tod finden wir überall, Singspiel von Martin Heckmanns und Masha Qrella © Kaspar Wengenroth

Gevatter Tod kommt in den Märchen nicht selten vor. In diesem Stück wird das Unvermeidbare intensiv thematisiert. „Besser als zu sterben ist zu wagen / Wenn die letzte Zeit zum Tun uns treibt…“ ist eines der Lieder, das viel Raum lässt für eigene Gedanken. Einige der Schülerinnen und Schüler laufen mit Kladde und Schreibblock durchs Haus. Für sie ist der Theaterbesuch am Vormittag auch gleichzeitig Unterricht. Sie werden viele Fragen haben an die Erwachsenen, an die Lehrer.

Schade, dass dieses so nachdenkliche, aber auch unterhaltsame Singspiel nur an drei Tagen im Berliner Kinder- und Jugendtheater an der Parkaue gastierte. Ich könnte mir eine generationsübergreifende Vorstellung an einem Sonntagnachmittag gut vorstellen. Da hätte man was zu reden in der Familie…!

Ralf Krüger, 30. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Wazn Teez? Musical Theater an der Parkaue, Bühne 1, 16. Dezember 2024

 

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