Hamburg: Die Staatsoper reüssiert mit „Ruslan und Ljudmila“

Michail Glinka, Ruslan und Ljudmila  Hamburgische Staatsoper, 9. November 2025 PREMIERE

Ruslan und Ljudmila, Barno Ismatullaeva © Matthias Baus

Nach einem umjubelten Saisonauftakt („Das Paradies und die Peri“) wurde mit Mikhail Glinkas „Ruslan und Ljudmila“ auch die erste „richtige“ Opernpremiere der Kratzer-Ära vom Hamburger Publikum lautstark gefeiert. Vor allem das Titelpaar um Barno Ismatullaeva und Ilia Kazakov räumte am Premierenabend die Bühne ab, auch die obligatorischen Regie-Buhs durften natürlich nicht fehlen.   

Die Hamburgische Staatsoper, 9. November 2025  PREMIERE

Ruslan und Ljudmila
Musik von Michail Glinka

Azim Karimov, Musikalische Leitung
Philharmonische Staatsorchester
Alexandra Szemerédy & Magdolna Pardika Inszenierung, Bühne und Kostüme

Libretto von Konstantin Bakturin, Walerijan Schirkow, Nestor Kukolnik, Michail Godenow, Nikolai Markewitsch und Michail Glinka nach Alexander Puschkin  

von Johannes Karl Fischer

Für einen größeren Teil des Publikums dürfte diese erste „richtige“ Bühnenpremiere der Ära Kratzer Neuland sein, weder Mikhail Glinka noch seine Oper „Ruslan und Ljudmila“ haben einen wirklichen Stammplatz in der Klassikwelt. Wobei… vor einigen Jahren sorgte dieser Komponist im Rahmen der Umbenennung eines Berliner U-Bahnhofs zwar außermusikalisch, dafür aber bundesweit für Schlagzeilen. Vielleicht erinnerte sich ja der eine oder die andere daran, als gleich mehrfach an diesem Opernabend tatsächlich eine blechblaue Moskauer U-Bahn über die Bühne rollte.

Obligatorisch: Einfallsreiche Regie wird ausgebuht

Wie der Schatten eines omnipräsenten Riesens verfolgte dieses rollende Relikt der Sowjetzeit die Handlung und stellte das Werk mitten zwischen die verschiedenen Diktaturen der Geschichte Russlands. In dieser düsteren Realität schlich die freie Liebe neben den Wachsoldaten umher, am Ende siegt das größte Glück des Titelpaars. Insgesamt machte Alexandra Szeméredys und Magdolna Pardikas einfallsreiche wie umstritten rezipierte Inszenierung – Regie-Buhs waren einige zu hören – aus Glinkas leicht zäher Handlung ein packendes, zeitloses Bühnenwerk!

Ismatullaeva räumt auch als Ljudmila ab

An der Spitze einer herausragenden musikalischen Besetzung stand vor allem Barno Ismatullaevas souverän triumphierende Ljudmila. Wie schon als Maria Stuarda im März haute ihr schlagkräftiger Sopran das Publikum um und brillierte mit kraftvollen Koloraturen. In dieser Stimme steckte eine fast schon explodierende Menge an Emotionen! Insbesondere ihre selbstmordkontemplierende Solo-Arie im dritten Akt ließ Ljudmilas intensiven Gefühle fesselnd durch den Saal strömen, im Duett mit Konradin Seitzers zauberhaft klangvollen Geigensound einstand eine kräftig fesselnde musikalische Stimmung.

Ruslan und Ljudmila, Kristina Stanek, Barno Ismatullaeva © Matthias Baus

Dieser hervorragenden Sopranleistung stand Ilia Kazakov in der Rolle des Ruslan um nichts nach. Auch er brachte seine Melodien souverän und äußerst klar artikuliert über die Bühne, seine brennende Eifersucht spürte man auf ganzer Linie resonieren. Bis zum bitteren Ende kämpfte er um seine Geliebte, scheinbar unbeeindruckt der gesanglichen Herausforderungen trug die Melodien bis in die letzten Takte wie unermüdbar auf seinen Schultern.

Ruslan und Ljudmila, Ilia Kazakov, Komparserie der Hamburgischen Staatsoper © Matthias Baus

Souveräne Gesangsleistungen bis in die Nebenrollen

Einen bärenstarken Beginn hatte der Abend mit Nicky Spences Bajan hingelegt. Sein brillanter Tenor samt sehr hörbaren Belcanto-Reminiszenzen segelte mühelos durch den Saal, die Glanzleistung setzte er auch in seiner zweiten Rolle des Zauberers Finn selbstsicher fort. Alexander Roslavets sang einen mindestens sehr guten, kommandierenden Fürst Swetosar und zeigte seine souveräne stimmliche Routine ohne den Hauch eines Brummens auch in den tiefsten Bass-Lagen seiner Partie.

Ruslan und Ljudmila, Artem Krutko, Ilia Kazakov, Nicky Spence, Kristina Stanek © Matthias Baus

Kristina Staneks intensiver Mezzo brillierte rollentreu in der Partie der bösen Zauberin Naina, während Natalia Tanasii mit freudestrahlendem Sopran eine amüsierende Gorislawa sang und spielte. Einzig der Countertenor Artem Krutko als Ruslans Rival Ratmir sang emotional etwas zurückhaltend und ließ die Gefühle dieser Partie ein wenig auf der Strecke liegen. Das lag allerdings weniger an seiner musikalisch blitzsauberen Gesangsleistung als offenbar an der Natur seines Stimmfachs, welches mir in der romantischen Dramatik dieser Musik deutlich an seine Grenzen zu geraten schien.

Unter der Leitung von Azim Karimov spielte das Philharmonische Staatsorchester Glinkas feurige Partitur mit Eifer aus. Insbesondere die stimmigen, schwungvollen Tanzszenen in den letzten beiden Akten rauschten stürmisch durch den Saal. Trotz eines insgesamt sattelfesten Orchesterklangs waren bei den Bläsern, nicht zuletzt im Englischhornsolo im 3. Akt, einige melodische Wackler zu hören.

Der Chor dieses Hauses hatte auch sicherlich schon bessere Tage. Zwar saßen Ton und Wort stets korrekt und klar, so wirklich begeistert wirkten diese Gäste von der herrschaftlichen Hochzeit allerdings nicht. Oder wollte man vielleicht bewusst diktaturenmüdes, gerade noch pflichtbewusstes russisches Volk darstellen?

Ruslan und Ljudmila, Natalia Tanasii, Ilia Kazakov, Artem Krutko, Barno Ismatullaeva, Komparserie der Hamburgischen Staatsoper © Matthias Baus

Mit dieser äußerst gelungenen Aufführungen von Michail Glinkas Opernrarität „Ruslan und Ljudmila“ knüpft die Ära Kratzer nahtlos an ihren Auftaktserfolg an. Im Vergleich zu den teils mauen Premierenstimmungen der Ära Delnon wirkte das Hamburger Publikum wie entfesselt und feierte die Sänger mit verdienten Bravo-Stürmen!

Johannes Karl Fischer, 10. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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