Teodor Currentzis © Olya Runyova
Salzburger Festspiele vom 17. Juli bis 30. August 2026
Von der Geburt der Zeit und der Macht des Herzens
Drei Mal Teodor Currentzis – das ist eigentlich das Highlight schlechthin. In Salzburg präsentierten Intendant Markus Hinterhäuser und der neue Konzertchef Axel Hiller das Programm für den Sommer 2026. Die Fahrtrichtung ist klar. „In gewohnter Manier die 1. Reihe der Solisten“, sagte Hiller. Lang Lang, Sokolov, Kissin, Volodos. Fünf szenische Opernproduktionen – drei davon Neuproduktionen: „Carmen“, „Ariadne auf Naxos“, „Così fan tutte“. Dazu die Wiener Philharmoniker, die Berliner Philharmoniker – und Tugan Sokhiev, der zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen dirigiert.
von Jürgen Pathy
Fast schon wirkt es, als würde er das Thema elegant umschiffen wollen. Drei szenische Opernneuproduktionen, darunter Bizets „Carmen“, in der Regie von Gabriela Carrizo (Peeping Tom), die schon Ende der 1990er den „Young Directors Award“ gewonnen hatte. Dass Teodor Currentzis dabei am Pult steht, findet zunächst keine Erwähnung. Erst zum Ende, als Fragen gestellt werden, kommt Markus Hinterhäuser nicht um das leidige Thema herum. Zu Teodor Currentzis habe er nichts hinzuzufügen. Es sei „kein neuer Aspekt hinzugekommen, der seine Haltung zu Teodor Currentzis verändern würde.“ Currentzis dirigiere überall in der Welt. Nur in Salzburg wird der Fakt zur Schlagzeile erhoben.
Gleich dreimal steht der Grieche mit russischem Pass auf dem Programm. Neben der „Carmen“ leitet Currentzis „Miserere“, eine Hommage an György Kurtág, es spielt das Utopia Orchester. In etwas abgewandelter Form erscheint das Programm dann nochmals, dieses Mal mit dem „Deutschen Requiem“ von Brahms dazu. Currentzis-Festspiele also – zu Recht, muss Qualität und Exzellenz in Salzburg doch im Vordergrund stehen. Asmik Grigorian gibt in „Carmen“ ihr Rollendebüt, an ihrer Seite singen Jonathan Tetelman und Davide Luciano.

Kontinuität statt wilder Abenteuer
Ansonsten setzt Hinterhäuser auf Kontinuität. Viele bekannte Gesichter und Namen. Barrie Kosky inszeniert Rossinis Oper „Il viaggio a Reims“, die von Cecilia Bartolis Pfingstfestspielen übernommen wird. Viele „komprimierende Positionen“ seien darin zu sehen, erzählt Kosky in einer Videoeinspielung. Perfekt also, um den Australier damit zu betrauen. Unterhaltung vorprogrammiert. In Unterhaltung stecke jedoch das Wort Haltung, betont Hinterhäuser.
Mit Krzysztof Warlikowski kehrt ein weiterer Bekannter nach Salzburg zurück. Dieses Mal nicht als Opernregisseur, sondern im Schauspiel. „Europa“, ein Theaterstück von Wajdi Mouawad (1968).
Zwei Uraufführungen im Schauspiel: Handke und Jelinek
Zwei Uraufführungen hat Hinterhäuser ebenso aufs Programm gesetzt: „Schnee von gestern, Schnee von morgen“ von Peter Handke, mit dem ihn eine gewisse Sympathie verbindet. „Unter Tieren“ von Elfriede Jelinek erzählt davon, dass man Tieren den Kapitalismus erklären wolle – funktioniert nur nicht. Neben dem „Jedermann“ ist das ein weiterer kritischer Spiegel, den man dem Salzburger Publikum vor die Nase hält. Dort schlüpft weiterhin Philipp Hochmair in die Rolle des reichen, sterbenden Mannes.
Dass Hinterhäuser das Schauspiel selbst in die Hand genommen hat, sei keineswegs auf „Selbstüberschätzung“ zurückzuführen. Reine Zeitnot habe zu dieser Entscheidung geführt, sagte Hinterhäuser, nachdem Marina Dawydowa 2024 gehen musste. Ein weiteres Jahr sei nicht geplant. Ein Nachfolger als Schauspielchef ist aber noch keiner bekannt.
Mozarts „Così“ kehrt fast ident wieder zurück
Joana Mallwitz leitet wieder „Così fan tutte“. Eigentlich eine Wiederaufnahme, wegen des Coronajahres habe man 2020 jedoch viele Arien gestrichen. Somit gibt es eine überarbeitete Neuproduktion von Regisseur Christof Loy. Den Cast habe man ebenfalls fast komplett übernommen – Elsa Dreisig, Andrè Schuen, Bogdan Volkov, Lea Desandre –, bis auf eine Ausnahme: Marianne Crebassa ist dieses Mal nicht dabei. Sie singt an der Seite von Benjamin Bernheim im konzertanten „Werther“ (Massenet).
In „Ariadne auf Naxos“, der dritten Neuproduktion, ist die französische Mezzosopranistin ebenfalls dabei. Manfred Honeck dirigiert. Elīna Garanča ist Ariadne. Im Graben sitzen die Wiener Philharmoniker. Ohne die wären die Salzburger Festspiele sowieso unvorstellbar. Es gäbe zwar Festspiele in Salzburg auch ohne sie, aber es wären nicht die Salzburger Festspiele, hatte einst Helga Rabl-Stadler gesagt. Orchesterkonzerte mit den Wiener Philharmonikern leiten Gustavo Dudamel, Tugan Sokhiev, Riccardo Muti und Christian Thielemann.
Ersatzstandort und Sparkurs der Regierung
Die amtierende Festspieldirektorin Kristina Hammer hebt die Wichtigkeit des Standorts auch als Arbeitgeber hervor. Überhaupt sei der Sparfetischismus nicht nachvollziehbar, sagte Hinterhäuser. Noch habe der keine Auswirkungen auf die Salzburger Festspiele, die sich zu rund zwei Dritteln selbst finanzieren. Ab der Saison 2027 könnte der Sparstift der Regierung schon Auswirkungen haben.

Die Suche nach einem Ersatzquartier gestaltet sich ebenfalls nicht einfach. Im Herbst 2027 beginnt die Generalsanierung des Großen Festspielhauses. Eine Zwischenlösung wie beim Verbier Festival sei durchaus vorstellbar. Dort hat man eine temporäre Halle, die man ab- und aufbaut.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 5. Dezember 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Link zum Programmbuch:
Pressekonferenz der Salzburger Festspiele 2026 Hotel Sacher, Marmorsaal, 18. November 2025
Jean-Philippe Rameau, Castor et Pollux Salzburger Festspiele, Felsenreitschule, 29. August 2025
Giuseppe Verdi, Macbeth Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 29. August 2025