The Greek Passion – ein starker Abend mit spannendem Realitätsbezug, der tief berührt

Fotos © Monika Rittershaus

Nachdem das diesjährige szenische Opernprogramm der Salzburger Festspiele – abgesehen von einem aus den Pfingstfestspielen von Christof Loy übernommenen „Orfeo ed Euridice“ – herb enttäuschte, erreichte Simon Stone mit seiner Interpretation der „Greek Passion“ von Bohuslav Martinů einen durchschlagenden Erfolg in der dazu exzellent passenden Felsenreitschule.

Felsenreitschule, Salzburg, 18. August 2023

Bohuslav Martinů (1890 – 1959)

The Greek Passion
Oper in vier Akten (uraufgeführt 1961)

Libretto von Bohuslav Martinů nach dem Roman „Christus wird wieder gekreuzigt (Griechische Passion)“ von Nikos Kazantzakis

von Dr. Klaus Billand

Zu dürftig war die Neuinszenierung von „Le nozze di Figaro“ von Martin Kušej, dessen Nichtverlängerung am Wiener Burgtheater nun auch in einem künstlerisch verständlicheren Licht erscheint. Zu chaotisch und regietheatralisch überinszeniert war der „Falstaff“ in der Regie des wohl doch schon zu sehr in die Jahre gekommenen Christoph Marthaler und in einem wieder einmal recht sängerunfreundlichen, nahezu chaotisch wirkenden Bühnenbild von Anna Viebrock und ihren nicht ganz geschmacksicheren Kostümen. Und der ebenfalls regietheatralisch angelegte und zwar streckenweise überzeugende, ganz auf die in Salzburg gehypte Asmik Grigorian als Lady abstellende, insgesamt aber dennoch manche Erwartungen offen lassende „Macbeth“ in der Regie von Krzysztof Warlikowski, hielt auch nicht das, was er versprach. Man sollte diesen Regisseur nun vielleicht einmal in Salzburg pausieren lassen und anderen, ebenfalls, aber möglicherweise anders talentierten Kollegen den Vorrang geben. „Bohuslav Martinů (1890 – 1959), The Greek Passion
Felsenreitschule, Salzburg, 18. August 2023“
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Martinůs The Greek Passion fährt mir unter die Haut

The Greek Passion: Ensemble, Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor
© SF/Monika Rittershaus


Felsenreitschule
, Salzburg, 18. August 2023

Bohuslav Martinů (1890 – 1959)

The Greek Passion
Oper in vier Akten (uraufgeführt 1961)

Libretto von Bohuslav Martinů nach dem Roman „Christus wird wieder gekreuzigt (Griechische Passion)“ von Nikos Kazantzakis


von Frank Heublein

In der Felsenreitschule in Salzburg wird an diesem Abend die in Zürich 1961 uraufgeführte zweite Fassung von „The Greek Passion“ des Komponisten und Librettisten Bohuslav Martinů aufgeführt. Da der Tscheche aufgrund der nationalsozialistischen Vertreibung lange Zeit in den USA lebte, war die Librettoarbeit auf Englisch sprachlich keine Hürde für ihn. Zusammen mit dem Autor Nikos Kazantzakis wählte er dessen Roman „Christus wird wieder gekreuzigt“ als Opernstoff aus, den er auf Englisch rezipierte. „Martinů, The Greek Passion
Salzburg, Felsenreitschule, 18. August 2023“
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Le nozze di Figaro beglückt mich musikalisch

Schlussapplaus Premiere Le nozze di Figaro 2023: Adriana González (La Contessa di Almaviva), Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
© SF/Matthias Horn


Im Haus für Mozart in Salzburg wird an diesem Abend „Le nozze di Figaro“ von Wolfgang Amadeus Mozart gegeben. Mit dieser Produktion schließen die Salzburger Festspiele den Mozart-da Ponte Zyklus ab.

Haus für Mozart, Salzburg, 30. Juli 2023

Wolfgang Amadeus Mozart
Le nozze di Figaro

Commedia per musica in vier Akten KV 492 (1786)
Libretto von Lorenzo Da Ponte nach der Komödie La Folle Journée ou Le Mariage de Figaro von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais

Wiener Philharmoniker

Continuo Hammerklavier   Pedro Beriso
Continuo Violoncello   Julian Barre

Musikalische Leitung   Raphaël Pichon
Regie   Martin Kušej
Bühne   Raimund Orfeo Voigt
Kostüme   Alan Hranitelj
Licht   Friedrich Rom
Dramaturgie   Olaf A. Schmitt

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Choreinstudierung   Jörn Hinnerk Andresen


von Frank Heublein

Die für mich beeindruckendste Arie des Abends beginnt mit „E Susanna non vien!“. Adriana González als Contessa singt sie mit einem – nicht nur – mich betörenden Schmelz. Zärtlich, ängstlich, leidenschaftlich. Welch warmes rundes vollmundiges Timbre. Szenenapplaus. Adriana González’ Leistung überzeugt mich im gesamten Abend durch ihre Sicherheit und genau der richtigen Kraft. So offenbart sie mir die jeweilige Emotionalität des gesungenen Textes wunderbar.

„Wolfgang Amadeus Mozart, Le nozze di Figaro
Haus für Mozart, Salzburg, 30. Juli 2023“
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Thielemann spendet viel Trost

Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

Ohne Chor geht da gar nichts. Das ist so die Conclusio, bereits nach knapp zwanzig Minuten im Großen Festspielhaus in Salzburg. Am Pult: Christian Thielemann, der beruhigend seine Hände über alles legt. Am Programm: Ein deutsches Requiem. Das von Brahms, das eigentlich gar keines ist. Schon der Name verrät das. Brahms hat sich nicht an liturgische Vorgaben gehalten. War auch nicht sein Plan. Trost wollte er den Menschen  spenden. Bei Christian Thielemann finden sie ihn.

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 30. Juli 2023

Ein deutsches Requiem, Johannes Brahms

Christian Thielemann, Dirigent
Michael Volle, Bariton
Elsa Dreisig, Sopran
Wiener Singverein
Wiener Philharmoniker

von Jürgen Pathy

Der Chor steht ganz klar im Mittelpunkt. Früher sei der sogar mal ganz vorne gestanden. An der Bühnenkante, wie mir eine Sängerin des Wiener Singvereins erzählt. Ein „Hobbyverein“, wie fast alle in Österreich. Nur der Wiener Staatsopernchor sei professionell, der Rest im Grunde alles „Freizeitsänger“. Rein auf Honorarbasis. Respekt, meine Damen und Herren. Dafür viel mehr als nur eine solide Leistung. Wie auf Wolken gebettet, schallen da die tröstenden Rufe durch das ausverkaufte Festspielhaus. Rund eine Stunde, zwanzig Minuten. Teilweise himmlisch, teilweise robust und auch mal Vollgas. Kein Wunder, dass da am Ende auch mal die Kräfte schwinden.

„Johannes Brahms, Ein deutsches Requiem
Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 30. Juli 2023“
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Geborgen wie in Abrahams Schoß

© SF / Marco Borrelli

Christian Thielemann triumphiert mit dem Brahms-Requiem in Salzburg

Kurzum, dieser Brahms verströmte alles, was diese Musik ausmacht: Erhabenheit, Andächtigkeit, Beseeltheit, Trost und inneren Frieden. Wie schön, dass es in aller Stille ausklingen konnte, dass das Publikum nicht nach dem letzten Ton gleich wild losklatschte. Alles wartete, bis der Thielemann seine Arme sinken ließ. Dann war kein Halten mehr. Jubel, Ovationen.

Großes Festspielhaus, Salzburg, 30. Juli 2023

Johannes Brahms
Ein deutsches Requiem

Wiener Philharmoniker

Wiener Singverein
Elsa Dreisig, Sopran
Michael Volle, Bariton

Leitung: Christian Thielemann

von Kirsten Liese

Wenn ich mich zwischen zwei Konzertkarten für das Brahms- und Verdi-Requiem entscheiden müsste, käme ich wohl arg in die Bredouille. Beide Werke sind von der ersten bis zur letzten Note einfach nur herrliche Musik. Nur beim Hören hat sich für mich etwas verändert, seit ich vor nicht allzu langer Zeit Riccardo Mutis Analyse vernommen habe: Die deutschen romantischen Requien – das von Robert Schumann wird seltsamerweise so selten aufgeführt, dass ich es noch nie gehört habe – dienen dem Trost im Diesseits, sind entsprechend getragen vom tiefen Glauben. Dagegen bringt Verdi Angst vor dem Tod, Skepsis und Zweifel in sein opernnahes Werk ein. „Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem, Wr. Philharmoniker, Christian Thielemann
Großes Festspielhaus Salzburg, 30. Juli 2023“
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Wenn das Cello zum störrischen Esel wird

Sol Gabetta und Patricia Kopatchinskaja © Der Bund.ch

Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta im Mozarteum

Salzburg, Stiftung Mozarteum, 29. Juli 2023

Patricia Kopatschinskaja, Violine
Sol Gabetta, Violoncello

von Kirsten Liese

Ich habe Patricia Kopatschinskaja schon mit so manch trefflicher Interpretation gehört, aber nicht erwartet, ein so ungewöhnliches, vorzügliches Duo-Konzert mit ihr und der Cellistin Sol Gabetta in Salzburg zu erleben. Auf Gabetta trifft das gleichermaßen zu: Als Kammermusikerin überzeugt sie mich voll und ganz, noch nie zuvor hat sie mich derart für sich eingenommen. Für intime Musik erscheint sie mir jedenfalls weit stärker prädestiniert als für die großen romantischen Cellokonzerte, bei denen sie für meinen Geschmack keinen so seidigen, großen schönen Ton vernehmen lässt wie ich ihn von anderen berühmten Cellisten gewohnt bin. „Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta im Mozarteum Salzburg
Stiftung Mozarteum, 29. Juli 2023“
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Salzburger Festspiele: Mozart etwas eindimensional

Seong-Jin Cho © Christopher Köstlin / Deutsche Grammophon 

Austauschbar – war so der Gedanke, der mir zuerst durch den Kopf schießt. Zumindest bis zum Schlusssatz von Mozarts berühmten Klavierkonzert Nr. 9 in Es-Dur, besser bekannt als „Jeunehomme“. Bach oder generell Barock sollte er eher spielen. Seong-Jin Cho, der junge Pianist, der 2015 den renommierten Chopin Klavierwettbewerb in Warschau gewonnen hat. In Salzburg steht er nun als Mozart-Pianist auf der Bühne. Nicht unbedingt seine Stärke.

Mozart-Matinee, Stiftung Mozarteum, Großer Saal, 29. Juli 2023

Ivor Bolton, Dirigent
Seong-Jin Cho, Klavier
Mozarteumorchester Salzburg

von Jürgen Pathy

„Wunderschöner Saal“, höre ich eine Reihe vor mir. Verliebt wirkt das junge Paar, während er ihr zärtlich übers Gesicht streichelt. Besucher, die sicherlich irgendwo aus Deutschland angereist sind. Die Grenze liegt auch nur einen Steinwurf entfernt von Salzburg. Rund 50 Prozent des gesamten Kartenkontingents der Salzburger Festspiele gehen an das Publikum aus dem großen Nachbarland. Hinter mir ein Gespräch in französischer Sprache. Keine Ahnung, was sie plaudern. Meine Französischkenntnisse reichen da leider nicht aus. Ansonsten natürlich auch Einheimische, das erkenne ich am Dialekt. Gemeinsam haben sie alle eines: Schick haben sie sich gemacht. Immerhin ist Festspielzeit – und nicht irgendwo: Salzburger Festspiele. Die trotzen allen Krisen. So gut wie alles ausverkauft. Auch der große Saal der Stiftung Mozarteum, wo die beliebten Mozart-Matineen stattfinden.

„Seong-Jin Cho, Klavier, Mozarteumorchester Salzburg, Ivor Bolton,
Stiftung Mozarteum, 29. Juli 2023“
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Ich will mein Publikum zurück!

Bayreuth, München, Bregenz, Salzburg, 6. Juli 2023

Bayreuther Festpielhaus, Andreas Schmidt
Foto © Andreas Schmidt

Der onlinemerker macht an diesem Donnerstag unter der Überschrift „Ich will mein Publikum zurück!“ auf ein interessantes Phänomen aufmerksam … und verweist auf einen verdienstvollen Beitrag von BR-Klassik.

Kernthese: Selbst die renommierten Häuser und Festspiele verlieren massiv Zuschauer. Hier Auszüge:

„Ioan Holender hat mit seiner Wortmeldung – wie so oft in der Vergangenheit – eine Diskussion entfacht. Der Mann hatte fast immer etwas zu sagen. Heute ist es um griffige Aussagen von Intendanten schlecht bestellt. Man lobt sich lieber selbst! „Festspiele und Top-Opernhäuser verlieren Publikum
klassik-begeistert.de, 6. Juli 2023“
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Ein nicht ganz überzeugendes Remake in Salzburg

Foto: Aida 2022, Piotr Beczała und Elena Stikhina © Ruth Walz, SF

Salzburger Festspiele 2022
Großes Festspielhaus, 12. August 2022

Giuseppe Verdis „Aida“ (Wiederaufnahme von 2017)

von Dr. Klaus Billand

Als bei den Salzburger Festspielen 2017 die Foto- und Filmkünstlerin Shirin Neshat mit Giuseppe Verdis „Aida“ ihre erste Oper überhaupt inszenierte und auch noch nicht allzu viele Opern zuvor gesehen hatte, hielt sie sich auch aus diesen Gründen mit einer artikulierten Interpretation im Hinblick auf ihr Anti-Kriegs- und Unterdrückungsverständnis zurück. Ihre zentralen künstlerischen Medien Foto und Film kamen damals noch kaum zum Einsatz. Das Bühnenbild von Christian Schmidt im wenig variierendem Licht von Felice Ross wurde von dem auch jetzt wieder zu sehenden großen weißen und bisweilen rotierenden zweigeteilten Quader bestimmt, in dem die staatlichen ägyptischen Autoritäten Stellung zur Auseinandersetzung mit den Äthiopiern beziehen und ihre Ratssitzungen abhalten. „Giuseppe Verdis „Aida“,
Großes Festspielhaus Salzburg, 12. August 2022“
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Ein wahres Fest des Belcanto

Foto: Lisette Oropesa, Miss Lucia, Daniele Rustioni, Dirigent © Marco Borrelli, SF

Salzburger Festspiele 2022
Großes Festspielhaus, konzertante Aufführung,  25. August 2022

Gaetano Donizetti
Lucia di Lammermoor

von Dr. Klaus Billand

Man kann es kaum glauben! Aber Gaetano Donizettis Belcanto-Meisterwerk „Lucia di Lammermoor“ wurde noch nie bei den Salzburger Festspielen gegeben. Erinnerungen wurden natürlich sofort wach an die erst vor kurzem so tragisch verstorbene Edita Gruberova, wenn man die Wahnsinnsarie „Il dolce suono“ von Lisette Oropesa in höchster Belcanto-Meisterschaft hört. Und das nahezu bis auf den letzten Platz besetzte Große Festspielhaus wartete auf diesen Höhepunkt des Dramma tragico in drei Akten, welches 1835 seine Uraufführung erlebte. Und es wurde der erwartete Höhepunkt, aber nicht nur, weil die Oropesa nahezu vokalakrobatisch mit blendenden Höhen alle Nuancen und Feinheiten der Wahnsinnsarie interpretierte, sodass man glauben konnte, sie hätte Arturo tatsächlich gerade umgebracht. Es war auch das anmutige Spiel von Christa Schönfeldinger an der Glasharmonika, die einmal die traditionelle Flöte bei der Arie ersetzte und wunderschöne graziöse Töne dazu aus ihren Glaswindungen entstehen ließ, die fast transzendent im weiten Raum schwebten. Das war in der Tat einmal etwas ganz Besonderes! „Gaetano Donizetti, Lucia di Lammermoor, konzertante Aufführung
25. August 2022“
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