Salzburger Festspiele: Mozart etwas eindimensional

Seong-Jin Cho, Klavier, Mozarteumorchester Salzburg, Ivor Bolton,  Stiftung Mozarteum, 29. Juli 2023

Seong-Jin Cho © Christopher Köstlin / Deutsche Grammophon 

Austauschbar – war so der Gedanke, der mir zuerst durch den Kopf schießt. Zumindest bis zum Schlusssatz von Mozarts berühmten Klavierkonzert Nr. 9 in Es-Dur, besser bekannt als „Jeunehomme“. Bach oder generell Barock sollte er eher spielen. Seong-Jin Cho, der junge Pianist, der 2015 den renommierten Chopin Klavierwettbewerb in Warschau gewonnen hat. In Salzburg steht er nun als Mozart-Pianist auf der Bühne. Nicht unbedingt seine Stärke.

Mozart-Matinee, Stiftung Mozarteum, Großer Saal, 29. Juli 2023

Ivor Bolton, Dirigent
Seong-Jin Cho, Klavier
Mozarteumorchester Salzburg

von Jürgen Pathy

„Wunderschöner Saal“, höre ich eine Reihe vor mir. Verliebt wirkt das junge Paar, während er ihr zärtlich übers Gesicht streichelt. Besucher, die sicherlich irgendwo aus Deutschland angereist sind. Die Grenze liegt auch nur einen Steinwurf entfernt von Salzburg. Rund 50 Prozent des gesamten Kartenkontingents der Salzburger Festspiele gehen an das Publikum aus dem großen Nachbarland. Hinter mir ein Gespräch in französischer Sprache. Keine Ahnung, was sie plaudern. Meine Französischkenntnisse reichen da leider nicht aus. Ansonsten natürlich auch Einheimische, das erkenne ich am Dialekt. Gemeinsam haben sie alle eines: Schick haben sie sich gemacht. Immerhin ist Festspielzeit – und nicht irgendwo: Salzburger Festspiele. Die trotzen allen Krisen. So gut wie alles ausverkauft. Auch der große Saal der Stiftung Mozarteum, wo die beliebten Mozart-Matineen stattfinden.

Am Programm steht Mozart, und zwar ausschließlich Mozart. Am Pult: Ivor Bolton, der mit der Umgebung bestens vertraut sein sollte. Über 12 Jahre hat er als Chefdirigent das Mozarteumorchester durch Mozarts Meisterwerke geführt. Atypisch, zumindest was die Zeichengebung betrifft. Kugeln formt er in einer Tour. Oder ähnliche Gebilde, die er imaginär vor seinem Körper zeichnet. Der Sound – dann eher zurückhaltend, fast schon konservativ. Weit und breit nicht der Mut zur Gestaltung, den letztes Jahr sein Kollege Riccardo Minasi hier zutage gefördert hat. Der Vergleich hat Hand und Fuß: Beide haben Mozarts wohl bekannteste Symphonie, die in g-Moll, die vorletzte, Nr. 40, KV 550, mit aufs Programm gesetzt.

Was letztes Jahr noch zu enormer Frische geführt hat – gestalterisch und generell in puncto Agogik, sprich den leichten Tempoveränderungen, das Spiel mit den Ritardandi, den Accelerandi und auch der Dynamik. Das alles gestaltet Bolton ziemlich unprätentiös. Ein Problem bei diesem Werk, das man schon unzählige Male gehört hat. Rauf und runter. Fast jeder Dirigent, der etwas auf sich hält, hat es eingespielt. Das kann schon etwas langatmig werden. Vor allem, wenn dann auch noch der Spannungsbogen im langsamen Satz zu Wünschen übrig lässt. Einem Andante, das einige gerne zu einem Adagio oder noch breiter ausdehnen. Das hat Bolton zumindest im Griff. Das Gesamtkonzept der Tempi wirkt ziemlich vorschriftsmäßig. Summa summarum: alles ganz solide, viel mehr aber nicht.

Barock sollte er unbedingt spielen

Ähnlich der Gesamteindruck von Seong-Jin Cho. Auf spotify findet man vom jungen Südkoreaner eigentlich nur Aufnahmen von Chopin, Debussy und seit kurzem auch Händel. Aus dessen Suite Nr. 2 dürfte er auch seine Zugabe gewählt haben. Zumindest klang es sehr ähnlich. Etwas himmlisch Leichtes, schwebend, in einer positiven Dur-Atmosphäre. Couperin kann es womöglich auch gewesen sein. Bach auf keinen Fall. Barock aber ganz gewiss. Dort erst lässt er sein Talent aufblitzen. Was er bei Mozarts „Jeunehomme“-Klavierkonzert hat vermissen lassen, ist plötzlich da: die Leichtigkeit, das Unbeschwerte, ein sprudelnder Fluss und ein weicher Anschlag. Warum er bei Mozart zuvor so derart aggressiv zugepackt hat, bleibt insofern ein Rätsel. Das hat schon was. Erinnert phasenweise gar an Glenn Gould. Zack, zack, zackig. Bei Mozart allerdings eher unpassend.

Vielleicht war es aber auch nur seiner Tagesform geschuldet. Denn trotz dieser anfangs undifferenzierten Klangwelt, findet Seong-Jin Cho im Schlusssatz, einem Presto, dann zu Obertönen und auch dynamischen Schattierungen, von denen zuvor nur wenig zu hören war.

Ein ernüchterndes Gesamterlebnis, das vom Salzburger Festspielpublikum zwar ausgiebig bejubelt wird. Politprominenz inklusive: Irmgard Griss, die in Österreich als erste Bundespräsidentin hätte Geschichte schreiben können. Gewonnen hat die Wahlen damals Alexander van der Bellen, der in seiner zweiten Amtszeit noch immer das Land anführt. Sternstunde war das im Mozarteum aber sicherlich keine.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 29. Juli 2023, für
klassik-begeistert.at und klassik-begeistert.de

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