Ab in den Ring! von und mit tutti d*amore, Uraufführung: 28. Februar 2025 Tischlerei der Deutschen Oper Berlin © Eike Walkenhorst
Die Recken von Nibelungen müssen im verarmten Berlin für die Rettung ihres Opernhauses kämpfen.
Harte Elektro-Beats wildern in verträumter Walzerseligkeit.
Wer das alles locker nimmt, hat einen prima Abend!
AB IN DEN RING!
Ein Operetten-Festspiel
ausgedacht und aufgeführt von tutti d*amore
in Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper Berlin
Basierend auf der Operette
DIE LUSTIGEN NIBELUNGEN
von Oscar Straus (Musik) und Rideamus (Text)
Musikalische Bearbeitung: Felix Stachelhaus
Musikalische Leitung: Elda Laro
Fassung und Inszenierung: Anna Weber; Bühne, Kostüme: Stella Lennert
Deutsche Oper Berlin, Tischlerei, 28. Februar 2025, Premiere
von Ralf Krüger
Dieser Ring der Nibelungen beginnt nicht am Vorabend, sondern am Morgen. Das Publikum, das durch die Hinterpforte die Deutsche Oper betritt und im Treppenhaus fröstelnd zwischen Garderobe und Tischlerei auf Einlass wartet, wird kurzerhand zu Mitarbeitern des Hauses erklärt. Einer Flugblattaktion gleich werden ihm Noten und Text der Morgenandacht verteilt.
Von Mitgliedern des Chor-Ensembles zu ihren Plätzen geleitet, dürfen sich die neuen Mitarbeiter erst setzen und entspannen um sich dann bei einem feierlichen Morgenappell von den Plätzen zu erheben und ihrem Intendanten zu huldigen:
GUN-THER IST IN-TEN-DANT DER DEUT-SCHEN O-PER! HUR-RA!
Es folgt ein Briefing, also das vielen von uns bekannte kurze morgendliche Teammeeting, bei dem auf die schlechte finanzielle Lage des Opernhauses hingewiesen wird und bei dem die neuen Mitarbeiter bemerken, dass nicht Intendant Gunther das Wort führt, sondern seine Mama Ute. Sie, einst erster Star am Hause, hält den Laden noch am Laufen, aber der Brief des Senats, der unlängst die Deutsche Oper erreichte, trifft auch sie ins Mark.
Das alles haben wir tutti d*amore zu verdanken. Das kleine Ensemble mit Absolventen der Hochschule für Musik Hanns Eisler hatte sich 2018 als „Berliner Kollektiv für zeitgenössische Oper*ette“ gegründet. Amore steht hier für „Liebe zur Operette, Liebe zum Musiktheater, Liebe zum Publikum“, wie es der Tenor Ferdinand Keller im Interview auf Radio 3 vom RBB formulierte.

Mich erinnern die Ideen des Kollektivs irgendwie an die Anfänge des Genres. Offenbachs Werke waren Gesellschaftssatire und -karikatur, standen für Spott und Parodie. Und tutti d*amore wollen Operette „zerlegen, durchkneten, schütteln…“ und so war Häuptling Abendwind von Jacques Offenbach dann auch folgerichtig ihr erstes Projekt. Sie scheuen sich nicht in Techno-Clubs aufzutreten oder mit dem „Oper*etten-Mobil“ durch Brandenburg zu touren. Ab in den Ring! bringt nun den Ritterschlag: die erste Zusammenarbeit mit einem traditionellen Opernhaus!
Dafür werden Die lustigen Nibelungen auch textlich in unsere heutige Zeit gehievt. In die Zeit der großen Etat-Kürzungen im Bereich Kultur des Berliner Senats. Der ursprüngliche Plot der Operette erzählt von der Zwangshochzeit des Anti-Helden Gunther, dem König von Burgund, mit der kampferprobten Brünhilde, der Königin von Isenland. Anna Weber, die Regisseurin der Truppe, erzählte im Radio, wie sie daraus eine Zwangsfusionierung entwickelte. Nämlich zwischen der Deutschen Oper auf der einen Seite und der freien Szenegruppe Die wilde Brünhilde auf der anderen. Fazit: So weh es auch tut, beide Kulturinstitutionen müssen ab sofort bedingungslos zusammenarbeiten – „weil der Etat komplett zusammengespart wurde“.
Die alte Tischlerei ist ein riesiger Raum, der Platz bietet für eine doch ansehnliche Zuschauertribüne und das mittelalterliche Innere einer Burg. Liebevoll gestaltet, geht es hier ohne Abgrenzung zum Zuschauerbereich sofort zum Fight in den Ring. Es kämpfen die Hochkultur gegen die Subkultur, die alte Nibelungen-Familie, die sich in den Gemäuern des Hauses eingerichtet hat, gegen die lauten Mädels der wilden Brünhilde, die die Oper gerne mal in eine riesige Rollschuhbahn verwandeln wollen.

Doch vorher wird eine alte Mauer eingerissen und Siegfried aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Der Drachentöter, eine glänzend, fast schöngeistige Gestalt, soll mit dem Nibelungengold das vom Senat gestrichene Geld ersetzen und den Karren am Laufen halten.
„Was da flimmert, was da schimmert… das ist Rheingold, das ist mein Gold, das ist Nibelungengold…“
Einen der schönsten mit Walzerklängen unterlegten Ohrwürmer aus den lustigen Nibelungen von Oscar Straus haben tutti d*amore mit in ihre Produktion übernommen. Auch das finale Mordkomplott, im Kollektiv beschlossen und besungen, hielt Einzug in die aktualisierte Handlung:
„Nun so lasst uns den Siegfried ermorden… und lustig fließet sein Blut…“
Ich war kurz davor, mich bei der Nachbarin einzuhaken und sie zum Schunkeln zu animieren.
Ein kleines feines Orchester unter der musikalischen Leitung von Elda Laro, angeordnet am linken Rand des Mittelaltermobiliars, erinnert immer wieder daran, dass wir einer Operettenhandlung folgen. Die knallharten Elektro-Beats bei den Auftritten der wilden Brünhilde steuert ein Synthesizer bei.
Die Mezzosopranistin Caroline Schnitzer mit ihrer Doppelpräsenz als Ute und Brünhilde ist für mich der absolute Star des Abends. Sie rockt die Operette, egal in welcher Figur sie gerade zu erleben ist.

Können beide Parteien die im Brief vom Berliner Senat geforderten Sparmaßnahmen umsetzen? Kann Siegfried helfen oder gleitet er langsam aber sicher in die Privatinsolvenz?
Das Ende des Spiels ist in seiner Originalität nicht zu toppen! Es ist ein Berliner Ende und wahrscheinlich nur von dem zu verstehen, der hier jahrelang lebt und arbeitet. Einer, der mit jedem Regierungswechsel hofft, dass Infrastruktur- und Radwegeausbau, öffentlichem Nahverkehr, Digitalisierung der Behörden… endlich mehr Stellenwert eingeräumt wird und der dann doch wieder enttäuscht wird, weil nichts zum Besseren tendiert.
Über die Weiterentwicklung der Operette in Berlin mache ich mir hingegen keine Sorgen. tutti d*amore wissen, wie’s geht!
Ralf Krüger, 1. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten Deutsche Oper Berlin, 30. Januar 2025
Giuseppe Verdi, Macbeth Deutsche Oper Berlin, 23. November 2024, Premiere