Guttenberg lässt grüßen: Die Kaufzeitschrift DAS OPERNGLAS hat in der September-Ausgabe einen Beitrag über die Wertinger Festspiele 2024 veröffentlicht. Der Autor hat seinen Text zu 83 Prozent aus einem klassik-begeistert-Beitrag entnommen und die Autorenschaft nicht kenntlich gemacht. Eine Analyse.
Karl-Theodor zu Guttenberg (2017) © Michael Lucan, via de.wikipedia.org
von Jörn Schmidt
Ich habe des Öfteren schon gedacht, eine juristische Ausbildung ist extrem hilfreich, wenn man journalistisch tätig wird. Da gibt es so einige Gemeinsamkeiten. So muss man als Anwalt und Journalist zum Beispiel verschwiegen sein, sonst kann man seinen Beruf schnell an den Nagel hängen. Es gibt aber auch Berufsgruppen, die ruft man an, wenn man ein Gerücht streuen will, und sagt: Du, das erzähle ich Dir mal im Vertrauen, muss aber unter uns bleiben…
Damit sind wir beim Thema Fehler. Nachdem Patrik Klein den Herausgeber unseres Blogs, Andreas Schmidt, informiert hatte, dass sich ein OPERNGLAS-Autor, nun ja, irgendwie tollkühn bei einem seiner beiden Artikel zu den Wertinger Festspielen 2024 bedient hat, haben Andreas und ich besprochen, was zu tun ist. Das passiert einem halt, wenn man Anwalt ist. So wie Sie Ihren Bekannten, den Mechatroniker, fragen würden, was es damit auf sich hat, wenn die Motorkontrollleuchte im Infotainment Ihres Kfz rot aufleuchtet…
Fehler passieren… wir können mitnichten ausschließen, dass einem klassik-begeistert-Autor copy-and-paste auch mal misslingt und dies Urheberrechte verletzen könnte. Oder vereinzelt schlunzig recherchiert wird. Wir haben daher überlegt, was uns in solch einem Fall blühen würde. Ich bin mir sicher, es würde heißen: War ja klar, diese Blogger. Mangels fundierter Branchenkenntnis müssen die halt abschreiben… Flugs hätten wir eine Abmahnung auf dem Tisch, mit vollem Programm, vorgetragen mit der Wucht einer Großkanzlei.
Dann haben wir überlegt, welchen Umgang wir uns im Fall der Fälle wünschen würden. Sie können sich denken, wir würden einen kollegialen Umgang begrüßen, und hätten die Peinlichkeit einvernehmlich aufgearbeitet. Wir haben uns für einen Mittelweg entschieden. Um die Rechte von Patrik und klassik-begeistert zu wahren, haben wir eine geschliffene Abmahnung in einer Münchner Kanzlei beauftragt.
Diese Boutique, wie man eine hochspezialisierte Kanzlei heute nennt, heißt übrigens Lorenz Seidler Gossel (LSG). Die gelten in der Branche als besonders energische und beharrliche Vertreter der Interessen ihrer Mandanten. Andreas wurde vertreten von der zauberhaften Kollegin Leonie Schene. Von der bekommt keiner gerne Post.
Andreas hat indessen kollegialiter darauf verzichtet, alle Rechte rücksichtslos durchzusetzen: Sämtliche im Markt befindlichen OPERNGLAS-Exemplare dürfen dort verbleiben! …Wichtiger war, das Urheberrecht offenzulegen. Den korrespondierenden Berichtigungsanspruch hat OPERNGLAS anerkannt und wird in der nächsten Ausgabe einen entsprechenden Hinweis auf die Urheberschaft von Patrik Klein aufnehmen.
„Dass man mal einen hervorragenden Satz aus einer Pressemitteilung übernimmt, diese Erfahrung dürfte jeder Journalist schon einmal gemacht haben“, sagt klassik-begeistert-Herausgeber Andreas Schmidt. „Dass eine routinierte Zeitschrift im Heft und Online gleich fast wortgleich einen ganzen Artikel aus einem klassik-begeistert-Beitrag speist ohne die Urheberschaft kenntlich zu machen, hätte ich nicht im Traum für möglich gehalten. Ist dies vielleicht ein Zeichen dafür, dass in manchen Klassik-Publikationen, ob online oder Print, nicht klassisch journalistisch gearbeitet wird und manch journalistisches Rüstzeug unbekannt zu sein scheint?“
Ach, eins noch. Das steht jetzt nicht im Pressekodex, aber nach meinem Dafürhalten kennen und beherzigen ernsthafte Journalisten diesen schönen Grundsatz: Lieber einen Freund als eine Pointe verlieren. Falls Sie sich fragen, warum die Angelegenheit den Weg in meinen Beitrag gefunden hat.
Mich hat es schon als Schüler gewundert, wenn manch einer abschreiben wollte. Abschreiben galt ja geradezu als sozialadäquat. Ließ man das nicht zu, war man in den Augen der Plagiatoren schnell ein auszugrenzender Streber. Aber von dieser Denke muss man sich irgendwann lösen, sonst kann das gehörig ins Auge gehen. Enoch zu Guttenberg war ein deutscher Dirigent mit vielen Vornamen (Georg Enoch Robert Prosper Philipp Franz Karl Theodor Maria Heinrich Johannes Luitpold Hartmann Gundeloh Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg), den ich sehr geschätzt habe.
Sein Sohn, Karl-Theodor zu Guttenberg, hat ähnlich viele Vornamen (Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg) und musste lernen, dass es mit Abschreiben so ist wie mit zu süßer Tiefkühl-Torte: Eine Sekunde auf der Zunge, ein Leben lang auf den Hüften. Ich habe mal gegoogelt. Gibt man dort Plagiatsaffäre ein, kommt man ziemlich schnell zu dem CSU-Politiker. Dabei wäre der Mann vielleicht Bundeskanzler geworden, wenn er nur richtig referenziert hätte.
Im Grunde ist es unfair, dass zu Guttenberg für den Rest seines Lebens mit Plagiaten assoziiert wird. Denn es gibt deutlich krassere Plagiate. Laut Wikipedia erkannte die zuständige Staatsanwaltschaft in zu Guttenbergs Dissertation nur 23 Textpassagen, die strafrechtlich relevante Urheberrechtsverletzungen darstellen. Bezogen auf eine ausgewachsene Doktorarbeit sind das eher homöopathische Dimensionen. Zum Vergleich: Circa 83 Prozent des OPERNGLAS-Textes stammen aus Patriks Feder.
Für mich verhält es sich mit einem Plagiat so, als wenn ob eine geklaute Rolex trägt. Mal abgesehen davon, dass ich bei mechanischen Uhren andere Marken bevorzuge: Man kauft derlei doch aus Liebhaberei, und um den eigenen beruflichen Erfolg sichtbar zu machen. Was bleibt denn davon, wenn die Uhr jemandem geklaut wurde, der dafür vermutlich hart gearbeitet hat?
Aber wie sehen Sie das, liebe klassik-begeistert-Leser? Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie die Kommentarfunktion nutzen und eifrig diskutieren. Interessieren würde uns zum Beispiel: Haben wir richtig reagiert? Haben Sie während Ihrer Schulzeit abgeschrieben? Kann es beruflich befriedigend sein, abzuschreiben? Welche Motivation treibt einen, sich Informationen, Gedanken oder auch die Schreibe von Kollegen zu eigen zu machen? Für Ihre Meinung danken wir Ihnen bereits jetzt.
Wenn Sie sich abschließend fragen: Klassik-begeistert ist doch werbefrei, wie kann man sich da so gute Anwälte aus München leisten? Ganz einfach, die gesetzlichen Gebühren hat in diesem Falle OPERNGLAS tragen müssen. Zusätzlich hat OPERNGLAS sich verpflichtet, Schadenersatz zu zahlen. Ich kann Sie aber beruhigen, der Betrag schickt die Kollegen nicht in die Insolvenz. Aber Andreas schmeißt mit dem Geld eine schicke Weihnachtsfeier für sein Autorenteam. Gefeiert wird, bis kein Cent davon mehr bei Andreas verbleibt.
Jörn Schmidt, 1. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Analyse: DAS Wertinger OPERNGLAS-Plagiat, Teil 1 klassik-begeistert.de, 30. September 2024
Da sind die aber mit einem einfachen Schadensersatz noch sehr günstig weggekommen. Bei 83 % Plagiat hätte man auch von 83 % Gewinnbeteiligung an der Ausgabe ausgehen können. Ich meine… wer so dreist klaut und kopiert und es weder durch eigene Sorgfalt kenntlich macht, noch durch interne Prüfung aufdeckt, der darf gerne tief in die Tasche greifen. Im akademischen Kontext kriegen Studierende gerne mal drei- oder vierstellige Strafzahlungen dafür aufgebrummt und verlieren im schlimmsten Fall ihren Studienplatz. Und die verdienen in aller Regel nicht so viel wie jemand, der bereits im Berufsleben verankert ist.
Aber was ich nicht verstehe – wie können sowohl Redakteur, als auch Redaktionsteam, als auch die Chefetage das so durchwinken? Gibt es nicht wenigstens mal einen, der das prüft?
Andererseits habe ich mir sagen lassen, dass man nur bei den Besten abkopiert. Vielleicht ist das ja dann sowas, wie der inoffizielle Ritterschlag für unseren Kollegen Patrik Klein? Verdient hätte er es ja 😉
Daniel Janz
Danke lieber Daniel, bin da inhaltlich ganz bei dir. Hätte das OG bei mir angerufen und gefragt, ob sie meinen Artikel unter Namensnennung übernehmen dürfen, so hätte ich gerne zugestimmt und mich sogar darüber gefreut.
Liebe Grüße
Patrik
Es ist wirklich unbegreiflich, wie einer seit langem renommierten Zeitschrift so etwas passieren kann. Zitate sind für mich ein nützliches Mittel, um die Aussage eines Artikels mit unabhängigen Meinungen zu bekräftigen. Und dazu zitiert man knappe Ausschnitte selbstverständlich deutlich kenntlich gemacht mit Nennung des Autors und der Quelle und fügt das sinnvoll in seinen eigenen Artikel ein! Ganze Texte klauen, das geht ja überhaupt nicht.
Und wenn mal wieder ein arroganter Schnösel über Blogautoren lästert, kann klassik-begeistert jetzt sagen: „Unsere Autoren sind so gut, dass die so genannten Qualitätsmedien bei ihnen klauen!“
Liebe Grüße,
Lorenz
Natürlich HÄTTE ich während der Schulzeit gerne abgeschrieben. Anscheinend war mein Talent aber überschaubar. Deshalb resultierten daraus Noten, die nicht gerade im Spitzenfeld gelandet sind. Im Schulalter muss das doch jedem egal sein. Wer denkt denn als Teenager an Plagiatsvorwürfe oder an die Moral. Hauptsache durch und fertig.
Jürgen Pathy
Ich lese Das Opernglas von Anbeginn an. Dort schreiben wirklich sehr gute Autorinnen und Autoren. Nahezu alle Artikel weisen einen Autor auf, im Heft 9 nur nicht die Rubrik Festival-Report (4 Beiträge) mit 3 von insgesamt 98-Heftseiten. Interessant wäre es von der Zeitschrift zu erfahren, wie es zu diesem umfangreichen Plagiat gekommen ist. Ansonsten halte ich die Worte von Patrik Klein für zielführend.
Dr. Ralf Wegner