Lieber Brian, tausend Dank für Deinen 100.sten Beitrag für klassik-begeistert, wie immer mit viel Wissen, Wums und Wahrheit geschrieben.
Let’s go 200!
Andreas, Herausgeber
Foto © Dr. Brian Cooper
Manfred Honeck dirigiert eine monumentale Aufführung eines monumentalen Werks, das man regelmäßig, wenngleich selten genug, in Amsterdam hört. Bemerkenswert sind an diesem Abend die herrlich ausgekosteten Generalpausen.
Anton Bruckner (1824-1896) – Sinfonie Nr. 8 c-Moll
Concertgebouworkest
Manfred Honeck, Dirigent
Amsterdam, Concertgebouw, 20. Juni 2024
von Brian Cooper, Bonn
Was bleibt nach diesem Konzert zu sagen? Vielleicht ist es eher eine Frage: Gibt es etwas Schöneres, als das Concertgebouworkest in Amsterdam zu hören, in diesem wunderbaren Saal, wo das Weltklasse-Orchester immer noch am besten klingt?
Anfang des vergangenen Jahres schrieb ich bereits, wie außergewöhnlich vor allem Mahler und Bruckner in diesem Saal klingen, erst recht, wenn das Orchester noch einmal über sich hinauswächst, wie hier in Bruckners achter Sinfonie geschehen. „Idealklang. Vollkommenheit. Schönheit“: Auch an diesem Juniabend treffen diese Worte zu.
Nach der krankheitsbedingten Absage Christian Thielemanns übernahm Manfred Honeck, den ich immer mehr zu schätzen lerne, die beiden Aufführungen. Der erste dieser Abende geriet zu einer beeindruckenden Exegese dieses sinfonischen Monuments, dieser „Riesenschlange“ (so Eduard Hanslick verächtlich über die Siebte), deren Struktur und Form oft mit der Architektur von Kathedralen verglichen werden – ein schöner Vergleich insofern, als Bruckner ein frommer Mensch war und seine Musik an vielen Stellen wie in einer Kathedrale nachhallt.
Wenn man es zulässt. Honeck suchte und fand die Stille, er ließ die Generalpausen besonders eindrucksvoll verklingen, und das Publikum atmete mit: Überhaupt war man an diesem Abend diszipliniert. Fast nur in den Satzpausen hörte man Husten. Vielleicht ist das Rudelhusten inzwischen zum Ritual geworden wie der Applaus.
Gravitätisch ging es in allen vier Sätzen zu, aber eben auch an den einschlägigen Stellen bemerkenswert still: Aus einem pianissimo-Nichts konnten so – nicht nur im ersten Satz – kostbare Schönheiten entstehen. Das Blech glänzte, das Holz war atemberaubend transparent. Alles war ungemein durchhörbar, bis in die kleinsten der für Bruckners Sinfonik so wichtigen Begleitfiguren. Die Linien, fein gezeichnet, hatten stets ein Ziel. Es entstand eine geradezu jenseitige Vorahnung dessen, woran Bruckner so fest glaubte. Und hat man die Klarheit der Harfen, den Glanz der Wagnertuben je so gut gehört wie im Adagio?
Anna de Veij Mestdagh, Geigerin des Orchesters, führte vorab ins Stück ein und beschrieb kurz die einzelnen Sätze. Für den Beginn des Finales brachte sie das Bild eines Kosakenritts ins Spiel. Ob Kosakenzipfel oder nicht: „Reiter werden ja immer gebraucht“, wie schon Loriot wusste. (Ein anderer Komponist überbordend-monumentaler Sinfonien, Dimitri Schostakowitsch, stimmte wohl zu.)
Der allerletzte Aufschwung im Finale, vom pianissimo zur finalen C-Dur-Apotheose, war für mein persönliches Empfinden etwas zu rasch. (Hören Sie zum Beispiel in die geniale Aufnahme Günter Wands mit den Berlinern rein – das geht nicht besser, nur anders.) Aber das ist kein negativer Punkt, sondern sehr subjektiv.
Insgesamt also ein exquisiter Abend. Sollten Sie mal Gelegenheit haben, in Amsterdam Bruckner oder Mahler mit dem Concertgebouworkest zu hören, lassen Sie sich das nicht entgehen, und gönnen Sie sich einen Platz im oberen Balkonbereich. So kommt die klangliche Schönheit dieses akustisch so wunderbaren Saals besonders gut zum Tragen.
Dr. Brian Cooper, 22. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
NDR Elbphilharmonie Orchester, Manfred Honeck, Dirigent Elbphilharmonie Hamburg, 1. März 2024