© Herwig PRAMMER, Christoph Wagner-Trenkwitz (Salieri)
Dieses Mal erlebte man im Musiktheater an der Wien keine Veranstaltung, sondern eine Verunstaltung – und zwar eine der besonderen Art.
Antonio Salieri, Kublai Khan Dramma eroicomico in zwei Akten
Libretto von Giovanni Battista Casti
Uraufführung der italienischen Originalfassung in einer
Spielfassung von Martin G. Berger und Philipp Amelungsen
Arnold Schoenberg Chor
Les Talens Lyriques
Dirigent: Christophe Rousset
Mit Carlo Lepore, Lauranne Oliva, Alasdair Kent, Marie Lys, Fabio Capitanucci, Christoph Wagner-Trenkwitz u.a.
Regie: Martin G. Berger
MuseumsQuartier Halle E, 9. April 2024
von Herbert Hiess
Ein offenbar nicht zu Unrecht wenig bekannter Regisseur glaubte, sich an einem Werk Antonio Salieris austoben zu müssen. Der Komponist (und angeblich ewige Rivale Mozarts) hatte vor 236 Jahren mit dem Werk in einer recht banalen Handlung eine Politsatire verpacken wollen; hier sogar gegen den russischen Zarenhof.
Was kam hier im Museumsquartier dabei zu Stande? Aus Kublai Khan wird ein Süßwarenhersteller (wie lustig: eine Art „Mozartkugel“) und artet letztlich in einer schwul-queeren Party aus, wo sich bald keiner mehr auskennt, wer eigentlich wer ist. Man braucht auf keine Details eingehen; es war letztlich (szenisch) langatmig, unlogisch und teilweise sogar unappetitlich (wenn eine Person, als Schokoladenkugel verkleidet, abgelutscht wird).
Natürlich durfte auch der Ukraine-Krieg nicht fehlen; fast kein Woke-Klischee wurde hier ausgelassen. Und beispielsweise mit der „schwulen Party“ schadet man letztlich der LGBT-Community mehr, als dass man ihr nützt.
Im Programmheft beschreibt Martin G. Berger den Darsteller von Salieri Christoph Wagner-Trenkwitz als „naturlustig“. Geschulten Opernballzusehern im ORF ist dieser Herr sattsam bekannt; peinlich trifft es da manchmal eher als lustig.
So auch auf der Bühne! Wagner-Trenkwitz macht aus Salieri eine eher schräge Figur; abgesehen von seiner Person war dieser regiemäßige Einbau Salieris in dem Stück völlig fehl am Platze. Er störte eher den Handlungsablauf, als dass er das Stück aufwertete.
Musikalisch war der Abend hervorragend. Mit den Talens Lyriques und Rousset hatte man großartige Barock-Spezialisten im Orchestergraben; das Ensemble mit Originalinstrumenten bewies hier wieder einmal sein großes Können.
Gesanglich ebenso vom Allerfeinsten. Herausgestochen hat Carlo Lepore als markiger Buffo-Bariton, den man auch sehr gerne mal als Dulcamara, Gianni Schicchi, Falstaff sehen würde, er war bis dato in unseren Breiten viel zu wenig präsent. Er besticht nicht nur durch seine phantastische Stimme, sondern auch durch seine Diktion und Klangfarben.
Besonders noch beachtenswert der großartige und höhensichere Sopran von Marie Lys und der etwas kopfstimmige aber grandiose Tenor von Alasdair Kent, der sich in der berührenden Arie im zweiten Akt bewies.
Auch die übrige Besetzung war beachtenswert; durch diesen sinnlosen und teilweise verstörenden Klamauk auf der Bühne war man als Zuseher und -hörer oft zu sehr abgelenkt von Klang und Stimmen.
Irgendwie fragt man sich, ob die musizierenden Personen tatsächlich jeden Schwachsinn auf der Bühne mitmachen sollen und müssen – letztlich schaden sie sich selbst; ihre oftmals großartigen Leistungen gehen in diesem Schrott beinhart unter.
Und letztlich muss sich auch die Intendanz fragen, ob sie nicht doch vor einer solchen Produktion einen genaueren Blick auf die Regie werfen sollte.
Letztlich sollten die Abonnenten und das Publikum angehalten werden, weiter das Haus zu besuchen.
Ob eine solche Produktion die richtige Motivation dazu ist, ist fraglich!
Herbert Hiess, 11. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Charles Gounod, Roméo et Juliette Musiktheater an der Wien, Museumsquartier, Halle E, 1. März 2024
Gaetano Donizetti, Les Martyrs Museumsquartier Halle E (Theater a. d. Wien), 23. September 2023
Ist denn wirklich gar nichts vor dem Woke-Virus zu retten? Es sind doch schon Universitäten, Hollywood, Radio, ORF und zum Teil Computerspiele damit infiziert. Muss jetzt also auch noch unsere Kultur mit dran glauben, die sowieso schon ganz andere Probleme hat?
Diversität und Teilhabe durch Umdeutung und Aneignung erzwingen zu wollen ist letztendlich nichts anderes, als eine Verleumdung der eigenen Identität und der Realität. Es ist niemandem damit geholfen, wenn Siegfried plötzlich im Rollstuhl oder der Rosenkavalier im Frauenkleid auftritt – viel eher ist das peinlich und wird den Figuren nicht gerecht. Diversität und Teilhabe entsteht dadurch, dass man entsprechende Rollen in neuen Werken schafft und ihnen Bedeutung zukommen lässt. Denn eine Figur, die sich durch solch identitätsprägende Merkmale von anderen unterscheidet, impliziert dadurch auch ganz direkt enorme Konsequenzen für die Handlung und den Inhalt. Sind diese Konsequenzen nicht umgesetzt oder von vornherein im Stoff nicht enthalten, impliziert diese Form von „woker Repräsentation“ nur eine direkte Gleichschaltung (mit aller entsprechenden Implikation, die diesem Wort innewohnt). Das kann aber nur zu Miss-Repräsentationen führen.
Daniel Janz