© re-note.eu
Arabeske – im tänzerischen Dialog mit Al-Andalus
Concierto Ibérico:
John Rogers Erzählkunst
Dani Niemietz Tanz
Inés Pina Pérez Historische Blockflöten
Juan González Martínez Historische Posaunen und Leitung
Miguel Bellas Spanische Gitarren, Theorbe
Lea Suter 16-Fuß-Cembalo
Peter Kuhnsch Perkussion
Sendesaal Bremen, 31. Mai 2024
Von Dr. Gerd Klingeberg
Muslime, Christen und Juden lebten dereinst zumeist friedlich und tolerant miteinander in Al-Andalus, dem maurischen Spanien in der Zeit vom 8. bis zum 15. Jahrhundert. Und wenn gefeiert wurde, dann gehörten Musik, Tanz und Erzählkunst immer dazu. Mit ihrem Programm „Arabeske“ vermittelten die fünf Instrumentalisten des „Concierto Ibérico“ reizvolle Eindrücke einer solchen Festivität.
Das auf spanische Musik der Renaissance und des Barock spezialisierte Bremer Ensemble eröffnete seinen Konzertabend mit Tylman Susatos vor gut 500 Jahren entstandener Komposition „La mourisque“ („Der kleine Maure“). Der markante Rhythmus wurde von der Rührtrommel vorgegeben, dann klinken sich Cembalo, spanische Gitarre sowie Blockflöte und Posaune mit ein. Da alle Instrumente historischer Bauweisen entsprechen (Posaune mit enger Mensur), ergibt sich eine perfekte Balance untereinander. Rasant klappernde Kastagnetten und das helle Klingen des Schellen-Tambourins sorgen für authentischen spanischen Sound; der pulsierende Rhythmus ist schier allgegenwärtig.
Das Programm ist in fünf Unterabschnitte eingeteilt, zu denen Erzähler John Rogers Informationen und kleine Episoden beisteuert. Manches mutet etwas bemüht, gelegentlich langatmig an; bei der Posse vom kuriosen Nasreddin ist Rogers indes in seinem Element; gestisch und mimisch präsentiert er die geistreiche Eulenspiegelei überzeugend humorvoll und witzig.
Die Auftritte von Tänzerin Dani Niemietz sind zweifellos der Clou des Abends. Nicht nur, dass sie in atemberaubend elegantem, farbenfrohem und mehrfach wechselndem Outfit auftritt. Ihre graziösen Bewegungen, die sich aus Elementen von klassischem Bauchtanz, Flamenco, indischer, nordafrikanisch folkloristischer Tänze bis hin zu Ballett und diversen zeitgenössischen Formen zusammensetzen, sind durchweg ausdrucksintensiv, ästhetisch bis ätherisch, immer gazellenhaft geschmeidig bis ins letzte Finger- und Zehenglied, dazu mit einem leicht erotischen Touch.
Sie unterstreichen die Musik in Stimmung und Rhythmus, lassen diese aber allein durch den starken optischen Eindruck bisweilen in den Hintergrund rücken. Ein wenig zu Unrecht; denn die instrumentalen Ausführungen, das perfekte Harmonieren von Flöte und Posaune, der mitreißende Rhythmus der verschiedenen Perkussionsinstrumente wie auch das fingerartistische Gitarrenspiel und der warme Klang des 16-Fuß-Cembalos addieren sich zu einem berauschenden, in Sachen Lautstärke niemals unangenehmen Hörerlebnis.
Höhepunkte sind Boccherinis „Fandango“ oder auch das tänzerisch beschwingte „L’Eroica à 3“ von Falconiero. Nicht so recht gelungen dagegen Debussys „Arabeske“: mit cembalo-gezupften Tönen lässt sich schwerlich ein impressionistisch sanftes Fließen erreichen.
Auch für dunkle, melancholische Stimmung – etwa wie bei der ruhigen Sarabanda von Antonio Martín y Coll – ist Platz im Programmablauf; denn nicht immer waren es dazumal nur rosige Zeiten.
Doch „Glasklare Vollmondnächte in der Alhambra von Granada“, als wunderschönes Gitarrenstück „Jácaras“ (Santiago de Murcia) in plastischer Bildhaftigkeit dargeboten, sorgen wieder für angenehm gemütvolle Stimmung. Den finalen Höhepunkt setzt das ebenso virtuos wie ambitioniert aufspielende Quintett mit Ravels „Boléro“. Dieser ultimative Ohrwurm lässt selbst im Arrangement für die nur fünf Instrumente nichts an gewohnter Verve und Stringenz vermissen.
Für das perfekte Sahnehäubchen sorgt dabei erneut die gleichermaßen reizvolle wie teils sogar persiflierend witzige Tanz-Choreografie von Dani Niemietz. Mit Bravo-Rufen, tosendem Applaus und Fußgetrampel bedankt sich das begeisterte Sendesaal-Publikums für die kurzweilige Reise nach Al-Andalus, eine rundum unterhaltsame 90 Minuten-Performance mit sogenannter Alter, dabei jedoch überaus frisch und dynamisch wirkenden Musik.
Dr. Gerd Klingeberg, 1. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert
Programm:
Empfang am „Palast der Freude“ in Saragossa
Tylman Susato: La mourisque
Anonym aus dem Cancionero de Palacio: Moresca
Gaspar Sanz: Zarabanda
Die atemberaubende Schönheit der Prinzessin Zorahayda
Claude Debussy: Arabesque
Bartolomé de Selma y Salaverde: Canzon terza
Luigi Boccherini: Grave assai, Fandango
Genussreiches Gespräch unter den Dolmetschern von Toledo
Gaspar Sanz: Pasacalles por la +
Bartolomé de Selma y Salaverde: Canzon prima
Andrea Falconiero: L’Eroica à 3
Der verlassene Freund an der Moschee von Cordoba
Johannes Urrede: Nunca fué pena mayor
Antonio Martín y Coll: Zarabanda
Diego Ortiz: Recercada quinta
Glasklare Vollmondnächte in der Alhambra von Granada
Santiago de Murcia: Jácaras
Maurice Ravel: Boléro
Liv Migdal, Violine und Mario Häring, Klavier Sendesaal Bremen, 23. April 2024
Elisabeth Kufferath, Versprechen. Solo-Rezital Sendesaal Bremen, 6. April 2024