Auf den Punkt 26: Wie alt ist Tarmo Peltokoski wirklich?

Auf den Punkt 26: Wie alt ist Tarmo Peltokoski wirklich?  klassik-begeistert.de, 10. Oktober 2024

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen / Tarmo Peltokoski © Daniel Dittus

Wenn Sie meine Kolumne regelmäßig lesen, können Sie das wahrscheinlich nicht mehr hören. Mit dem Alter des Dirigenten sei es wie mit der Lage bei Immobilien. Das vertrete ich, wo immer es passt. Alter, Alter, Alter, das ist wichtig. Also hohes Alter, meine ich. Man lernt halt nie aus, und je öfter sich Herbert Blomstedt mit Bruckner beschäftigt, desto berührender wird sein Dirigat. Und nächstes Jahr, da ist er noch besser.

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Tarmo Peltokoski, Dirigent
Fabian Müller, Klavier

Johannes Brahms (18331897) / Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15

Jean Sibelius  (18651957) / Sinfonie Nr. 5 Es-Dur op. 82


Elbphilharmonie, Großer Saal,
9. Oktober 2024

 von Jörn Schmidt

Aber wenigstens geht es heute mal nicht um Plagiate, Rote-Bete-Flecken oder sündhaft teure Tickets  für das Konzert eines alterslosen Baritons. Sondern um einen unglaublich jungen Dirigenten. Nein, nicht Klaus Mäkelä. Der ist im Grunde auch gar nicht mehr so jung… Im Fokus stand  Tarmo Peltokoski aus Finnland.

Altersweise bedeutet übrigens mitnichten, dass es altersmilde zur Sache geht. Wie Bernard Haitink Bruckner 7 hat krachen lassen bei seinem Auszug aus der Berliner Philharmonie, das hatte ich bis anhin noch nicht so gehört. Ich glaube ja, dass in der Philharmonie immer noch die Aura von Karajan und Abbado zu spüren ist. Die haben da  einen Mordsschrecken bekommen, würde ich sagen.

Das riecht jetzt nach einem Verriss, denken Sie. Nun, so einfach liegt der Fall nicht. Ich war vorgewarnt, ich lese hier bei klassik-begeistert regelmäßig die CD-Besprechungen meines Kollegen Dr. Brian Cooper.  So auch seine Besprechung von Tarmo Peltokoskis DGG-Debut.

Man möchte ja vor den Kollegen nicht wie ein Früher-war-alles-besser-Nörgler daherkommen. Außerdem, wie Dr. Cooper weiter schreibt, lässt Tarmo Peltokoski Mozart perlen wie Champagner. Also habe ich Peltokoskis Album Mozart Symphonies käuflich erworben. Ich muss sagen, der CD-Champagner war sogar äußerst feinperlig.

Um  beim Thema zu bleiben, den Stoff trinkt man am besten bei 8° bis 10°, wärmer kommt nicht so gut. Peltokoski dagegen bevorzugt einen warmen Mozartklang. Wenn man so will der erste Champagner, den man auch bei 15° noch trinken kann.

TARMO PELTOKOSKI 2021 © www.peterrigaud.com

Bei Brahms erstes Klavierkonzert war es aber vorbei mit feinperlig. Vielleicht wollte der am 21. April 2000 geborenen Peltokoski ganz einfach, dass Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter seinem Dirigat ganz anders, also schwerer und weniger funkelnd klingt als unter dem Übervater Paavo Järvi. Oder er war in Gedanken bei Fabian Müller, der verließ den Saal nach seinem Auftritt nämlich fluchtartig. Tarmo Peltokoski klärte auf: Der Pianist werde heute noch das zweite Mal Vater…

Nachgerade spektakulär geriet Sibelius 5. Sinfonie. Klar, Peltokoski ist Finne, ausgebildet von Jorma Panula und Sakari Oramo (an der Sibelius-Akademie).  Da muss einem Sibelius ja bestens von der Hand gehen. Aber seine Idee von Sibelius so jung an Jahren gestandenen Orchester-Haudegen zu vermitteln, das ist eine ganz andere Sache.  Unmöglich, das mit 24 Jahren zu leisten, hätte ich behauptet. Vielleicht ist dem Standesamt schlicht und einfach ein Zahlendreher unterlaufen? 42 Jahre, das hätte zur Reife des Dirigats gepasst.

Genial gemacht war, wie Peltokoski mit den Erwartungen der Zuhörer spielte. Die wenigen, sich dafür immer wiederholenden Motive wurden im letzten Satz so ausgerollt, als ob das Orchester mit Furor und in feinster Wagner’scher Tradition auf Trost und  Erlösung zusteuert. Bekanntlich kommt es anders, Sibelius lässt die Sinfonie abrupt enden.

Aber wie der Finne das umsetzt und die Dynamik abreißen lässt, das war besonders. Rätselhaft  beunruhigend und gleichzeitig beglückend fühlte sich das an. Allein, Teile des bis zu diesem Moment  erstaunlich ruhigen Elbphilharmonie-Publikums klatschten und johlten in die Pausen der Schlusskadenz  hinein, der wundervolle Effekt konnte seine Wirkung nicht voll entfalten. Ob man sich das bei Herbert Blomstedt getraut hätte? Tarmo Peltokoski ist eben doch erst 24 Jahre alt, wie beruhigend.

Jörn Schmidt, 10. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

CD Besprechung: Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonien Nr. 35 „Haffner“ KV 385; Nr. 40 KV 550; Nr. 36 „Linzer“ KV 425 klassik-begeistert.de, 19. Juli 2024

Anton Mejias, Klavier, Tarmo Peltokoski, Dirigent, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Oldenburgisches Staatstheater, 21. August 2024

Konzert „Wiener Schule“, Jan Lisiecki Klavier, Tarmo Peltokoski Dirigent, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, 22. Mai 2024

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