Allan Clayton als Peter Grimes und Jakob Fritschi als Lehrjunge John © Barbara Aumüller
“Peter Grimes”, die wohl bekannteste Oper von Benjamin Britten, steht zu Saisonbeginn als Wiederaufnahme von Keith Warners Inszenierung aus dem Jahre 2017 auf dem Programm der Oper Frankfurt. Mit einem überragenden Titelhelden (Allan Clayton), einem tollen Opernensemble, einem fulminanten Opernchor und einem großartig aufspielenden Orchester unter der Leitung des Generalmusikdirektors Thomas Guggeis, entsteht erstklassiges Musiktheater, das viel Vorfreude auf die neue Saison an der Oper Frankfurt aufkommen lässt.
Benjamin Britten (1913-1976)
PETER GRIMES
Oper in drei Akten und einem Prolog (Text von Montagu Slater)
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Keith Warner
Szenische Leitung der Wiederaufnahme: Axel Weidauer
Bühnenbild: Ashley Martins-Davis
Kostüme: Jon Morrell
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Chor und Extrachor Herren des Oper Frankfurt (Leitung: Álvaro Corral Matute)
Oper Frankfurt, 6. September 2025
von Jean-Nico Schambourg
Schon 2017 zu der Premierenserie der Inszenierung in Frankfurt erklärte der Regisseur Keith Warner wie aktuell der Stoff des Werkes von Benjamin Britten sei. Und auch acht Jahre später hat dieser nicht an Aktualität verloren. Im Gegenteil!
Die Oper zeigt, wie die Bewohner eines Fischerdorfes, angestachelt von einigen radikalen Geistern, zum Mob mutieren. Sie richten sich gegen jene, die sich nicht ganz genau ihrem Willen unterwerfen. Sie selbst huren, saufen, nehmen Drogen, lynchen einen Obdachlosen (nein, die Handlung spielt nicht in Washington), und halten dabei die Bibel hoch.
Mit wenigen Bühnenelementen gelingt es den Machern dieser Inszenierung, die Weite des Meeres ebenso wie die physische und psychische Enge, die in dem Fischerdorf herrscht, zu unterstreichen. Die Weite des Meeres steht auch für die Einsamkeit von Peter Grimes.
Dieser ist bestimmt kein Unschuldslamm. Er ist ein Außenseiter, der mit der Welt und auch mit sich selbst unzufrieden ist. Nur durch Reichtum glaubt er, von den Dorfbewohnern anerkannt zu werden. Um zu diesem zu gelangen, nimmt er zweimal billigend den Unfalltod seiner Lehrjungen in Kauf. Schlussendlich verzweifelt er an seinem gesellschaftlichen Versagen und versenkt sich, auf Anraten seines Freundes Captain Balstrode, samt Boot im Meer.
Allan Clayton, ein erfahrener Grimes-Interpret, gibt den ganzen Abend dessen Gefühlswelt von Zerrissenheit, Verzweiflung, Wut mit klarem und kraftvollem Tenor stimmlich wunderbar wieder. Aber in seiner Schlussszene, die fast gänzlich ohne Orchesterbegleitung auskommt, nur manchmal unterbrochen durch die “Grimes” – Rufe des Mobs, der ihn in der Ferne sucht, übertrifft er sich nochmals. Er findet hier herzzerreißende Klangfarben, die dem Zuhörer tief ins Mark gehen und zu Tränen rühren.

Es spricht für die Qualität der Oper Frankfurt, dass außer dem Titelhelden alle anderen Figuren mit Ensemblemitgliedern hochwertig besetzt sind.
Magdalena Hinterdobler spielt eine anfangs positiv eingestellte Ellen Orford, die allmählich an den Untaten von Peter Grimes und den Streitereien mit ihm zerbricht. Ihrem leuchtenden Sopran weiß sie am Ende ergreifende Töne der Verzweiflung abzuringen.
Nicholas Brownlee singt mit mächtigem Bass-Bariton die Rolle des Captain Balstrode, Grimes’ einzigem Freund im Dorfe.
AJ Glueckert gibt mit markantem Tenor Bob Boles, den religiösen Intriganten. Weiterhin erfreut man sich an der Interpretation von Katharina Magiera als Auntie und ihrer beiden Nichten Anna Nekhames und Julia Stuart ebenso wie am Swallow von Thomas Faulkner, an der Mrs. Sedley von Judita Nagyová, am Reverend Horace Adams von Michael McCown, am Ned Keen von Jarrett Porter, am Hobson von Morgan-Andrew King.

Die wichtige Rolle, die der Chor in dieser Oper spielt, wurde schon vorher erwähnt. Chor und Extrachor der Oper Frankfurt, vorbereitet von Álvaro Corral Matute, werden den hohen Ansprüchen der Partitur und auch der Inszenierung vollkommen gerecht. Hohe Präzision bei vollem Chorklang, dazu viel Flexibilität in seinen Bühnenbewegungen lassen ihn zum ersten Gegenspieler von Peter Grimes werden.
Musikalisch wird das Ganze geleitet vom Generalmusikdirektor der Oper Frankfurt, Thomas Guggeis. Dieser beweist auch an diesem Abend, dass er ein Spezialist tiefgreifender Partituren ist. Mit klarer Gestik führt er Bühne und Orchester durch den Abend. Dunkle Klangfarben des Orchesters unterstreichen die Dramatik der Handlung, während die Holzbläser mit ihrem klagevollem Klang die Verzweiflung und Sehnsüchte der Protagonisten ausdrücken.
Allen Mitwirkenden spendet das Frankfurter Publikum am Ende des Abends begeisterten Applaus, wobei neben Allan Clayton und Magdalena Hinterdobler, vor allem Chor und Orchester mit seinem Dirigenten den stärksten Zuspruch einheimsen.
Jean-Nico Schambourg, 8. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Benjamin Britten, Peter Grimes Oper Frankfurt, 6. September 2025
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