Berlin: Die Oboe tanzt mit Mayer und Petrenko

Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko, Albrecht Mayer, Oboe  klassik-begeistert.de, 20. September 2025

Philharmonie Berlin, 19. September 2025

Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko, Dirigent
Albrecht Mayer, Oboe

Werke von Pascal Dusapin, Bernd Alois Zimmermann und Johannes Brahms

Gemeinsam mit Albrecht Mayers kunstvollem Oboenspiel setzte Kirill Petrenkos seine Bernd-Alois-Zimmermann-Renaissance souverän in der Berliner Philharmonie fort. Nicht weniger glanzvoll musizierten die Philharmoniker einen Brahms-Klassiker in dieser musikalischen Sternstunde! 

von Johannes Karl Fischer

Als Bernd Alois Zimmermanns Oboenkonzert zuletzt auf dem Spielplan der Berliner Philharmoniker stand, war die Mauer gerade gefallen und Krill Petrenko noch mitten im Studium, 1991 war das. Fast 35 Jahre später kam mal wieder eine Berliner Musikliebhabergeneration in den Genuss dieses fetzigen, farbenfrohen und harmonisch sehr freien Werks. Albrecht Mayer meisterte die extrem fordernde Solo-Partie mühelos bis an die klanglichen Grenzen seines Instruments, am Pult tanzte Kirill Petrenko – dessen hiesige Amtszeit hier eine kleine Bernd Alois Zimmermann-Renaissance ins Rollen bringt – mit freudiger musikalischer Flamme durch die vielen Dissonanzen der Partitur.

Insbesondere Herr Mayer festigte sich mit dieser Paradeleistung an der Spitze seines Fachs und legte auch die höchsten aller Töne völlig mühelos in den Raum. Wie ein kleines Lüftchen segelte seine Melodien von den Rohrblättern und ließen ihn uns sein Instrument wie Hand in Hand mit dem Orchester durch das Werk tanzen! Einzig seine Ansprache zur Zugabe hätte ein ganz wenig knapper sein können, ich weiß nicht, was ich von Späßen über die sekundengenaue Länge der von ihm gewählten Bach-Sinfonia halten soll. Naja, weniger selig strahlte diese heilige Musik auch dadurch nicht…

Albrecht Mayer © Harald Hoffmann /Deutsche Grammophon

Für eine weitere Sternstunde sorgte Petrenkos furiose wie berührende Brahms 1. Mit üppiger Besetzung – 16 erste und 14 zweite Geigen waren auf der Bühne zu zählen – stürzte er das Orchester in die edlen Klangfluten dieser Partitur und zauberte alle tiefen Emotionen aus den Instrumenten hervor. Bis in die allerletzte Nebenstimme hinein segelte jede Note tief in die musikalische Seele, die Paukenschläge der berühmten c-Moll-Einleitung fügten sich wie ein pulsierender Herzschlag unter die inbrünstig in den Melodien vertieften Streichern ein, ehe Petrenko den restlichen Kopfsatz mit seinem gewohnt energetisch sausen Dirigat durch den Saal fegen ließ. Mit einem äußerst differenzierten und fein polierten Klang erhob er auch diesen fast schon abgespielten Klassiker in die leuchtenden Höhen des Musikhimmels!

Den äußerst gesättigten, doch runden Streicherklang trug auch Noah Bendix-Balgley im Konzertmeistersolo souverän auf den Schultern und ließ das Publikum die wunderbaren, doch emotional intensiven Klangwellen des langsamen Satzes aufsaugen. Auch Yun Zengs Horn-Solo strahlte souverän und klanghaft zu Beginn des Finales, man spürte die ganzen Gefühle dieser Musik tief unter der musikalischen Haut schwingen. Rauschhaft zog Herr Petrenko die grenzenlos freudige Energie am Ende dieser Symphonie durch den Saal, das Publikum und brach in verdiente stehende Ovationen aus!

Einzig das Eröffnungsstück des Abends, Pascal Dusapins Exeo, kam nicht wirklich aus dem Schatten der beiden Paradeleistungen hinaus. Zwar schenkten die Philharmoniker auch diesem Werk den vollen Zauber ihrer einzigartigen klanglichen Exzellenz, doch konnten sie die ein wenig zu scharf und schallend komponierte Partitur leider nicht wirklich besänftigen. Lautstärke war nicht so sehr das Problem, doch forderten die intensiv klingenden hohen Streicher und Piccolo scheinbar dauerhaft die Ohren des Publikums heraus…vielleicht alles ein bisschen zu viel.

Hätte man stattdessen wie beim Saisoneröffnungskonzert an dieser Stelle Schumanns Manfred-Ouvertüre spielen sollen? Nein, solche klanglichen Experimente machen das Programm ungleich viel spannender als immer nur das gleiche, Beethoven, Brahms, Schumann in Abwechslung.  Gerade bei neuen Werken wird einfach nicht jedes Stück bei jedem auf Resonanz stoßen, das war auch bei der Uraufführung einiger Brahms-Werke so. Ob in zwanzig, dreißig oder gar 149 Jahren noch jemand über dieses Werk reden wird? Fraglich.

Albrecht Mayers souveräne Aufführung des Zimmermann-Oboenkonzerts war indessen ein Moment für die philharmonischen Geschichtsbücher – ebenso Petrenkos lebhafter Brahms!

Johannes Karl Fischer, 20. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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