Seit einem Jahrzehnt findet im wildromantischen Lismore Castle im Südosten Irlands – oder besser: nicht wirklich in, sondern vor der Fassade eines Nebengebäudes dieser immer noch von den Besitzern bewohnten Burg – das sommerliche Opern-Festival Irlands mit hochkarätigen Künstlern von Weltrang statt. Ins Leben gerufen hat diese für Irland einzigartigen Festspiele der Impresario und künstlerische Leiter von Blackwater, der Schweizer Dieter Kaegi, unter anderem Präsident des Schweizerischen Bühnenverbands. Mit durchschlagendem Erfolg: Die 4500 Besucher, viele von ihnen aus dem Ausland angereist, sorgen für vollständig ausverkaufte Vorstellungen. Dieses Jahr wurde ein musikalisch hervorragender „Macbeth“ mit sängerischen Höchstleistungen und exzellentem Orchester geboten, sowie eine Reihe hervorragender Konzerte an attraktiven Aufführungsorten der Umgebung – unter anderem ein Liederabend mit dem berühmten britischen Tenor Ian Bostridge, begleitet von der italienisch-niederländischen Pianistin Saskia Giorgini. Sowie: Die irische Mezzosopranistin Paula Murrihy und das irische Barockorchester unter der Stabführung von Peter Whelan.
Giuseppe Verdi (Libretto: Francesco Maria Piave), „Macbeth“
Blackwater Valley Opera Festival, in italienischer Sprache
Lismore Castle, 31. Mai 2023,
von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)
Es ist ein magischer Ort – vor allem an diesem prachtvollen Sommerabend. Die mächtige, mit Türmen bewehrte Burg aus dem 12. Jahrhundert, die unter anderem Sir Walter Raleigh gehörte – und ein Garten, wie ich ihn noch nie im Leben betreten hatte: ein von Farben und Düften überquellendes Blumenmeer mit exotischen Bäumen und versteckten Nischen. Allein schon dieses Erlebnis hätte einen Besuch des Blackwater Festivals gelohnt, doch in diesem Park wird vor der Vorstellung auf Wunsch ein Picnic-Korb geboten, der in seiner köstlichen Poesie dem Garten in nichts nachsteht.
Durch diesen Garten wandelt man also, festlich gekleidet, sobald die Glocken ertönen, welche den Beginn des Schauspiels ankündigen – doch tauchen da hinter Mauern und in Büschen, zwischen farbenprächtigen, hohen Blumen nicht diese schrecklichen Gestalten auf? Oder war das bloß eine Vision? Nein, es sind tatsächlich Hexen aus der Oper „Macbeth“, die wir in wenigen Minuten zu sehen und hören bekommen…
Das Irish Chamber Orchestra unter Killian Farrell intoniert präzise, temperamentvoll und hochmusikalisch das immer noch unverkennbare Spuren des Belcanto aufweisende Werk des italienischen Großmeisters der Oper. Im Zentrum steht das mörderische Paar Macbeth plus Lady – sängerisch überaus beeindruckend dargeboten von der großartigen türkischen Sopranistin Serenad Burcu Uyar und dem italienischen Bariton Leonardo Galeazzi.
Uyar faszinierte durch das Spektrum ihres gesanglichen und schauspielerischen Potenzials, mit vokaler Präsenz und stimmlicher Flexibilität. Galeazzi beeindruckte durch seine schauspielerische Präsenz und seine warme, maskuline Stimme.
Die beiden Tenorpartien Macduff und Malcolm wurden von John Porter und Andrew Gavin mit großem Feingefühl wahrgenommen, der Banco des Bassisten Goran Jurić erschütterte durch seine fast schon übernatürlich-gespenstische Tiefe, welche seinen Auftritt als Geist des Ermordeten vorwegzunehmen schien.
Hervorragend der Chor der Hexen als Teil des Blackwater Valley Festival Chors. Die Gestaltung der Bühne war minimalistisch, das Geschehen fand auf beleuchteten Podesten vor der Fassade eines Neben-Traktes des Schlosses statt. Als Requisiten dienten ein paar eher willkürlich wirkende dürre Äste und ein in seinen Farben wechselnder Reifen aus einer Neon-Lichtröhre, dessen symbolische Bedeutung bis zum Schluss schleierhaft blieb. Die Steinkulisse gewann mit dem Einnachten, als sie eine sozusagen gespenstische Qualität erhielt.
Die Zuschauertribüne erwies sich als wenig befriedigend: ansteigende Reihen von Plastiksesseln unter einem tief hängenden Zeltdach, das vor der als Bühnenbild dienenden Fassade eher etwas klaustrophob wirkte. Umso poetischer, befreiender und beglückender dann der Gang in den herrlichen Blumengarten in der Pause. Erinnerungen an die renommierten englischen Sommer-Opernfestspiele wurden wach – musikalisch kann es Blackwater durchaus mit Glyndebourne aufnehmen…
Dr. Charles E. Ritterband, 31. Mai 2023, für
klassik-beigeistert.de und klassik-begeistert.at
Dirigent: Killian Farrell
Regie: Sarah Baxter
Macbeth: Leonardo Galeazzi
Lady Macbeth: Serenad Burcu Uyar
Banco: Goran Jurić
Macduff: John Porter
Malcolm: Andrew Gavin
Bühne/Kostüme: Francis O’Connor
Licht: Eamon Fox
Irish Chamber Orchestra
Blackwater Valley Opera – Valley Festival Chorus
Wolfgang Amadeus Mozart, Le Nozze di Figaro Glyndebourne, 9. Juni 2022
Georg Friedrich Händel, Rinaldo, Glyndebourne Touring Opera, 29. November 2019
Giuseppe Verdi, Macbeth Nationaltheater, Bayerische Staatsoper, München, 18. Juli 2022