Blu-ray-Rezension:
Ludwig van Beethoven Missa Solemnis
Riccardo Muti
Wiener Philharmoniker
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Rosa Feola
Alisa Kolosova
Dmitry Korchak
Ildar Abdrazakov
Unitel 806604
von Peter Sommeregger
Beethovens großes geistliches Chorwerk, die „Missa solemnis“, hat der Komponist selbst als sein Opus Magnum betrachtet und man ist geneigt, ihm zuzustimmen.
Die über 80 Minuten dauernde Komposition des lateinischen Messtextes, interpretiert durch vier Gesangsolisten und einen umfangreichen gemischten Chor sowie ein Orchester in großer Besetzung, ist eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten, vor allem aber für den Dirigenten. Fast alle große Dirigenten haben sich im Laufe ihrer Karriere an dem Werk versucht, nicht alle mit überzeugendem Erfolg.
Im Rahmen der Salzburger Festspiele 2021 fand im Großen Festspielhaus eine Aufführung mit den Wiener Philharmonikern und der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor unter Riccardo Muti statt, die nun auf Blu-ray erschienen ist.
Muti steht auch ein vorzügliches Solisten-Quartett zur Verfügung, die Solo-Partien nehmen es durchaus mit großen Opernpartien auf, wenn es um den Schwierigkeitsgrad geht. Muti setzt vom Beginn an sehr breite Tempi, gestaltet die einzelnen Abschnitte auffallend lyrisch. Das hat seinen Reiz, nimmt aber streckenweise dem Werk seine Wucht und Unbedingtheit.
Denkt man an Karajans Einspielung von der Mitte der 1960er Jahre, die stark nach großer Oper klang, so vermisst man in Mutis Dramaturgie ein wenig die Durchschlagskraft und Dramatik, die in dem Werk durchaus angelegt ist. Er erreicht damit große Transparenz des Klanges, gleichzeitig vermisst man aber das Setzen markanter Akzente.
Das Solistenquartett, bestehend aus Rosa Feola mit glasklarem, feinem Sopran, Alisa Kolosova mit sonorem Mezzo, Dmitry Korchak mit nicht sehr kraftvollem Tenor und Ildar Abdrazakov mit kernigem Bass, kann seine vokalen Qualitäten zwar unter Beweis stellen, wird aber nicht so markant herausgestellt wie beispielsweise in Karajans Aufnahme, die allerdings auch mit Jahrhundertstimmen (Janowitz, Ludwig, Wunderlich) besetzt war.
Es ist natürlich Geschmacksache, ob man das Werk lieber introvertiert oder in pointierterer Form hören will. Das Spitzenensemble der Wiener Philharmoniker hat es bereits unter den verschiedensten Dirigenten aufgeführt, ist mit der Partitur bestens vertraut, bei Beethoven kann man diesem wunderbaren Klangkörper nichts mehr beibringen, das ist deren DNA.
Sehr differenziert auch der Wiener Staatsopernchor, der bestimmt noch wuchtiger klingen könnte, wenn Muti es gewollt hätte. So ordnet er sich einer etwas zurückgenommenen Interpretation unter, die aber durchaus ihren Reiz hat, und schöne, zarte Momente hat.
Auffallend sommerlich und geschmacksfrei gekleidet das Publikum im großen Salzburger Festspielhaus in dieser Matinee, bei der allerdings auch die Ausführenden (lange Abendroben der Solistinnen) nicht ganz passend gekleidet waren. Kleiderordnung war gestern…
Peter Sommeregger, 23. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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