Thielemanns Wiener „Lohengrin“: Es gibt nichts Richtiges im Falschen

Blu-ray: Richard Wagner, Lohengrin  klassik-begeistert.de, 24. September 2025

Blu-ray Besprechung:

Richard Wagner
Lohengrin

Jossi Wieler & Sergio Morabito  Regie

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Christian Thielemann  Dirigent

Unitel C major 769504

von Peter Sommeregger

An der Wiener Staatsoper hat man seit Wieland Wagners legendärem „blauen“ Lohengrin von 1965 kein rechtes Glück mit den Regisseuren dieser für das Repertoire so wichtigen Oper.

Im Jahr 2024 versuchte sich das Team von Jossi Wieler, Sergio Morabito und der Ausstatterin Anna Viebrock an dem Stück. Über das Resultat breitet man besser den Mantel des Schweigens. Elsa zieht in der Schluss-Szene einen Zombie von Bruder aus dem Wasser, der sie zum Dank dafür mit Lohengrins Schwert ersticht. Das muss reichen, um auch diese Regiearbeit ganz schnell wieder vergessen zu machen.

An der Sängerbesetzung wurde freilich nicht gespart, die sechs Solisten kann man durchaus zur Spitzenklasse zählen. Georg Zeppenfeld ist ein altersmilder, stimmlich aber nach wie vor sehr präsenter König Heinrich, ein wenig unstet in der Gesangslinie der Heerrufer des Attila Mokus.

Den Part des schwachen Bösewichtes Telramund füllt Martin Gantner mit markantem Bariton optimal aus, ein Plus seine Textverständlichkeit und sein ungewöhnliches Ausdrucksspektrum. Adäquate Partnerin ist die Ortrud Anja Kampes, die der mörderischen Zwischenfach-Partie starke persönliche Akzente verleiht. Sie füllt die Rolle nicht nur vokal bestens aus, ihr stets unterkühltes, aber intensives Spiel macht sie zum Kraftzentrum des Abends.

Eine angenehme Überraschung ist Malin Byström als Elsa. Ihr flirrender, aber technisch sicherer Sopran hat genau das richtige Elsa-Timbre, zwischen lyrischer Süße und dramatischer Durchschlagskraft gelingt ihr eine beeindruckende vokale Leistung.

David Butt Philip ist Wiens neuer Lohengrin. Der Brite ist in den letzten Jahren im ranking der erfolgreichen Tenöre weit nach vorne gerückt. Was für ihn einnimmt, ist seine Textverständlichkeit und eine klare Gesangslinie. Sein Material ist eher unspektakulär, aber er versteht es, klug damit umzugehen. Ein Manko sind lediglich die fehlenden Farben seines Tenors.

Alle Protagonisten geben sich spielfreudig, die Personenführung ist auch das einzige Plus der Regie. Das setting an einem tristen Stauwehr des Wien-Flusses ist ebenso trostlos, wie die weitgehend geschmacksbefreiten Kostüme. Die Umdeutung der Handlung, die Elsa eben sehr wohl zur Brudermörderin macht, ist inakzeptabel. Niemals hätte Wagner Elsa mit dieser Art von Musik bedacht, wäre sie schuldig gewesen.

Damit sind wir beim umjubelten Star des Abends, dem Dirigenten Christian Thielemann, der sich anschickt, die inoffizielle Position des Welt-Generalmusikdirektors einzunehmen. Und nachdem nichts so erfolgreich ist, wie der Erfolg, erhält er natürlich Ovationen. Sicher, es ist Musizieren auf höchstem Niveau, er entlockt dem Orchester der Wiener Staatsoper wahre Zaubertöne und die Transparenz des Vorspiels allein ist schon eine Spitzenleistung.

Durch das Ärgernis der entstellenden Regie fällt aber auch ein Schatten auf Thielemanns Leistung. Er lässt es zu, dass das Vorspiel bei geöffnetem Vorhang schon den verdrehten Denkansatz des Regieteams platzieren kann.

Wer, wenn nicht Thielemann oder einige wenige Sänger hätten es in der Hand, der Verunstaltung des Opernrepertoires entgegenzuwirken? Wer sonst könnte den Regisseuren wieder den „dienenden“ Platz in der Oper zuweisen? Dass Thielemann hier und anderswo seine Stimme nicht entsprechend erhebt, ist mehr als bedauerlich. Es gibt schließlich nichts Richtiges im Falschen, was nützt ein Spitzendirigat, wenn es  durch eine unsinnige Regie abgewertet wird?

Peter Sommeregger, 24. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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