Neue Erkenntnisse über die Familie Wagner zeigen ein beschädigtes Leben

Buch-Rezension: Eva Rieger, Isolde, Wagners Tochter  Klassik-begeistert.de

Man fröstelt förmlich beim Lesen dieser Briefe, die dem Bild Cosima Wagners doch sehr negative Aspekte hinzufügen. Eva Rieger gelingt es, trotz dem streng an Fakten und Dokumenten orientierten Aufbau dieser Biographie ein gut lesbares, ja spannendes Buch vorzulegen, das durchaus neue Aspekte in der Beurteilung verschiedener Vorgänge in der Familie Wagners enthält. Vor allem in künftige Biographien Cosimas sollten die hier gewonnenen Erkenntnisse einfließen.

Eva Rieger
Isolde
Richard Wagners Tochter

Insel

 von Peter Sommeregger

Über das Genie Richard Wagner wurde schon zu seinen Lebzeiten umfangreich publiziert, die Zahl von Veröffentlichungen, die sich mit allen Aspekten seiner Kunst und seines Lebens befasst, ist schier unüberschaubar. Die Geschichte der Familie Wagner verlief aber auch nach dem unerwarteten Tod des Meisters 1883 in Venedig ungewöhnlich und bewegt.

Wagners Witwe Cosima, die ihren Gatten um ganze 47 Jahre überlebte, und der kapriziöse Sohn Siegfried wurden ebenfalls in unzähligen Publikationen behandelt, wogegen Wagners Töchter Isolde und Eva, die noch während Cosimas Ehe mit Hans von Bülow geboren wurden, weniger beachtet wurden. Im Fall der Tochter Eva ist das eher nachvollziehbar, da diese außer durch ihre späte Ehe mit dem rechten Schriftsteller H.S. Chamberlain nicht sonderlich in Erscheinung trat.

Anders liegen die Dinge bei Isolde, die Wagners erstes leibliches Kind war,  deren Geburt ihn hoch erfreute und die ein sehr geliebtes Kind war. Die Tatsache, dass Richard Wagner nach seiner Eheschließung mit Cosima die beiden Töchter nicht offiziell legitimierte und ihnen zum Namen Wagner verhalf, blieb für Evas späteres Leben folgenlos, für Isolde wurde es am Ende zum Verhängnis.

Die Musikwissenschaftlerin Eva Rieger, die bereits mit mehreren Publikationen über Wagner und Mitglieder seiner Familie erfolgreich war, zeichnet nun auch den tragischen Lebensweg Isolde Beidlers nach, wie sie nach ihrer Heirat mit dem Schweizer Dirigenten Franz Beidler hieß. Beidlers Erfolge als Dirigent, die er auch bei den Bayreuther Festspielen errang, weckten Siegfried Wagners Neid, er musste befürchten, in seinem Schwager einen ernsthaften Konkurrenten zu finden. Unterstützt von seiner Mutter Cosima wurde über die Zeit eine systematische Zurücksetzung und Abwertung der Eheleute Beidler inszeniert, die in der Folge nicht nur Beidlers hoffnungsvoll begonnene internationale Karriere torpedierte, darüber hinaus aber auch die Ehe der Beiden unterwanderte. Als Isolde schließlich die Vaterschaft Wagners gerichtlich klären wollte, fiel ihr die eigene Mutter mit der schamlosen Lüge in den Rücken, Isolde wäre nicht Wagners, sondern Bülows Tochter. Von dieser Demütigung erholte sich Isolde nicht mehr, und starb nach langer Krankheit bereits mit 54 Jahren verbittert und von ihrem Ehemann getrennt.

Eva Rieger konnte bei dieser Biographie erstmals auf das private Archiv der Familie Beidler zurückgreifen, das von Dagny Beidler, Isoldes einzigem Enkelkind, gehütet wird. Eine große Zahl von Briefen Cosimas an Schwiegersohn und Tochter werden so erstmals öffentlich und sind auch für die Biographie Cosimas von Bedeutung, da sie in erschütternder Weise die perfiden Manipulationen belegen, mit denen sie ihre Zwecke zum Vorteil ihres Sohnes verfolgte. Man fröstelt förmlich beim Lesen dieser Briefe, die dem Bild Cosima Wagners doch sehr negative Aspekte hinzufügen.

Eva Rieger gelingt es, trotz dem streng an Fakten und Dokumenten orientierten Aufbau dieser Biographie ein gut lesbares, ja spannendes Buch vorzulegen, das durchaus neue Aspekte in der Beurteilung verschiedener Vorgänge in der Familie Wagners enthält. Vor allem in künftige Biographien Cosimas sollten die hier gewonnenen Erkenntnisse einfließen.

Ein hoch interessantes Buch, das mit neu veröffentlichten Dokumenten  eine Lücke der Wagner-Literatur schließt.

Peter Sommeregger, 19. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt 100: Siegfried Wagner – von der Schwierigkeit, Sohn zu sein

Die Wagner-Droge – Bemerkungen zu Alex Ross‘ „Die Welt nach Wagner“

Blu-ray Rezension: Richard Wagner Tristan und Isolde klassik-begeistert.de

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert