„Hast Du nie überlegt, Oma, wofür all diese Wesen – Motten, Silberfischchen oder… oder Holzkäfer - existieren?“

Buchbesprechung: Jonas und Holzkäfer Anobius  klassik-begeistert.de, 31. Januar 2025

Foto: privat

Buchbesprechung:

Hast Du nie überlegt, Oma, wofür all diese Wesen- Motten, Silberfischchen oder…oder Holzkäfer – existieren?

Wenn Sie schon leben, muss es doch Sinn machen. Warum soll man sie gleich töten?“

Jonas und Holzkäfer Anobius
Autorin:   Yolanda Oudot

Erschienen: 2024 im Novum Verlag

Lesealter: für Kinder ab 8 Jahren

von Kathrin Beyer

Unter uns Menschen leben manchmal noch schlimmere Schädlinge als ihr. Diese führen Kriege, töten andere Menschen, legen Bomben oder tun andere dumme Dinge.

Der Schaden, den ihr alle verursacht, ist gering im Vergleich dazu, wie Menschen sich selbst schaden

Jonas muss in den Sommerferien zu seiner Oma, weil seine Eltern ihren Urlaub zum Renovieren der Wohnung nutzen. Alles in ihm sträubt sich dagegen, er will seine Ferien mit Freunden und abenteuerlich verbringen. Aber welcher Zehnjährige kommt schon gegen Elternwillen an? Jonas jedenfalls nicht und so landet er in Omas altem Haus. Die betagte Dame scheint das Haus nicht zu verlassen und redet viel über lange Vergangenes. Es regnet und weil durch die dicken Mauern kein Internet dringt, langweilt sich Jonas ganz fürchterlich und wird schon zeitig ins Bett geschickt. In den Ferien…man stelle sich das vor!

Doch kaum hingelegt, hört er ein leises toc- toc- toc. Er macht sich auf die Suche nach dem Ursprung dieses merkwürdigen Geräusches…

…und ab jetzt hat Jonas keine Langeweile mehr. Er trifft auf den Holzkäfer Anobius, der die Magie des alten Hauses nutzen und Jonas auf Käfergröße schrumpfen lassen kann…

Eine interessante Reise durch die Welt der vermeintlichen Schädlinge dieses Gebäudes beginnt und Jonas lernt Lepisma, Attagenus, Tineola und andere Bewohner von Mehltüten, altem Brot und Trockenobst kennen und mögen. Die Freundschaft und aller Leben gerät in Gefahr, als Forficula, seines Zeichens mafiöser Ohrwurm, auftaucht und die kleine Gemeinschaft bedroht…

Die kurze Erzählung (117 Seiten) greift ein interessantes Thema auf.

Wer legt fest, wessen Leben schützenswert ist und wessen nicht und welche Maßstäbe werden bei der Beurteilung angelegt?

Jonas sagt an einer Stelle zu seinen neuen Freunden:

„Unter uns Menschen leben manchmal noch schlimmere Schädlinge als ihr. Diese führen Kriege, töten andere Menschen, legen Bomben oder tun andere dumme Dinge.

Der Schaden, den ihr alle verursacht, ist gering im Vergleich dazu, wie Menschen sich selbst schaden.“

Nun, da hat er Recht und nimmt man dies als Maß der Dinge, müssten Silberfischchen & Co uralt werden, während wir uns vor dem Zerquetschtwerden hüten sollten. In diesem Kontext muss die Frage erlaubt sein, warum ausgerechnet der (den eigenen Lebensraum zerstörende) Mensch alles vernichtet, was krabbelt, vermeintlich eklig ist oder Löcher ins Holz frisst.

Dem Leser werden einige im Haus lebende „Schädlinge“ (manche richten keine Schäden an, sondern werden einfach als eklig wahrgenommen) vorgestellt, einige davon sind echte Typen, z. B. Tineola, die singende Kleidermotte, die der Meinung ist, wenn sie umherfliegt und die Menschen in die Hände klatschen, würden diese ihrem göttlichen Gesang Beifall spenden. (Die Namen der Insekten sind die korrekten wissenschaftlichen lateinischen Bezeichnungen; dies als Information am Rande.)

Das Thema Freundschaft und Zusammenhalt wird thematisiert und auch, dass sich ein vermeintlicher Feind nicht zwingend feindlich verhalten muss.

Am Ende vergeht Jonas‘ Zeit bei der Oma schneller als erwartet.

Dies ist das erste Buch der Autorin, sozusagen eine Übung, wie sie mir bei einem sehr angenehmen Telefonat erzählte. Deutsch ist nicht ihre Muttersprache. Erst im Alter von dreißig Jahren begann sie im Goethe Institut Krakau, unsere Sprache zu lernen. Frau Oudot ist Autorin auf diesem Blog und schrieb das Buch unter Pseudonym. Durch die Zusammenarbeit mit klassik-begeistert, konnte sie ihre deutsche Schriftsprache so verbessern, dass sie sich an dieses Buch wagte, verriet sie mir. Sie schrieb es nicht in ihrer Muttersprache, um es dann ins Deutsche übersetzen zu lassen! Das nötigt mir großen Respekt ab.

Fazit:

In einer Zeit, in der körperliche Unversehrtheit immer weniger wert scheint, ist dieses Buch eine Erinnerung daran, dass das Leben eines jeden Geschöpfes, auch des Allerkleinsten, schützenswert ist. Es berührt, den gedankenlosen Umgang der Menschen mit schwachen Geschöpfen aus deren Perspektive zu sehen.

Ein überraschendes Buch!

Kathrin Beyer, 30. Januar 2025, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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