Richard Wagner hatte ein großes Herz für vier Pfoten

Buchbesprechung: Richard Wagners Hunde  klassik-begeistert.de, 30. August 2023

Buchbesprechung „Richard Wagners Hunde“. Anhand von Zeitdokumenten porträtiert von Franziska Polanski

von Jolanta Łada-Zielke

Es gibt wohl keinen anderen Komponisten auf der Welt, bei dem man über jeden Aspekt seines Lebens ein separates Buch schrieb. Alex Ross [1] behauptet, in Richard Wagners Schaffen können die Vertreter völlig anderer und sogar gegensätzlicher Tendenzen etwas Eigenes finden. Die Rechten, die Linken, Anarchisten, Sozialisten, Feministinnen, Homosexuelle und sogar Umweltaktivisten hielten ihn für ihren Vorläufer. Nach der Lektüre des Buches „Richard Wagners Hunde“ von Franziska Polanski füge ich dieser Liste die Hundeliebhaberei hinzu.

Bevor ich das gelesen habe, beschränkte sich mein Wissen über Richard Wagners vierbeinige Freunde auf Neufundländer, besonders auf Russ, der neben seinem Herrchen im Garten der Villa Wahnfried begraben ist. Es stellt sich jedoch heraus, dass sich unter den Haustieren des Bayreuther Meisters auch der Zwergspaniel Peps befand, der ihm bei der Arbeit in Dresden und in Zürich assistierte, und den der Komponist „Söhnlein“ nannte. Dazu kam der kleine Bologneser Fips, den Mathilde Wesendonck Wagner schenkte.

Später tauchte der Pinscher Kos auf, den Cosima mit nach Tribschen brachte, und der Russ Gesellschaft leistete. Die weiteren Hunde waren der zugelaufene Zwergpinscher Fitzo, sowie der schottische Seidenpudel Putz – ein echter Vertreter der Hunde-Aristokratie. Als die interessanteste finde ich die Hündin Brange, eine weiße Neufundländerin. Aber jedes dieser Tiere war eine einzigartige Persönlichkeit.

In anderen Publikationen über Wagner erwähnt man gelegentlich seine Liebe zu Tieren. Hier jedoch haben wir einen breiten Abschnitt seiner Biografie als einen empathischen Tierfreund, Tierliebhaber, oder sogar „Tiermensch“, auf den sich Tierschützer berufen können. Die Autorin betrachtet das Thema aus einer breiten Perspektive, weil sie über eine umfassende Ausbildung verfügt: Sie hat Medizin, Deutsch, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften studiert. Ihre Mutter war mit Gertrud Wagner befreundet. Als Motto nahm Franziska Polanski Siegfrieds Worte: „Da lernt’ ich wohl, was Liebe sei“. Dieses Zitat sagt alles. Was Wagner für Hunde empfand, waren tatsächlich Liebe und Respekt, keine momentane Laune des Künstlers. Man könnte ihm nur vorwerfen, ein nicht konsequenter Vegetarier gewesen zu sein.

Das Vorwort verfasste Daphne Wagner, die Frau Polanski beim Schreiben des Buches unterstützte und ihr half, einige Materialien zu beschaffen. Die Autorin widmet jedem Hund ein eigenes Kapitel. Wenn kein Foto oder Porträt eines bestimmten Hundes aufbewahrt wurde, befindet sich im Buch eine Holzschnittreproduktion mit dem Bildnis eines Vertreters der jeweiligen Rasse, damit man sich ihn besser vorstellen kann. Die Leser finden dort ebenfalls Fragmente der Briefe und Auszüge aus der Autobiographie Wagners „Mein Leben“, die sich auf seine vierbeinigen Freunde beziehen. Zum Schluss gibt es den Beitrag von Tilman Spengler „Herein mit den Hunden“.

Die Autorin schildert die Abstammung jedes Hundes: seine Lebensdaten, Herkunft, Rasse, wie er in die Familie Wagner kam, wo er sich mit dem Komponisten aufhielt, und welche Phasen seines Schaffens er begleitete. Außerdem gibt es dort fachkundige kynologische Anmerkungen zu einzelnen Rassen. In dem Kapitel über Putz geht Polanski auf das Thema Hundesteuer in Deutschland ein. Sie erzählt einfach und anschaulich, wie bei einem Vortrag.

Cosima mit Russ, Tuschfederzeichnung von dem Bassbariton Franz Mazura (1924-2020) (c) Implizit-Verlag

Neben bewegenden Beschreibungen gibt es im Buch traurige oder dramatische Geschichten, wie der aus Riga mitgebrachte Robber Richard und Minna in Paris entkam. Dies beschrieb Wagner in seiner Erzählung „Ein Ende in Paris“. Während seines Aufenthalts in Biebrich setzte sich der Komponist für die Bulldogge Leo ein, der seinem Vermieter gehörte. Der Besitzer hielt den Hund an einer Kette, ernährte ihn kaum und legte ihm kein Stroh an den Schlafplatz. Als der Komponist eines Tages den Hund reinigte, biss ihn das Tier reflexartig am rechten Daumen. Infolgedessen entwickelte sich eine Knochenhautentzündung und Wagner musste die Arbeit an „Die Meistersinger…“ für zwei Monate unterbrechen. Polanski stellt Wagner als Verteidiger der Tiere dar, zitierend Auszüge aus seinem Offenen Schreiben an Herrn von Weber, Verfasser der Schrift „Die Folterkammer der Wissenschaft“ (1879).

Wahrscheinlich spielten die Hunde für Wagner zunächst die Rolle des Kinderersatzes, weil seine Ehe mit Minna ohne Nachwuchs war. Auch als Cosima auftauchte, die bereits zwei Töchter hatte, und noch drei Kinder von dem Komponisten bekam, verschwanden die Hunde nicht aus ihrem Leben, im Gegenteil. In der Villa Wahnfried begann ihre Zucht und Vermehrung zu blühen, vor allem dank dem äußerst fruchtbaren Neufundländer namens Marke. Die Krankheit und der Tod jedes seines Vierbeiners waren für Richard ein tragisches Erlebnis, egal, wie lange das Tier bei ihm gelebt hatte. Wenn er es konnte, pflegte er sie würdig zu begraben, was manche Menschen in seinem Umfeld als bizarr empfanden.

Anhand dieses Buches könnten die Organisatoren der Wissenswettbewerbe über das Leben und Werk Richard Wagners folgende Aufgabe formulieren: Alle Hunde des Komponisten in der Reihenfolge, mit Namen und Rassebezeichnung aufzulisten. Es waren mindestens zwölf, die mit Richard Wagner zusammenlebten. Im letzten Kapitel erwähnt die Autorin weitere mit Familie Wagner verbundenen Hunde; sowohl die befreundeten als auch Abkömmlinge, die die Namen von Charakteren aus dem „Ring des Nibelungen“ tragen. Auf den letzten Seiten sieht man Fotos von Vertretern der aufeinanderfolgenden Wagner-Generationen mit ihren vierbeinigen Lieblingen.

Meine Lieblingstiere sind eigentlich Katzen und Eichhörnchen, aber ich mag auch große Hunde. Von Wagners Menagerie würde ich mich wahrscheinlich mit Robber, Pohl, Russ, Marke, Brange oder Molly anfreunden, eher nicht mit Peps, oder Putz, der sich wie eine kleine Diva aufführte. Dieses Buch hat jedoch mein Wissen über meinen Lieblingskomponisten bereichert, vor allem, was seinen sensiblen, für das Elend der Tiere empfänglichen Charakter betrifft.

Vielleicht würde ein kynologischer Verein Richard Wagner zu ihrem Schirmherrn machen?

Jolanta Łada-Zielke, 30. August 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Ich möchte mich bei der Autorin Franziska Polanski für die Bereitstellung der Illustrationen zu diesem Beitrag herzlich bedanken.

Richard Wagners Hunde. Anhand von Zeitdokumenten porträtiert von Franziska Polanski

Implizit Verlag, 2017
ISBN 978-3-00-057808-3

[1] Alex Ross, Die Welt nach Wagner.

Ladas Klassikwelt 99: Eine Fledermaus fliegt durch das Festspielhaus 20. Oktober 2022

Buchbesprechung: „Der Platz für Götter. Richard Wagners Wanderungen in der Schweiz“ von Eva Rieger und Hiltrud Schroeder klassik-begeistert.de 7. Oktober 2022

Buchbesprechung: Sabine Zurmühl „Cosima Wagner. Ein widersprüchliches Leben“ klassik-begeistert.de, 17. September 2022

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