Giordanos „Siberia“ beim Maggio Musicale Fiorentino: Graue Mäuse im Permafrost

DVD-Rezension:

Umberto Giordano  SIBERIA

Orchestra e Coro del Maggio Musicale Fiorentino
Gianandrea Noseda

DYNAMIC 57928

von Peter Sommeregger

 Die Opern Umberto Giordanos erleben außerhalb Italiens mit Ausnahme des „Andrea Chénier“ nur selten Aufführungen, was man in Anbetracht ihrer musikalischen Qualitäten bedauern muss.

In Florenz hat man am 7. Juli 2021 eine neue Produktion von „Siberia“ vorgestellt. Dieses düstere Werk hat den freiwilligen Opfergang einer Frau zum Thema, die ihrem Geliebten, der ihretwegen zum Mörder wurde, in die Verbannung nach Sibirien folgt. Der Handlungsablauf ist gut gegliedert, zwei der drei Akte spielen bereits in Sibirien und sind entsprechend von grauer Tristesse gezeichnet. Giordanos Musik spricht aber eine ganz andere Sprache, die starken Emotionen speziell der Hauptfigur Stephana und ihres Geliebten Vassili finden in großen melodischen Bögen ihren Ausdruck. Auch der grimmige Bösewicht Glèby wird vom Komponisten gut charakterisiert, selbst den Nebenrollen wird durchaus musikalisches Profil verliehen.

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Jakub Józef Orliński : Vivaldis Stabat Mater – eine gesanglich großartige Leistung mit verstörendem Video

Vivaldi
Stabat Mater

Jakub Józef Orliński

Capella cracoviensis
Jan Tomasz Adamus

Erato 0190295060701

von Peter Sommeregger

 Der gefeierte polnische Countertenor Jakub Józef Orliński hat sich mit dieser Einspielung von Vivaldis Sakralwerk selbst einen lange gehegten Wunsch erfüllt. Er hatte das Stück schon mehrfach in Konzerten gesungen, zu der Plattenaufnahme kam es erst durch die in der Corona-Pandemie plötzlich zur Verfügung stehende Zeit.

Mit dem Ensemble Capella cracoviensis unter dem Dirigenten Jan Tomasz Adamus fanden die Tonaufnahmen im Juli 2020 in einem Krakauer Theater statt. Die Raumakustik scheint nicht ideal zu sein, es stellt sich ein etwas halliger Effekt ein, Orlińskis Stimme, die reich an Obertönen ist, kommt nicht optimal zur Geltung. „CD-Rezension: Vivaldi Stabat Mater, Jakub Józef Orliński,
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Martin Plüddemanns Balladen: Eine lohnenswerte Entdeckung

CD-Rezension:

Martin Plüddemann

„Balladen, Lieder und Legenden“ 

Ulf Bästlein  Bariton
Hedayet Jonas Djeddikar  Piano

NAXOS 8.551460-61

 von Peter Sommeregger

Der Name des Komponisten Martin Plüddemann dürfte heute höchstens noch Musikwissenschaftlern bekannt sein. Sein Werk, das hauptsächlich aus Balladen und Gesängen im Stile seines Vorbildes Carl Loewe besteht, geriet im Laufe des 20. Jahrhunderts im Gegensatz zu dem Loewes fast völlig in Vergessenheit.

Dabei hatte Plüddemann einen durchaus eigenständigen Stil kreiert und die gesungene Ballade weiterentwickelt. Neben kurzen pointierten Liedern finden sich geradezu ausladende Balladen von annähernd zwanzig Minuten Länge. Der Komponist fühlte sich berufen, die Tradition Loewes fortzusetzen und wurde nicht müde, seine Kompositionen selbst vorzutragen, wobei er sich selbst am Klavier begleitete. 1854 in Kolberg geboren, hatte er mehrfach intensiven Kontakt zu Richard Wagner und wurde zu einem seiner größten Bewunderer. Seine eigenen Kompositionen sind davon aber nicht wirklich beeinflusst.

In zwei Schaffensperioden komponierte er auf Texte Goethes, Heines, Wilhelm Müllers, Uhlands über 40 Balladen, darunter sehr originelle Titel wie „Loewes Herz“, das die tatsächlich stattgefundene separate Beisetzung von Carl Loewes Herz über der Orgel des Stettiner Domes thematisiert. Eine andere ist eine Huldigung an den toten Arthur Schopenhauer an dessen Bahre. Aber auch heitere Lieder wie „Die Katzen und der Hausherr“ gelangen ihm vortrefflich. Der Komponist starb bereits 1897 im Alter von nur 43 Jahren. „CD-Rezension: Martin Plüddemann, Balladen, Lieder und Legenden,
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Sondra Radvanovsky singt die drei Donizetti-Königinnen: Drama Baby, Drama!

Gaetano Donizetti    The three Queens

Sondra Radvanovsky
Orchestra and Chorus of the Lyric Opera of Chicago
Riccardo Frizza

Pentatone PTC 5186 970

von Peter Sommeregger

Der erfolgreiche Opernkomponist Donizetti hat neben vielen anderen erfolgreichen Werken auch Opern über die Königinnen Ann Boleyn (Bolena), Maria Stuart (Stuarda) und Elizabeth I. von England (Roberto Devereux) geschrieben. Die Interpretin der Titelrollen wird in allen drei Opern extrem gefordert, von je waren und sind sie bei Primadonnen des Belcanto sehr beliebt.

Die amerikanische Sopranistin Sondra Radvanovsky reiht sich mit ihrer Interpretation in eine lange Tradition ein. An einem ihrer Stamm-Opernhäuser, in Chicago, sang sie in Konzert-Aufführungen die Finali aller drei Opern, dabei unterstützt vom Chor und Orchester der Lyric Opera of Chicago und Solisten aus dem Ensemble. Der so genannte Zyklus der „Tudor-Queens“ ist historisch nicht ganz korrekt in der Benennung. Ann Boleyn war nur eine angeheiratete Tudor, Maria Stuart entstammte dem Geschlecht der Stuarts. „CD-Rezension: Gaetano Donizetti, The three Queens
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Tomasz Koniecznys emotionale Deutung von Gustav Mahlers und Aleksander Nowaks Liederzyklen

Foto: Tomasz Konieczny (c)

Apocalypse
Tomasz Konieczny  Bass-Bariton

Lech Napierala  Klavier

Gustav Mahler  Kindertotenlieder
Aleksander Nowak  Songs to Baczyński’s Poems

DSI 0002

 von Peter Sommeregger

 Der international gefeierte polnische Bass-Bariton Tomasz Konieczny legt mit dieser CD ein höchst persönliches Tondokument vor. In Zusammenarbeit mit dem National Centre for Culture Poland (NCC) wurde das Programm im November 2021 beim 3. Internationalen Eufonie-Festival aufgeführt, später in den Studios des Polnischen Rundfunks in Warschau für die CD eingespielt. „CD-Rezension: Tomasz Koniecznys emotionale Deutung von Gustav Mahlers und Aleksander Nowaks Liederzyklen“ weiterlesen

Dieser„Don Giovanni“ aus London ist ein Fest großer Stimmen

DVD-Rezension:

W.A. Mozart   Don Giovanni
Chor und Orchester des Royal Opera House Covent Garden

Hartmut Haenchen  Dirigent
Kaspar Holten  Regie

Opus Arte OABD 7295D

 von Peter Sommeregger

Die Londoner „Don Giovanni“-Inszenierung Kaspar Holtens erfreut sich schon längere Zeit großer Beliebtheit. Der aktuell bei Opus Arte erschienene Mitschnitt stammt von einer Wiederaufnahme im Jahr 2019.

Der Titelheld ist in Holtens Lesart selbst in jenen Szenen auf der Bühne präsent, in denen er nichts zu singen hat. Damit wird klar, dass der Fokus dieser Inszenierung eindeutig auf Don Giovanni liegt. Was ein wenig befremdet, ist das Agieren der drei Damen, die – entgegen dem Libretto – offenbar doch mit ihm intim werden, speziell im Fall Donna Anna irritieren Gesten, die eine andere Geschichte erzählen. Aber das ist eben künstlerische Freiheit. „DVD-Rezension: W.A. Mozart, Don Giovanni, Royal Opera House Covent Garden,
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Schostakowitsch flüchtet sich in Zynismus

CD-Rezension

Schostakowitsch

Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr.1
Symphonie Nr.9

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Mariss Jansons

BR Klassik 900202

von Peter Sommeregger

Ein Blick auf die Opuszahlen dieser beiden Werke von Dmitrij Schostakowitsch weist auf die gänzlich unterschiedliche Entstehungszeit hin, aber trotzdem ähneln sie sich. Sie parallel in einem Konzert aufzuführen, macht also Sinn. Tatsächlich stammen die hier gekoppelten Live-Mitschnitte aber aus zwei unterschiedlichen Konzerten.

Das spritzige, höchst originelle Klavierkonzert von 1933 spielt auf witzige Art mit der traditionellen Form dieses Genres. Der erst 26-jährige Komponist gibt sich hier unbekümmert respektlos, streut musikalische Zitate ein und gibt bereits einen Vorgeschmack auf die weitere Entwicklung des Komponisten. In dem Konzert vom Oktober 2012 im Münchner Herkulessaal sind der Pianist Yefim Bronfman und der Trompeter Hannes Läubin die Solisten. Ihnen gelingt eine virtuose Wiedergabe mit Hilfe des Dirigenten Mariss Jansons  und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zur hörbaren Freude des Publikums. „CD-Rezension: Schostakowitsch, Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr.1, Symphonie Nr.9,
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Joyce DiDonatos neue CD: Vielseitigkeit wird zur Beliebigkeit

CD-Rezension:

Joyce DiDonato
EDEN

Erato   0190296465154

von Peter Sommeregger

 Für ihr neues Album greift die gefeierte Mezzosopranistin Joyce DiDonato auf Titel zurück, die aus ganz verschiedenen Epochen der Musikgeschichte stammen. „Eden“ ist ganz deutlich ein Concept-Album, dessen Auswahlkriterien aber doch etwas zu verschwommen sind, um eine klare Linie vorzugeben.

Ein leichtes Übergewicht haben Komponisten des Barock, was der Zusammenstellung gut tut, denn hier liegen die größten Stärken der Sängerin. Im berühmten Largo aus „Xerxes“ von Händel ebenso wie in einer Arie aus dessen „Theodora“ kann man die sonor timbrierte, äußerst modulationsfähige Stimme der Sängerin bewundern. Vertreten ist auch der notorisch unterbewertete Josef Mysliveček mit einem Ausschnitt aus dem Oratorium „Adamo ed Eva“, auch eine Arie aus Cavallis „Calisto“ ist zu hören, ebenso eine Arie von Gluck.

Dazu wollen aber dann zwei Lieder von Gustav Mahler, „Ich atmet einen linden Duft“ und „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ nicht so recht passen, und Richard Wagners „Schmerzen“ aus den Wesendonck-Liedern stehen etwas isoliert. Auch „The Unanswered Question“ von Charles Ives und eine neue Komposition von Rachel Portman „The first Morning of the World“ sind wohl dem angestrebten Konzept des Albums geschuldet, das aber doch recht beliebig wirkt. „CD Rezension: Joyce DiDonato, EDEN,
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„La Forza del Destino“ beim Maggio Musicale: Wie man ein Werk zerstört

DVD- Rezension

Giuseppe Verdi
La Forza del Destino

Orchestra e Coro del Maggio Musicale Fiorentino

Zubin Mehta

DYNAMIC 57930 

von Peter Sommeregger

Diese Aufführung des Maggio Musicale vom Juni 2021 in Florenz konnte nach längerer Pause wieder vor Publikum stattfinden. Die Freude darüber dürfte dem Publikum aber schnell vergangen sein. Für die Inszenierung dieser etwas sperrigen Verdi-Oper zeichnet Carlus Padrissa mit der Katalanischen Theatertruppe Fura  dels Baus. Seit Jahren tourt und inszeniert die Truppe europaweit Werke verschiedener Genres bis hin zur Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona, und wurde vielfach ausgezeichnet.

Was aber aktuell mit dieser Inszenierung dem Publikum zugemutet wird, ist bestenfalls dilettantisch und lässt Einen doch sehr an der Professionalität der Ausführenden zweifeln. Drei Stunden lang wird in nur angedeuteten Bühnenbildern mit Tänzern und Statisten ein Szenario entwickelt, in dem die Solisten der Oper hilflos, von der Regie völlig im Stich gelassen herumirren. Zwei Schritte rechts, zwei Schritte links, mehr wird nicht gewagt. Dazu müssen die Sänger Kostüme tragen, die von erlesener Geschmacklosigkeit sind. Italiener, berühmt für ihre Geschmacksicherheit, können sich nur mit  Grausen abwenden. „DVD Rezension:Giuseppe Verdi, La Forza del Destino,
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„Francesca da Rimini“: Spitzenproduktion überzeugt auch als Phantomaufführung

Riccardo Zandonai, Francesca da Rimini
Deutsche Oper Berlin, März 2021

Francesca  Sara Jakubiak
Paolo  Jonathan Tetelman
Giovanni lo Sciancato, genannt Gianciotto  Ivan Inverardi
Malatestino dall’Occhio  Charles Workman

Musikalische Leitung  Carlo Rizzi

Inszenierung  Christof Loy

Bühne  Johannes Leiacker

NAXOS NBDO142V

von Peter Sommeregger

Im März 2021 sollte diese, außerhalb Italiens selten gespielte Verismo-Oper an der Deutschen Oper Berlin ihre Premiere haben. Bedingt durch die Corona-Pandemie kam aber nur ein Livestream zustande, man spielte an der Bismarckstraße vor leerem Haus. Die damalige positive Einschätzung der Produktion vertieft sich nun, da NAXOS die Aufführung auf DVD und Blu-ray Disc veröffentlicht.

 Riccardo Zandonais 1914 uraufgeführte Oper „Francesca da Rimini“ erscheint nach ursprünglicher Popularität inzwischen immer seltener auf den Spielplänen der großen Opernhäuser. Das mag zum Teil daran liegen, dass für die Titelrolle zwingend eine Sopranistin zur Verfügung stehen muss, die abgesehen von den erheblichen stimmlichen Anforderungen auch schauspielerisches Talent und Charisma mitbringen muss.

Die Deutsche Oper Berlin geht das Risiko ein, dieses Werk des Verismo nach einer literarischen Vorlage Gabriele D’Annunzios, aus welcher der Spross der Verlegerfamilie Ricordi, Tito Ricordi, das Libretto erarbeitete, auf die Bühne zu bringen. Die Regie legte man in die bewährten Hände von Christof Loy, der beinahe schon so etwas wie der Hausregisseur an der Bismarckstraße ist. Zwar neigt auch dieser Regisseur dazu, Stoffe zu verfremden- ohne detaillierte  Inhaltsangabe wäre man als Zuschauer verloren- gleichzeitig spielt er aber auch seine Stärke aus, nämlich die Fähigkeit zu glaubwürdiger Personenführung. Es gelingt ihm, dem etwas schwülen Renaissancedrama Leben einzuhauchen, und spannungsvolle Momente zu erzeugen. Stimmungsvoll das Bühnenbild von Johannes Leiacker, für das als Hintergrund ein Gemälde von Claude Lorrain gewählt wurde. Typisch für Loy ist das Nebeneinander von historisierenden Kostümen und Alltagskleidung, für die Klaus Bruns verantwortlich zeichnet. „DVD-Rezension: Riccardo Zandonai, Francesca da Rimini,
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