Ricarda Merbeth rettet mit ihrer Senta den Holländer und den Abend in der Staatsoper Hamburg

Ricarda Merbeth © Mirko Joerg Kellner

Die Erkältungswelle macht auch vor Opernaufführungen nicht halt. So musste die vorgesehene Interpretin der Senta, Gabriele Scherer, die dritte und letzte Vorstellung der diesjährigen Serie des “Fliegenden Holländers” an der Staatsoper Hamburg krankheitsbedingt leider absagen. Ricarda Merbeth sprang kurzfristig ein. Als Bayreuth-erfahrene Wagnersängerin tat sie dies hervorragend.

Richard Wagner (1813 – 1883)
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
Romantische Oper in 4 drei Aufzügen

Musikalische Leitung         Ádám Fischer
Inszenierung             Michael Thalheimer

Bühnenbild                               Olaf Altmann
Kostüme                    
            Michaela Barth

Daland            Franz-Josef Selig
Senta                 Ricarda Merbeth
Erik                                 Eric Cutler
Steuermann            Daniel Kluge
Der Holländer       Michael Volle

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Chor der Staatsoper Hamburg (Leitung: Eberhard Friedrich)

 Staatsoper Hamburg, 15. Dezember 2023

von Jean-Nico Schambourg

Die Rezensionen der beiden ersten Aufführungen hatten bei mir große Vorfreude auf das Entdecken der Senta von Gabriele Scherer ausgelöst. Leider kam ich nicht in diesen Genuss, da Frau Scherer wegen einer Erkältung kurzfristig absagen musste. Die Staatsoper Hamburg konnte aber mit tollem Ersatz aufwarten, da Ricarda Merbeth nachmittags eingeflogen wurde, um die Senta zu singen. Dies tat sie fulminant. Die Zuschauer kamen an diesem Abend auf jeden Fall voll auf ihre Kosten trotz der krankheitsbedingten Umbesetzung.

Ricarda Merbeth © Mirko Jörg Kellner

A propos Erkältungen: Leider sagten einige erkältete Opernbesucher den Abend nicht ab und gaben dann ihre Husten-Soli zum Besten, am Liebsten natürlich lauthals und in Piano-Passagen!

„Richard Wagner (1813 – 1883), Der fliegende Holländer
 Staatsoper Hamburg, 15. Dezember 2023“
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Wenn mehr als einen halbe Million Karten verkauft worden sind, kann auch eine um 50 Jahre alte Inszenierung nicht so schlecht sein

Madoka Sugai (Louise), Alexandr Trusch (Günther), Charlotte Larzelere und Karen Azatyan (Lebender Garten), Alessandro Frola (Drosselmeier) und eine überglückliche Ana Torrequebrada mit  den ihr zugeworfenen Blumensträußen

Diesmal tanzte Ana Torrequebrada die Marie, etwas störrisch-pubertärer, widerborstiger, trotziger als sonst üblich. Schließlich war es ja ihr Geburtstag und nicht der ihrer älteren Schwester Louise, die ja vor allem die männlichen Geburtstagsgäste bezauberte und für sich einnahm. Da konnte man Marie verstehen, wenn sie knatschig wurde.

John Neumeiers Ballett Der Nussknacker

341. Vorstellung seit der Premiere am 27. Oktober 1974

Der Nussknacker, Ballett in zwei Akten

Choreographie und Inszenierung: John Neumeier
Bühnenbild und Kostüme: Jürgen Rose
Musik von Peter I. Tschaikowsky

Symphoniker Hamburg, musikalische Leitung: Simon Hewett

Staatsoper Hamburg, Hamburg Ballett, 14. Dezember 2023

von Ralf Wegner

Mittlerweile dürften mehr als eine halbe Million Karten für Neumeiers Version dieses Balletts nach der Musik von Peter Tschaikowsky verkauft worden sein. Und immer noch ist es ein seit annähernd 50 Jahren anhaltender Verkaufsschlager, der für ein ausverkauftes Haus sorgt. Das mag an der eingängigen Musik liegen, an dem schönen Bühnenbild von Jürgen Rose, aber auch an der unkomplizierten Handlung, die das Publikum von der Enkeltochter bis zur Großmutter in eine frohe Stimmung versetzt. „John Neumeiers Ballett Der Nussknacker
Staatsoper Hamburg, Hamburg Ballett, 14. Dezember 2023“
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Der Intendant August Everding gewinnt John Neumeier für das Hamburger Ballett

Fotos: August Everding und John Neumeier (aus: Hamburgische Staatsoper, Spielzeit 1974/75; SWR.de 2021)

Serie: 5 Jahrzehnte Hamburg Ballett John Neumeier, Teil I

Als John Neumeier 1973 von August Everding nach Hamburg berufen wurde, entließ er erst noch weitere Tänzerinnen und Tänzer, was anfangs zu einem nicht unerheblichen Rauschen in den damals in Hamburg noch angesiedelten Gazetten führte. Neumeier geriet dabei zeitweilig unter öffentlichen Druck, der sich aber schlagartig im nächsten Jahr mit der Aufführung seines ersten großen Handlungsballetts Romeo und Julia legte.

von Dr. Ralf Wegner

„Serie: 5 Jahrzehnte Hamburger Ballett unter John Neumeier, Teil I
Staatsoper Hamburg, 15. Dezember 2023“
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Michael Volle schmettert den Holländer durch die Hamburger Dammtorstraße, Ádám Fischer deklassiert Kent Nagano im Dirigats-Fernduell

Schlussapplaus Gabriela Scherer © PK

Na also, geht doch: Auch die Dammtorstraße kann Wagner-Stimmung! Ein bärenstarkes Gesangsensemble um Michael Volles schmetternde Titelpartie bringt diesen Hammer-Holländer auf die Bühne, auch Michael Thalheimers packende Inszenierung setzt neue Maßstäbe in Sachen Holländer-Regie.

Der fliegende Holländer
Musik und Libretto von Richard Wagner

Staatsoper Hamburg, 12. Dezember 2023

von Johannes Karl Fischer

Es gibt Inszenierungen, die werden mit jeder Aufführung einfach immer besser. Michael Thalheimers abstrakte, von Seilen geflutete Holländer Inszenierung gehört absolut dazu. Schrieb ich bei der Premiere letztes Jahr noch von einem „beleuchteten Wald an durchsichtigen Gummi-Glasstangen“, so möchte ich diese Aussage jetzt Hals über Kopf von Bord werfen. Ja, das Bühnenbild bewegt sich zweieinhalb Stunden lang nicht von der Stelle. Aber inszeniert wird mit Regie und nicht mit museumswürdigen Gemälden! „Der fliegende Holländer, Musik und Libretto von Richard Wagner
Staatsoper Hamburg, 12. Dezember 2023“
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Es ist Liebe – Madoka Sugai und Alexandr Trusch adeln Cathy Marstons Jane Eyre-Choreographie

Alexandr Trusch überreicht Madoka Sugai den zweiten Blumenstrauß (Foto RW)

Alexandr Trusch und Madoka Sugai lassen die von mir an den Pas de deux geübte Kritik vergessen. Bei diesem Paar passt einfach alles. Das Pantomimische verschmilzt mit der tänzerischen Darstellung. Und wenn Jane am Ende zu Rochester zurückkehrt, ist es ein von beiden Seiten tief empfundenes Glück, welches ihnen die Liebe gibt. Klingt kitschig, ist es aber nicht.

Jane Eyre
Ballett von Cathy Marston nach dem Roman von Charlotte Brontë

Bühnenbild und Kostüme: Patrick Kinmonth
Musikarrangement und Originalkomposition von Philip Feeney unter Verwendung von Musik von Fanny Hensel, Felix Mendelssohn Bartholdy und Franz Schubert

Die alternative Besetzung mit Madoka Sugai und Alexandr Trusch

Staatsoper Hamburg, 8. Dezember 2023

von Dr. Ralf Wegner

Ida Praetorius und Karen Azatyan mögen vor drei Tagen tänzerisch und darstellerisch den Romanfiguren in Charlotte Brontës Roman mehr entsprochen haben, Madoka Sugai und Alexandr Trusch gelang gestern Abend aber eine darüber hinaus weisende exemplarische Interpretation zweier Liebenden, die manchen Kommentar in meiner vorherigen Rezension erübrigt. „Jane Eyre, Ballett von Cathy Marston
Staatsoper Hamburg, 8. Dezember 2023“
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Wollte Cathy Marston mit ihrer Jane Eyre-Choreographie zeigen, dass männliche Tänzer beim Ballett mehr oder weniger überflüssig sind?

Greta Jörgens (Helen Burns), Ana Torrequebrada (Junge Jane), Christopher Evans (St. John Rivers), Anna Laudere (Blanche Ingram), Karen Azatyan (Edward Rochester), Ida Praetorius (Jane Eyre) (Foto RW)

Leider bleiben auch die Pas de deux der beiden Protagonisten im Oberflächlichen haften. So hat Cathy Marston für den Schluss des Festes im Herrenhaus einen langen, von Eifersucht, Verzeihen, Liebe und Glück handelnden Pas de deux choreographiert, der aber nicht rein tänzerisch, sondern im Detail nur mimisch eingelöst wird. Gerade hier wird schmerzlich deutlich, was wir bald wegen der Emeritierung von John Neumeier vermissen werden: Pas de deux, bei denen die tiefen Gefühle der Beteiligten nur durch Tanzsprache ausgedrückt unmittelbar Zugang zu unseren Herzen finden.

 

Jane Eyre, Ballett von Cathy Marston nach dem Roman von Charlotte Brontë

Bühnenbild und Kostüme: Patrick Kinmonth

Musikarrangement und Originalkomposition von Philip Feeney unter Verwendung von Musik von Fanny Hensel, Felix Mendelssohn Bartholdy und Franz Schubert

Staatsoper Hamburg, 6. Dezember 2023

von Dr. Ralf Wegner

Den viktorianischen Gouvernantenroman Jane Eyre von Charlotte Brontë habe ich nie gelesen, kenne aber eine der vielen Verfilmungen sowie die Kurzfassung der Handlung. Früher nannte man so etwas wohl Lore-Roman oder, so hörte ich es einst von meiner Großmutter, Träumereien für arme Dienstmädchen (sie war eine). Als Ballett aufbereitet kann und muss die Handlung natürlich gekürzt werden und könnte choreographisch auch elegant am Tränensee des Kitsches vorbeisegeln. Das ist Cathy Marston mit ihrer Vertanzung und mit Hilfe der fabelhaften Hamburger Tänzerinnen und Tänzer weitgehend auch gelungen. „Jane Eyre, Ballett von Cathy Marston
Staatsoper Hamburg, 6. Dezember 2023“
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Ich schlage vor, künftig en suite zu spielen

Jane Eyre © Kiran West

Jane Eyre
Ballett von Cathy Marston
nach dem Roman von Charlotte Brontë

Staatsoper Hamburg, 3. Dezember 2023 Premiere

Uraufführung, Northern Ballet, 19. Mai 2016 –  Deutschlandpremiere, Hamburg Ballett, 3. Dezember 2023


von Harald Nicolas Stazol

„Ich sehe, Sie schreiben Kritiken, – wie spricht sich das aus?“ fragt der ehrwürdig-graue Dandy mit den Pailletten-Slippern, gelbgoldener Cartier „Tank“ und dem Lapislazuli-blauen Siegelring neben mir, und jetzt geht es ans Eingemachte:

„Eyrrr-äe“ – „Eier?“ – „EY-rrr-äe! Sie müssen beim r mit Der Zunge unter den Gaumen…“ – „Eier!“ – „rrr“ „Eier?“ – „Genau! richtig!“ rette ich mich, – dann, ich schnappe nach Luft ,„Und wer ist das?“ – „Das versucht die englische Literaturwissenschaft seit 200 Jahren zu ergründen!“ – „Eier?“ – doch da beginnt zum Glück das Ballett, dessen Namen man nicht aussprechen kann – und dessen Bedeutung dieser Abend an der Hamburgischen Staatsoper sprichwörtlich lassen werden wird, vorausgesetzt, hier und heute Abend begreift das noch jemand außer mir und John Neumeier. „Jane Eyre, Ballett von Cathy Marston
Staatsoper Hamburg, 3. Dezember 2023 Premiere“
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Die Wehklagen der Betrogenen: Peter Konwitschnys Hamburger „Don Carlos“ dreht seine letzte Runde mit Bravour

© hvoigt, Luigi De Donato

Giuseppe Verdi
Don Carlos

Libretto: Joseph Méry, Camille du Locle nach Friedrich Schillers Drama “Don Carlos”

Uraufführung:

  1. März 1867, Pariser Oper , Paris (Fassung in französischer Sprache)
  2. Januar 1884, Teatro alla Scala, Mailand (Fassung in italienischer Sprache)

    Inszenierung: Peter Konwitschny (4. November 2001)
    Bühnenbild, Kostüme: Johannes Leiacker
    Licht: Hans Toelstede
    Dramaturgie: Werner Hintze
    Spielleitung: Birgit Kajtna

    Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
    Musikalische Leitung: Leo Hussain
    Chor: Chor und  Extrachor der Hamburgischen Staatsoper
    Chorleiter: Eberhard Friedrich

Staatsoper Hamburg, 26. November 2023

von Dr. Holger Voigt

Eher selten eröffnet sich die Gelegenheit, die originäre französischsprachige Originalversion Giuseppe Verdis Monumentaloper „Don Carlos“ zu erleben. Im Gegensatz zu der 1884 in Mailand uraufgeführten italienischen Fassung „Don Carlo“ folgte der Komponist, der damals in Paris lebte und arbeitete, den seinerzeitigen französischen Usancen der Integration von Zwischenmusiken und Ballett, ohne die eine Oper nicht auf die Bühne gebracht werden konnte. „Giuseppe Verdi, Don Carlos
Staatsoper Hamburg, 26. November 2023“
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Alle Beteiligten führen den 4. und 5. Don-Carlos-Akt bei der Dernière zu einem sternstundenwürdigen Ereignis

Nino Machaidze, Russell Thomas, Katja Pieweck (Foto: RW)

Wie Katja Pieweck mit Modulation ihrer Stimmfarbe und zum Teil verzögerter bzw. schnellerer Tonemission die starken Gefühle, die geradezu überbordende Reue Elisabeth gegenüber, und den inneren Jubel ob des in ihr ausbrechenden Wunsches, den Infanten zu retten, ausdrückte, war phänomenal. Und das alles nur für eine einzige Vorstellung, warum eigentlich, Herr Operndirektor?

Don Carlos
Oper von Giuseppe Verdi in französischer Sprache

Ungekürzte Fassung in 5 Akten und 10 Bildern

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung Leo Hussain

Staatsoper Hamburg, 26. November 2023

von Dr. Ralf Wegner

Nicht nur einzelne oder vielleicht zwei herausragende gesangliche Darbietungen können einem das Gefühl geben, einer gesanglichen Sternstunde beigewohnt zu haben, sondern auch die gleichbleibend hohe Qualität von allen auftretenden Sängerinnen und Sängern.

Das war am Abend des 26. Novembers der Fall. Ich beziehe mich dabei nur auf den 4. und 5 Akt, also auf die letzten zwei Stunden der Aufführung und nicht auf die inszenatorischen Friktionen davor. Davon habe ich vor drei Tagen berichtet. „Don Carlos, Oper von Giuseppe Verdi
Staatsoper Hamburg, 26. November 2023“
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In Peter Konwitschnys überlanger, schwach besuchter Don Carlos-Inszenierung wurde überaus gut gesungen

Foto: Der Vorhang schließt sich nach dem dritten Akt; mit Yeongyou Katharina Jang (Thibault), Eve Maud Hubeaux (Eboli), Nino Machaidze (Elisabeth) Alexey Bogdanchikov (Posa), Alexander Vinogradov (Philipp II.) und Olivia Boen (Stimme vom Himmel) (Foto RW)

Don Carlos
Oper von Giuseppe Verdi in französischer Sprache

Ungekürzte Fassung in 5 Akten und 10 Bildern

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg,
Leitung  Leo Hussain

Staatsoper Hamburg, 23. November 2023


von Dr. Ralf Wegner

Wer hat schon am späten Donnerstagnachmittag Zeit, um in die Oper zu gehen. Sehr viele waren es nicht. Das tat der Begeisterung am Ende keinen Abbruch. Wer die ausgedehnte, mehr als 4 Stunden Nettospielzeit umfassende Inszenierung Konwitschnys bereits kennt und nicht die dafür notwendige Zeit opfern will, sollte trotzdem hingehen, wenigstens nach der zweiten Pause zum 4. Akt, denn dann beginnt das eigentliche Musikdrama erst.

Aus dem dritten, während der Pause als öffentlicher Auftritt inszeniertem Akt: Die Delinquenten werden durch das Foyer getrieben, Königin und König sowie Posa mit Eboli folgen, König und Königin betreten den Zuschauerraum, Carlos mit den Deputierten aus Flandern, Die Deputierten bedrängen die Königin, Carlos erhebt die Waffe gegen den König, Posa kniet vor dem König (Foto: RW)

Zunächst, ich bin kein Freund der französischen Grand Opéra-Fassung. Auf italienisch klingt Verdi einfach besser. Der sog. Fontainebleauakt ist für mich musikalisch verzichtbar, vor allem reduziert er die späteren Liebeskonflikte auf banale Fakten. Man muss bei Verdi nicht erklärt bekommen, warum jemand liebt oder hasst, dass erschließt sich allein aus der Musik.
„Giuseppe Verdi, Don Carlos
Staatsoper Hamburg, 23. November 2023“
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