Claus Guths wegweisende Frau-ohne-Schatten-Regie setzt dieses Werk auf die aktuellste Tagesordnung

Sarah Grether (Weiße Gazelle), Camilla Nylund (Die Kaiserin) und Michaela Schuster (Die Amme) © Hans Jörg Michel

…und die Berliner Staatsoper an die Spitze der Strauss-Liga   

Ausgerechnet vier Tage nachdem ein quasi-Barak in ein welteinflussreiches Amt gewählt wurde, setzt Berliner Staatsoper mit Claus Guths genialer, die Frau ohne Schatten aus der Märchenoper-Ecke befreiender Regie ein starkes Zeichen in der Strauss’schen Spitzenliga. Ein durchwegs souveränes Gesangsensemble komplettiert das künstlerische Gesamtkunstwerk, einzig ein undifferenziertes Orchester konnte mit diesem haushohen musikalischen Niveau nicht mithalten.

Die Frau ohne Schatten
Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 9. November 2024

von Johannes Karl Fischer

Ich könnte jetzt anfangen, die einzelnen Meisterleistungen zu loben, sei es Michaela Schusters packende Amme, Elena Pankratovas scharf gesungene Färberin oder auch Roman Trekels überragende Einspringerleistung als Geisterbote. Nein, das war einfach eine künstlerische Gesamtkunstleistung der allerersten Strauss-Klasse, an dessen Spitze Claus Guths wegweisende, spektakuläre und aussagekräftige Inszenierung thronte! „Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten
Staatsoper Unter den Linden, 9. November 2024“
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„Nabucco“ in der Lindenoper beglückt musikalisch und bleibt dennoch merkwürdig kühl

Ivan Magrì (Ismaele), Mika Kares (Zaccaria), Marina Prudenskaya (Fenena), Luca Salsi (Nabucco), Ensemble und Chor © Bernd Uhlig

Es ist vieles ganz ausgezeichnet bei diesem ersten in der Staatsoper unter den Linden auf Italienisch gesungenen Nabucco: Schön anzusehen und schön anzuhören. Geradezu ein Designerstück. Doch zu Herzen geht das, was auf der Bühne passiert, nur deswegen, weil die Oper über den bluttriefenden Zwist zwischen den Assyrern und den Israeliten so furchtbar in unsere Zeit passt. Besonders, wenn man sie am 6. Oktober hört. Am Vorabend des Jahrestages.

Giuseppe Verdi, Nabucco
Libretto von Temistocle Solera

Staatsoper unter den Linden, Berlin, 6. Oktober 2024
Zweite Aufführung nach der Premiere am 2. Oktober 2024

Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Bertrand de Billy
Staatsopernchor

Nabucco – Luca Salsi
Ismaele – Ivan Magrì
Abigaille – Anna Netrebko
Fenena – Marina Prudenskaya
Zaccaria – Mika Kares
Anna – Sonja Herranen
Abdallo – Andrés Moreno García
Hohepriester des Baal – Manuel Winckhler


von Sandra Grohmann

Deshalb gibt es auch viel zum Nachdenken an diesem Abend und deshalb ist es auch gut, dass die Komplexität der Gattung „Oper“ sich in einer gewissen Komplexität der Bühnensymbolik spiegelt. Das sprichwörtliche Schwarz/Weiß in den Kostümen lässt sich hier keineswegs eindeutig zuordnen, und die klassische Schwarz-Weiß-Rot-Trias wird ein wenig aufgebrochen, unter anderem dadurch, dass Anna Netrebko auch mal in Petrol erscheint (Kostüme: Vanessa Sannino).

Warum das Bühnenbild von Carmine Maringola aber in gefälliger Holz- und Blumenoptik erscheint und die Personenregie (Regie: Emma Dante) sich auf die tanzende Komparserie beschränkt, das will mir nicht einleuchten. Das ist zu sehr Design und zu wenig Theater.

„Giuseppe Verdi, Nabucco, Libretto von Temistocle Solera
Staatsoper unter den Linden, Berlin, 6. Oktober 2024“
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Musikalischer Zauber geht auch ohne künstlerischen Kraftakt: Camilla Nylunds Liedkunst verzaubert die Lindenoper 

Camilla Nylund © Natasha Orrell

Auch als Lied-Interpretin verzaubert die Richard-Strauss-Königin Camilla Nylund die Berliner Lindenoper. Dieser Liederabend stand der am Vortag fegenden Nabucco-Premiere musikalisch um nichts nach! 

Camilla Nylund, Sopran
Helmut Deutsch, Klavier

Lieder von Erich Wolfgang Korngold, Alexander Zemlinsky, Armas Järnefelt, Alban Berg, Gustav Mahler und Richard Strauss

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 3. Oktober 2024

von Johannes Karl Fischer  

Erst am Vortag testete auch das Publikum die akustischen Grenzen der Lindenoper, als das ganze Haus nach Anna Netrebkos Abigaille-Arie in beispiellose Bravos regelrecht explodierte. Künstlerisch stand der Liederabend am Tag der deutschen Einheit von Camilla Nylund Frau Netrebkos Leistung um nichts nach, nur das Publikum reagierte unverdienterweise deutlich gelassener. Naja, in der Oper geht eben doch viel um den weltlautesten Fanclub. „Liederabend Camilla Nylund, Sopran Helmut Deutsch, Klavier
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 3. Oktober 2024“
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Verdis Nabucco in Berlin: Anna Netrebko singt das misslungene Verdi-Werk in Grund und Boden

Anna Netrebko (Abigaille), Ensemble und Chor © Bernd Uhlig

Mit Nabucco und einer Öffnung des Lindenoper-Langzeitarchivs startet die Berliner Staatsoper in ihre neue Premierensaison. Anna Netrebko singt das kompositorisch misslungene Verdi-Werk in Grund und Boden, Emma Dantes Regie, eher flache Regie, kommt kaum über ein paar blumige Bühnenbilder hinaus. Wo bleibt hier die weiße Fahne am Dirigentenpult? Wien hat’s vorgemacht.

Nabucco
Musik von Giuseppe Verdi
Libretto von Temistocle Solera nach Auguste Anicet-Bourgeois
und Francis Cornu

Staatsoper Berlin, 2. Oktober 2024

von Johannes Karl Fischer  

Ein halbes Jahrhundert gab’s an diesem Haus kein Nabucco mehr, nicht ohne Grund. Diese per se langweilige und misslungene Oper mit ihren völlig zur politisch aufgeladenen Handlung unpassenden Melodien in Maskenball-Stimmung ist nun wirklich nicht der größte Wurf unter der Opernsonne. Leider hatte Emma Dantes recht einseitige Regie dem Werk wenig entgegenzuwirken. Vorhänge fuhren rauf und runter im Minutentakt, ein paar mit Knarren bewaffnete Statisten und Statistinnen irrten im Dauerwirrwarr über die Bühne. Personenregie: Fehlanzeige. „Giuseppe Verdi, Nabucco
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 2. Oktober 2024“
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Nuancenreicher und subtiler kann man die „Tosca“ nicht dirigieren und singen

Lise Davidsen © Staatsoper Berlin

Man geht wegen der Musik in die Oper, das sollten endlich auch jene Regisseure begreifen, die uns mit ihren abstrusen Ideen quälen.

Giacomo Puccini, Tosca

Lise Davidsen    Tosca
Freddie De Tommaso   Cavaradossi
Gerald Finley   Scarpia
Zubin Mehta    Dirigent

Staatsoper Unter den Linden Berlin, 6. September 2024

von Peter Sommeregger

Für die Wiederaufnahme der Tosca-Inszenierung zu Beginn der Spielzeit hat die Staatsoper eine premierenwürdige Besetzung verpflichtet. Die Operndirigate von Altmeister Zubin Mehta sind selten geworden, aber er bewies, dass er auch noch mit 88 Jahren eine Aufführung prägen kann. „Lise Davidsen, Freddie De Tommaso, Gerald Finley, Zubin Mehta 
Staatsoper Unter den Linden Berlin, 6. September 2024“
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„Melancholie des Widerstands“: Hat man nun einen Opernfilm oder eine Film-Oper erlebt?

Melancholie des Widerstands © William Minke

Makaber vielleicht die Tatsache, dass am Abend der Uraufführung ein französisches Wahlergebnis bekannt wird, das ähnliche Befürchtungen wie in dem Stück auslöst. Die Aufführung hat eine hohe Qualität, scheitert aber letzten Endes auf hohem Niveau.

Melancholie des Widerstands
EINE FILMISCHE OPER (2024)
Auftragswerk der Staatsoper Unter den Linden

Musik   Marc-André Dalbavie
Text  Guillaume Métayer in Zusammenarbeit mit David Marton nach dem Roman von László Krasznahorkai

Georges Esther  Matthias Klink
Angèle Esther  Tanja Ariane Baumgartner
Rosi Pflaum  Sandrine Piau
Valouchka  Philippe Jaroussky

Dirigentin  Marie Jacquot

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, Uraufführung, 30. Juni 2024

von Peter Sommeregger

An diesem schwül-heißen Juni-Sonntag kam das Auftragswerk der Berliner Staatsoper zur Uraufführung und hinterließ am Ende ein deutlich erschöpftes Publikum.

Marc-André Dalbavie hatte sich den Roman von László Krasznahorkai als Vorlage ausgesucht, wie schon vor ihm der kürzlich verstorbene Komponist Kurtág. Es geht darin um Ereignisse in einer Kleinstadt, in der die undefinierte Bedrohung, die von der Bevölkerung wahrgenommen wird, sich schließlich in einem politischen Umsturz manifestiert. Die Vorgänge, die sich in kryptischer Form abspielen, schaffen eine Grundstimmung von Angst und Depression. „Melancholie des Widerstands, Musik Marc-André Dalbavie
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, Uraufführung, 30. Juni 2024“
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Mussorgskys „Chowanschtschina“ lässt tief in die russische Seele blicken

Ensemble © Monika Rittershaus

Claus Guth hat einen prächtigen Bilderbogen entwickelt, der, vom Bühnenbildner Christian Schmidt und der Kostümbildnerin Ursula Kudrna luxuriös ausgestattet, ein ästhetisches Vergnügen darstellt. Aber trotz Übertitelung bleibt die Handlung schwer durchschaubar, auf den Bühnenhintergrund projizierte Texte sind schlecht lesbar, also gibt man sich einfach nur der Schönheit der Musik hin.

Modest Mussorgsky
Chowanschtschina
Fassung von Dmitri Schostakowitsch
mit dem Finale von Igor Strawinsky

Fürst Iwan Chowanski   Mika Kares
Fürst Andrei Chowanski   Najmiddin Mavlyanov
Fürst Wassili Golizyn   Stephan Rügamer
Marfa   Marina Prudenskaya

Inszenierung   Claus Guth

Bühnenbild   Christian Schmidt
Kostüme  Ursula Kudrna

Staatsopernchor
Kinderchor der Staatsoper
Staatskapelle Berlin

Musikalische Leitung    Simone Young

Staatsoper Unter den Linden Berlin, Premiere, 2. Juni 2024

von Peter Sommeregger

Die von Modest Mussorgsky bei seinem Tod 1881 unvollendet hinterlassene Partitur der Oper „Chowanschtschina“ wurde zeitnah von seinem Kollegen Rimsky-Korsakow in eine aufführbare Form gebracht, und erlebte 1886 ihre Uraufführung. Zur Aufführung kommt Unter den Linden nun eine spätere, von Dmitri Schostakowitsch erstellte Instrumentierung, mit dem von Igor Strawinsky komponierten Finale. „Modest Mussorgsky, Chowanschtschina, Fassung von Dmitri Schostakowitsch
Staatsoper Unter den Linden Berlin, Premiere, 2. Juni 2024“
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Elisabeth Sobotka und Christian Thielemann präsentieren auf ihrer ersten Pressekonferenz eine vielversprechende Saison

Elisabeth Sobotka und Christian Thielemann zur Spielplanpräsentation am 13. Mai 2024 © Peter Adamik

Präsentation Spielzeit 2024/25

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 13. Mai 2024

von Kirsten Liese

Eine gewisse Anspannung zu Beginn dieser historisch-bedeutsamen Pressekonferenz war zu spüren. Christian Thielemann, neuer Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden, und Elisabeth Sobotka, die designierte Intendantin, stellten ihre erste Saison vor.

Eine Wunsch-Allianz war das anfänglich wohl nicht. Aber mittlerweile, nach näherem Beschnuppern, hat doch erfreulicherweise eine konstruktive Zusammenarbeit ihren Anfang genommen, als eine „habsburgisch-preußische Entente“ bezeichnet sie ein sichtlich gut gelaunter Christian Thielemann. „Spielzeit 2024/25 Staatsoper Unter den Linden
Berlin, 13. Mai 2024“
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Madama Butterfly: Bis das Rotkehlchen wieder nistet, so lautet sein Versprechen, dann käme er zurück

Fotos: Archiv © Gianmarco Bresadola

Madama Butterfly
Tragedia giapponese in drei Akten von Giacomo Puccini
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
Basierend auf der Erzählung von David Belasco

Premiere am 27. April 1991

Musikalische Leitung:  Giuseppe Mentuccia
Inszenierung:  Eike Gramss
Bühne, Kostüme:  Peter Sykora
Szenische Einstudierung: Katharina Lang
Choreinstudierung:  Gerhard Polifka

Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 1. Mai 2024

von Kathrin Beyer

Madama Butterfly ist eine der bekanntesten und meistgespielten Opern.

Ich habe sie schon einige (ehrlich: viele) Male erleben dürfen und die Musik hat mich noch jedes Mal sehr berührt, ebenso die Handlung, die leider nichts an Aktualität verloren hat. Diese nüchterne Feststellung allein macht schon traurig und ein bisschen fassungslos, denn immerhin gingen seit der Uraufführung 1904 ganze einhundertzwanzig Jahre ins Land. „Giacomo Puccini, Madama Butterfly, Tragedia giapponese in drei Akten
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 1. Mai 2024“
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Die Magie im Staatsopern-Lohengrin kommt aus dem Graben

Alexander Soddy © Wiener Staatsoper

Lohengrin
ROMANTISCHE OPER IN DREI AUFZÜGEN (1850)
Musik und Text von Richard Wagner

Musikalische Leitung:  Alexander Soddy
Inszenierung:  Calixto Bieito
Bühnenbild:  Rebecca Ringst
Kostüme:  Ingo Krügler
Video:  Sarah Derendinger

Einstudierung Chor:  Dani Juris

Staatskapelle Berlin

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 21.April 2024

von Kirsten Liese

Als Tristan und  Isolde waren Klaus Florian Vogt und Camilla Nylund vor wenigen Monaten ein Traumpaar in Dresden. Und wie machen  sich die beiden aktuell im Lohengrin an der Berliner Staatsoper?

Vogt hat sich die ätherische Schönheit seines Tenors, die ihn speziell für diese Partie prädestiniert, weitgehend bewahren können, wenn er im Spitzenregister singt, entströmen seiner Kehle luzide, himmlische Kopfklänge, insbesondere die ganz aus dem Nichts einsetzende Gralserzählung ist ein Gedicht, das macht ihm aktuell niemand nach. „Richard Wagner, Lohengrin
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 21. April 2024“
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