“Dreigroschenoper” entrümpelt – das Theater Basel erfindet Brecht neu

Theater Basel, Dreigroschenoper © Ingo Hoehn

Wer mit der heimlichen Vorfreude auf den unsterblichen Gassenhauer “Moritat von Mackie Messer” ins Theater Basel gekommen war, sah sich in dieser Inszenierung enttäuscht. Der berühmte Song tauchte zwar auf, wurde hier aber nicht zelebriert. Dafür kamen alle anderen Musiknummern präsentiert, spritzig- brilliant interpretiert von der achtköpfigen, sichtbar (wie von Brecht selbst gefordert) auf der Hinterbühne platziert – gesungen allerdings eher schrill als schön.

Der über drei Stunden dauernde Basler Brecht-Marathon verlangt dem Zuschauer einiges ab, da hier parallel zur eigentlichen Handlung eine zwar witzige aber anspruchsvolle Auseinandersetzung mit den Brecht’schen Theaterdogmen – Verfremdungseffekt und episches Theater – stattfindet, gemildert und versüßt durch humoristische Gags (wie der allzu ausgedehnte Kung-Fu-Zweikampf zwischen Obergangster Macheath und Polizeichef Brown) und Slapstick. Die belehrenden Kommentare gewisser Protagonisten allerdings wirkten auf die Dauer eher selbstgefällig und dehnten das Ganze unnötig in die Länge. Wie so oft: weniger wäre auch hier mehr gewesen.

Die Dreigroschenoper
Bertolt Brecht /Kurt Weill

Inszenierung:  Antú Romero Nunes
Musikalische Leitung:  Sebastian Hoffmann
Band-Leader:  Anita Wälti
Bühne:  Florian Lösche
Kostüme:  Victoria Behr
Licht:  Benjamin Zimmermann

Theater Basel, 17. Februar 2024

von Dr. Charles E.  Ritterband

BB, Bertolt Brecht, war in dieser temperamentvollen, intelligenten und mitreißenden Produktion nicht nur als Autor und Theater-Theoretiker präsent, sondern gleich dutzendfach als Figur – denn alle sämtlichen Akteure und Schauspielerinnen agierten im klassisch-proletarischen Brecht-Look: blaues Arbeiter-Übergewand, blaue Schirmkappe. Das war originell, intelligent und vor allem konsequent, war doch diese Inszenierung eine zwar witzige, bisweilen aber doch etwas penetrant doktrinär wirkende Auseinandersetzung mit den Brecht’schen Theaterdogmen. Gemildert allerdings durch die geniale  Jazz-Musik des deutsch-jüdischen, aus NS-Deutschland in die USA emigrierten Komponisten Kurt Weill – auf der Basler Bühne in zeitloser Frische interpretiert. „Bertolt Brecht/Kurt Weill, Die Dreigroschenoper
Theater Basel, 17. Februar 2024“
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Das Theater Basel ergötzt das Publikum mit Rossinis „Barbiere“ als köstliches Maskenspiel

Barbier, Oper Avenir © Ingo Höhn

Das Theater Basel bringt Rossinis „Barbiere“ in einer ungewöhnlichen Version: Als zweischichtiges, köstliches Spiel zwischen hervorragenden jungen Sängerinnen bzw. Sängern und den ausdrucksstarken Masken des erfolgreichen österreichischen Puppenspielers und Regisseurs Nikolaus Habjan. Ein origineller Spass für Darsteller, Musiker und Publikum, welches das Gebotene verdientermassen mit „Standing Ovations“ honorierte.

Gioachino Rossini (Text Cesare Sterbini), Il barbiere di Siviglia

Musikalische Leitung/Hammerklavier Hélio Vida
Bearbeitung für Kammerensemble von Alexander Krampe

Regie/Masken: Nikolaus Habjan

Graf Almaviva: Ronan Caillet
Rosina: Camille Sherman
Figaro: Kyu Choi
Bartolo: Diego Savini
Basilio: Jasin Rammal-Rykala
Berta: Inna Fedorii

Sinfonieorchester Basel
Herrenchor des Theaters Basel

Puppenspiel: Moritz Schönbrodt, Florence Schlumberger, Fabian Degen
Bühne: Jakob Brossmann

Theater Basel, 18. Dezember 2023

von Dr. Charles Ritterband

Rossinis „Barbier“, 1816 in Rom uraufgeführt – der erste Teil von Beaumarchais’ „Trilogie Espagnole“ –, ist deutlich verspielter als der zweite, 30 Jahre als „Nozze di Figaro“ von Mozart vertonte zweite Teil (obwohl der ja den Untertitel „La folle journèe“, „der tolle Tag“ trägt).
„Gioachino Rossini, Il barbiere di Siviglia
Theater Basel, 18. Dezember 2023“
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Am Anfang war die Familie: Auftakt zum neuen Ring des Nibelungen in Basel

Theater Basel, Oper Rheingold © Ingo Höhn

Richard Wagners Weltendrama kehrt nach vierzig Jahren endlich wieder auf die Bühne des Theaters Basel zurück. In dieser Spielzeit stehen „Das Rheingold“ und „Die Walküre“ auf dem Spielplan. Ein ungewöhnliches Musikkonzept ergänzt eine etwas halbgare Regie, die sich dennoch überzeugend der großen Parabel über Liebe und Macht widmet.


Richard Wagner: Das Rheingold & Die Walküre
Vorabend & Erster Tag des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“

Musik und Dichtung vom Komponisten

Jonathan Nott, Dirigent
Sinfonieorchester Basel

Benedikt von Peter, Regie
Caterina Cianfarini, Co-Regie

 Theater Basel, 23. & 24. September 2023

von Leander Bull

Am Anfang war das Rauschen; bedrohlich und majestätisch dröhnt das Es-Dur der Kontrabässe aus den Tiefen des Rheins hervor. Wir hören nichts weniger, als den Ursprung der Welt aus dem Chaos. Ebenso ist Richard Wagners ganzes Opus magnum Der Ring des Nibelungen nichts weniger als ein Versuch, die ganze Welt zu erzählen.

Im Theater Basel erklingt dieses rätselhafte Vorspiel auf ungewohnte Art. Der Orchestergraben befindet sich nun, ähnlich wie im Bayreuther Festspielhaus, dem Kunsttempel des Komponisten, unter der Bühne. Der Graben ist verdeckt, anders als im Festspielhaus öffnet er sich nur durch ein Gitter zum Saal, das einen Teil des Bühnenbodens bildet. „Richard Wagner: Das Rheingold & Die Walküre
 Theater Basel, 23. & 24. September 2023“
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Heather Engebretson als packende Salome – sowohl sängerisch als auch schauspielerisch

Salome, Theater Basel, Photos: Thomas Aurin

Theater Basel, 14. Oktober 2022

Salome (1905)
Drama von Richard Strauss

Text von Richard Strauss nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung

Clemens Heil, Dirigent
Sinfonieorchester Basel

von Julian Führer

Als Oscar Wilde 1891 seine Salome dichtete, schrieb er in französischer Sprache. Das 1896 in Paris uraufgeführte Stück wird immer wieder als Beispiel für Fin de siècle und Décadence herangezogen: überhitzte Emotionen, Grenzüberschreitungen, Aufwallungen aus Nichtigkeiten. Statt einer idealisierten Antike sehen wir ein aus einer biblischen Episode entwickeltes orientalisches Sujet, nicht minder klischeebehaftet, aber in seiner Drastik damals schockierend. Wilde widmete das Werk Pierre Louÿs, der ebenfalls eine Vorliebe für schwüle antik-erotisierende Sujets hatte. Die Vorlage Wildes wurde von Hedwig Lachmann ins Deutsche übersetzt; Richard Strauss raffte die Übersetzung für die Zwecke seiner Vertonung nur unwesentlich, so dass die Dialoge seines Musikdramas sehr dicht an Wildes Original sind. Sätze der Salome an Jochanaan wie „J’étais une vierge, tu m’as déflorée“ fielen allerdings der Raffung zum Opfer: Solche Sätze konnte Oscar Wilde schreiben, auf einer Opernbühne im Jahr 1905 waren sie hingegen undenkbar. – Richard Strauss war ebenso kunstsinnig wie geschäftstüchtig und hatte im gleichen Jahr bereits den „Parade-Marsch des Regiments Königs-Jäger zu Pferde“ für Kaiser Wilhelm II. komponiert und diesem zugeeignet. So konnte er auf der anderen Seite gewagtes Neuland betreten und seine Salome vollenden. „Richard Strauss, Salome (1905)
Theater Basel, 14. Oktober 2022“
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