Photo: (c) Jörg Landsberg
„Wie ein buntes Bild, auf einen schlicht grauen Hintergrund geklebt“ – so fasste Leoš Janáček einmal seine Eindrücke eines Straßenmusikfestes in seinem Heimatdorf zusammen: „Aufblitzende Bewegungen, die Gesichter glänzend vor Schweiß; Schreie, Jauchzer, die wilde Musik des Fiedlers.“ Für den bekennend mährischen Komponisten bedeutete der naturalistische Blick auf die bäurisch-folkloristische Kultur oder vielmehr das Hinhören an die Klänge seiner Herkunftslandschaft mehr als nur romantische Inspiration. Schon gar nicht ging es ihm um die Verklärung scheinbarer rustikaler Idyllen – ähnlich wie Vincent van Gogh bildete Janáček die ländliche Lebenswelt in ungefiltertem Realismus ab.
Theater Bremen,
Theater am Goetheplatz, 9. April 2022 PREMIERE
Leoš Janáček JENUFA
Oper aus dem mährischen Bauernleben in drei Akten
Text nach dem Drama von Gabriela Preissová
In tschechischer Sprache mit deutschem Übertext
Bremer Philharmoniker
Yoel Gamzou Dirigent
Armin Petras Inszenierung
von Dr. Andreas Ströbl
So entblößt auch seine Oper „Jenůfa“ schonungslos realistisch das Drama eines naiven Landmädchens, das sich von Števa, dem gutaussehenden aber leider prinzipienlosen Frauenhelden des Dorfes, hat schwängern lassen. Der neigt noch dazu zum Alkoholismus und will sich nach der Geburt des Kindes freikaufen, weil er schon längst mit einer anderen verlobt ist. Die Stiefmutter Jenůfas ist zwar eine fromme Küsterin, aber die soziale Kontrolle und ihre Bigotterie verleiten sie dazu, das Kind aus Angst vor der Schande heimlich umzubringen und Jenufa mit der Lügengeschichte eines plötzlichen Todes ihres kleinen Sohnes abzuspeisen.
Jenůfas Vetter Laca ist die ganze Zeit heimlich in sie verliebt und hatte ihr noch vor der Geburt des Kindes in einem Anfall von Eifersucht mit einem Messer das schöne Gesicht entstellt. Dennoch finden die beiden zusammen und wollen schließlich heiraten. Auf der Hochzeit kommt die Tat der Küsterin ans Licht, weil die im vereisten Flüsschen versteckte Kinderleiche im Frühlings-Tauwetter wieder an die Oberfläche und die Tat vor das Tribunal der entsetzten Dorfgemeinschaft kommt. Die Stiefmutter gesteht, Jenůfa versteht sogar ihren Beweggrund und die Dörfler führen die Täterin ab. Bevor die Protagonistin in Einsamkeit und Depression enden kann, überzeugt Laca sie, dass ihre Liebe alles überwinden wird. So mündet eine entsetzliche Geschichte, die aus Akten des Sozialamtes Berlin-Marzahn hätte gespeist sein können, doch noch in ein Happy-End mit herben Schönheitsfehlern. „Leoš Janáček, JENUFA,
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