Christophe Rousset setzt seine Entdeckungsreise von Antonio Salieri fort

CD-Besprechung: Antonio Salieri, Cublai  klassik-begeistert.de, 8. Juli 2025

CD-Besprechung:

Unter der Leitung von Christophe Rousset hat das Label Aparté eine absolute Opernrarität eingespielt: “Cublai, Gran Kan de’ Tartari”, ein Dramma eroicomico, ein heroisch-komisches Drama in zwei Akten von Antonio Salieri. Die Aufnahme entstand in der Folge der Aufführungen im April 2024 am Theater a.d. Wien mit fast identischer Sängerbesetzung.

Antonio Salieri (1750-1825)
CUBLAI, GRAN KAN DE’ TARTARI
Dramma eroicomico in due Atti (1788)

Dirigent:  Christophe Rousset
Les Talens Lyriques

Aparté AP379

von Jean-Nico Schambourg

Die Tatsache, dass das Werk nie zu Lebzeiten von Salieri aufgeführt wurde und erst 1998 in einer deutschen Fassung am Theater Würzburg uraufgeführt wurde, war vor allem auf das Libretto von Giovanni Battista Casti zurückzuführen.

Die Geschichte handelt vom mächtigen, aber nicht sonderlich trinkfesten Führer der Tartaren, Cublai. Dieser will seinen Sohn Lipi mit der bengalischen Prinzessin Alzima verheiraten, um so sein Reich zu vergrößern. Sein Neffe Timur soll die Braut an seinen Hof bringen. Timur und Alzima verlieben sich allerdings ineinander. Da trifft es sich gut, dass der ein wenig naive Lipi nicht an einer Heirat interessiert ist. Lipi wurde vom Kleriker Posega aufgezogen, der durch eine solche Hochzeit fürchtet, seinen geistigen Einfluss auf Lipi und den Hof zu verlieren. Nach einigem Hin und Her und auf Anraten von Memma und Bozzone, zwei italienischen Abenteurern mit großem Einfluss auf Cublai, entscheidet dieser, Timur zu seinem Nachfolger zu machen und ihn mit Alzima zu verheiraten.

Wenn die Geschichte der Oper sich um den Führer der Tartaren Cublai dreht, so spielt Casti doch eigentlich unverblümt auf die Missstände an den europäischen Fürstenhöfen an. Sein Libretto ist gespickt mit Seitenhieben auf den Adelsstand und den Klerus. So wurde u.a. mit der Figur des Khans ziemlich klar der russische Zar Peter der Große gezeichnet. Da Russland zum damaligen Zeitpunkt Bündnispartner in den sogenannten Türkenkriegen war, untersagte 1787 Kaiser Joseph II. die Aufführung des Werkes, das somit bis ins späte 20. Jahrhundert in den Tiefen der Vergessenheit verschwand.

2024 wurde auf Betreiben von Christophe Rousset die italienische Version am Theater an der Wien uraufgeführt. Neben den Arien stechen vor allem die vielen Ensemblenummern, Duette, Terzette, Quartette und vor allem zwei große Ensembles zum Finale der beiden Akte hervor. Kompositorisch lässt das Werk aufhorchen, da die eher kurzen Arien öfters von Rezitativen unterbrochen werden.

Christophe Rousset, der sich in den letzten Jahren vermehrt für Werke von Salieri eingesetzt hat, ist mit seinem Orchester “Les Talens Lyriques” der Dreh- und Angelpunkt dieser Aufnahme. Von Beginn an verleiht Rousset dem Werk die nötige Spannung und führt sein Orchester mit fester Hand zu einer aufregenden Interpretation: Die Streicher regt er zu energischem Spielen an, den Holzbläsern entlockt er warme, weiche Töne.

Auf der Gesangseite wissen vor allem die weiblichen Interpretinnen zu gefallen: Marie Lys singt mit viel Elan die Rolle der Prinzessin Alzima und meistert dabei mit viel Virtuosität die Vokalisen ihrer Partie. Dass sich Cublai dem Einfluss von Memma nicht entziehen kann, versteht man sofort,  wenn man hört, wie Ana Quintans mit pikanter und sicherer Sopranstimme die Geschicke am Hofe leitet. Auch Lauranne Oliva weiß in der Hosenrolle des Lipi zu gefallen.

Der Tenor Anicio Zorzi Giustiniani klingt mit Momenten ein wenig steif in der Rolle des Timur. Die Interpreten der weiteren Männerrollen ziehen sich besser aus der Affäre: Mirco Palazzis ein wenig stumpfer Bass passt sehr gut zur Brutalität von Cublai, aber auch zu dessen intellektueller Stumpfheit. Giorgio Caoduro als Bozzone ist mit seinem agilen Bass-Bariton ein perfekter männlicher Kompagnon seiner Geliebten Memma. Äneas Humm entledigt sich seiner Rolle als Posega mit viel Überzeugung und Autorität. Fabio Capitanucci zeichnet einen komödiantischen  Zeremonienmeister Orcano.

In seinen wenigen Interventionen besticht der “Choeur de chambre de Namur” wie gewohnt durch meisterlichen Gesang.

Letztlich handelt es sich hierbei um eine sehr interessante Aufnahme, die das Gesamtbild bezüglich der Kompositionen von Salieri, Christophe Rousset sei Dank, vervollständigt und Interessenten von Opernraritäten absolut empfohlen werden kann.

Jean-Nico Schambourg, 8. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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