CD-Besprechung:
Brahms
Lieder
Christian Gerhaher
Gerold Huber
Sony 19802897352
von Peter Sommeregger
Über das Phänomen des „Volkstons“ im Kunstlied gibt es umfangreiche Abhandlungen. Die Lieder Franz Schuberts trafen diesen Ton teilweise perfekt und wurden so vereinzelt selbst zu Volksliedern. Das Liedschaffen von Johannes Brahms, der bekanntlich einer späteren Generation angehörte, greift teilweise wieder auf diese, damals bereits anachronistische Form des Kunstliedes zurück.
Christian Gerhaher, heute einer der führenden Liedersänger, widmet sich auf seinem aktuellen Album Liedern von Brahms, bevorzugt solchen im Volkston. Der Künstler verzichtet dabei anfangs auf die bei ihm manchmal störende Überakzentuierung der Liedtexte. Das bekommt diesen Liedern sehr gut, auf einmal nähert sich Gerhahers Vortrag wieder seinem früheren Vortragsstil an. Ganz signifikant die Interpretation des populären „Von ewiger Liebe“, welches den meisten Interpreten zu wuchtig und schwer gerät.
In der ersten Gruppe von Liedern, die im Beiheft als Volkslieder bezeichnet werden, behält Gerhaher diese stilistische Variante bei, um danach allerdings in den 9 Liedern und Gesängen op.32 und weiteren Titeln wieder in die intellektuelle Überfrachtung der Texte und des Vortrags zu verfallen. Komplett enthalten ist auch der sogenannte „Regenlied-Zyklus“, dessen vier Lieder Brahms später in einer überarbeiteten Fassung veröffentlichte.
Wirklich klug wird man aus der Auswahl der Lieder und ihrer stilistisch so unterschiedlichen Interpretation nicht. Der etwas zähe Text von Laurenz Lütteken im Booklet hilft bei der Suche nach der Intention Gerhahers auch nicht wirklich weiter.
Unbestritten bewegt sich das gesamte Album künstlerisch auf höchstem Niveau, das symbiotische Gespann, das Christian Gerhaher und sein Begleiter Gerold Huber bilden, sorgt auch hier wieder für eindrucksvolle Ergebnisse.
Es ist erstaunlich, wie sich Gerhaher aber auch dem Spätstil seines Lehrmeisters Fischer-Dieskau annähert. Dieser hatte mit zunehmendem Alter seine Interpretationen immer textlastiger angelegt. Dass Gerhaher auch anders kann, zeigen die ersten Titel der CD, bei denen auch das Timbre der Stimme besser zur Geltung kommt. Die Rückbesinnung auf den Volkston stünde dem Sänger also gut zu Gesicht.
Peter Sommeregger, 9. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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