CD-Besprechung: Wo ist die Harfe?

CD-Besprechung:  Franz Schubert, Die Zauberharfe (D 644) Eine Konzert-Suite  klassik-begeistert.de, 23. Juli 2024

CD-Besprechung:

Franz Schubert: Die Zauberharfe (D 644)
Eine Konzert-Suite

Bearbeitet von Brian Newbould
nach dem gleichnamigen Schauspiel mit Musik
uraufgeführt 1820 in Wien

Junge Philharmonie Wien
Michael Lessky (Dirigent)

Welt-Ersteinspielung auf CD

Gramola 99263

von Ralf Krüger

Ist es naiv zu fragen, warum bei einem Musikstück mit einem magischen Instrument im Titel, davon keine einzige Note zu hören ist?

Auf dem Programmzettel des Europakonzertes der Berliner Philharmoniker am 1. Mai 2024, im Osten Georgiens, steht zu allererst die Ouvertüre zu Franz Schuberts Zauberharfe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein berühmter Klangkörper die Transportkosten für eine Harfe scheut, nein, es muss andere Gründe für ihre Abwesenheit geben.

Ich starte eine kleine Suche in der analogen und digitalen Welt und lande bei dieser CD, die schon von der Optik her einlädt, sich mal wieder in eine Ritterrüstung zu zwängen.

Denn es geht um einen Thron-Erben, der durch elterliche Intrigen von einem bösen Geist ins Feuer getrieben wird – aber dennoch überlebt und später als fahrender Sänger, als Troubadour, wieder auftaucht und mithilfe einer Zauberharfe im Reich raffinierter Feen und starker Ritter endlich für Ordnung sorgt.

Viel weiß man nicht von der Handlung, die Georg Ernst von Hofmann verfasste, denn „der Text dieses zumeist gesprochenen Ritterstücks ist verschollen, kann somit in seiner ursprünglichen Fassung nicht mehr rekonstruiert werden“, schrieb SWR-Kultur schon im Jahre 2009.

Aber es reicht aus, um der Phantasie freien Lauf zu lassen. Und der 23-jährige Franz Schubert hat nicht gegeizt mit Überraschungen.

Dramatik, volkstümliche Weisen, kräftige Akkorde… wieder etwas ruhiger, jetzt etwas flotter, notiere ich während der Musik – und dann kommt die Harfe ins Spiel! Endlich ist sie da, sehr prägnant, sehr solistisch, im Verlauf dann begleitend. Es ist wie der berühmte Paukenschlag in der einen oder anderen Sinfonie, der bei uns Hörern dieses Zusammenzucken erzeugt, dieses Gerade-Hinsetzen und bei mir letztlich Erleichterung auslöst: Man hat die Harfe nicht vergessen!

Da sind wir aber auch schon über die Ouvertüre hinaus, in der 10. Minute des Konzertes, im 3. Track der Aufnahme, im ersten der fünf Melodramen.

„Die verschiedenen Sätze der Suite folgen dann nicht immer der dramatischen Handlung, sondern musikalischen Gesichtspunkten…“, erzählt Dirigent Michael Lessky dazu im Booklet.

Der Chor der Genien führt uns sprachlich in die Welt schützender Geister und musikalisch in ruhiges Fahrwasser. Der Chor aus Schuberts Original wird instrumental umgesetzt. Die Harfe glänzt hier verschwenderisch.

Zwei Ouvertüren hat das Werk: Die zum 3. Akt ist für mich die Schönere, weil sie wirklich etwas Beginnendes zum Ausdruck bringt. Kommt herbei, Ihr Ritter, und lasset die Spiele beginnen! Die Eingangs-Ouvertüre ist natürlich die Berühmtere. Sie punktet mit einem starken Kontrast zwischen dem ganz Dumpfen und dem Fröhlich-Leichtfüßigen und lässt, herausgelöst aus der Suite, Vergleiche in den Interpretationen zu.

Das Finale, das einigen ohrwurmverdächtigen Takten ein Dacapo bietet, lässt uns die negativen Momente schnell vergessen und bietet nochmal Bombastisches und Festliches. Die Harfe höre ich hier nicht mehr. Sie hat ihre friedensstiftende Mission schon beendet. Der, der sie zupfte, ist jetzt verliebt und hat andere Probleme.

Nach knapp 44 Minuten ist Schluss. Schon? – mag manch einer fragen.

Ich finde, die Firma Gramola hat gut daran getan, keine Bonus-Tracks auf die Scheibe zu packen. So hallt Schuberts Werk noch einen Moment länger in unseren Ohren nach. Die Zauberharfe in Gänze hat so lange Zeit auf Entdeckung und Veröffentlichung gewartet, auf ihr Chic-Machen für den Konzertsaal. Nun soll sie die Anerkennung und den Beifall mit niemand Anderem teilen!

Ralf Krüger, 23. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Choriner Musiksommer 2024 in der Kirchenruine des Klosters Chorin (Brandenburg) Kloster Chorin, 13. Juli 2024

Messeschlager Gisela, Operette von Gerd Natschinski, Libretto von Jo Schulz Komische Oper, Berlin, Zelt am Roten Rathaus, 25. Juni 2024 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert