Insgesamt darf man sich an diesem Album und an der Pianokultur, an der weichen Freundlichkeit dieser ausdrucksstarken Stimme und ihrer dramatischen Fähigkeit mehr als nur erfreuen. Es muss ja nicht unbedingt zum Rührei sein, ein spritzig fruchtiger Rosé, gut gekühlt oder, zum Winterhalbjahr passender, ein satter, funkelnd-leuchtender, dunkler Rotwein sei dazu sehr empfohlen!
CD-Besprechung:
Pene Pati – Nessun Dorma
CD erschienen bei Warner Classics
von Dr. Regina Ströbl
„I sing, I eat, I laugh. Simple.“ Mit diesen Worten umschreibt der samoische Tenor und Shooting Star Pene Pati sich und seine Berufung auf seinem Instagram-Kanal. Nun gehört Klappern zum Handwerk und wenn man noch relativ frisch in der Branche ist und seine nun zweite CD promoten will, dann scheint doch jedes Mittel recht. Also gibt es dort Tips, welchen Track der CD „Pene Pati Nessun Dorma“ man zum Wein oder eben zum Rührei am besten hört. Die Werbung ist ein bisschen dicke und die CD hat das auch gar nicht nötig.
Zwei Jahre hat Pati sich Zeit für die Erstellung dieses Albums genommen und darauf nun, wie er auf dem Cover selbst schreibt, Arien aus seinem gegenwärtigen und kommenden Repertoire versammelt. Geschichten möchte er erzählen und die Hörer auf eine emotionale Reise mitnehmen. Mit knapp 80 Minuten Spielzeit und 17 Tracks ist es eine doch lange Reise geworden, die durch die Welt der französischen und italienischen Oper des 19. Jahrhunderts führt, Patis Kernrepertoire.
Das titelgebende „Nessun dorma“ zu Beginn weckt sofort die Aufmerksamkeit für alles, was sich anschließt. Dazu gehören außer den eher populären Arien wie Verdis „La patria tradita“ aus Macbeth oder auch Werthers „Pourquoi me réveiller“ von Massenet auch weniger bekannte Stücke von Donizetti, Mascagni, Mercadante oder Guiraud, dazu noch die Weltersteinspielung einer Arie aus Gounods „Faust“ in der Fassung von 1858. Da ist die ein oder andere Entdeckung zu machen. In all diesen Solostücken überzeugt der sympathische Tenor mit seiner cremig-sahnigen Stimme, die einen wie eine große Umarmung umhüllt.
Da wird nichts gepresst, gedrückt, gestemmt, hochgeschmiert, kein hohes C falsettiert, die Stimme fließt einfach und ohne jegliche hörbare Anstrengung durch alle Register aus ihm heraus. In Puccinis berühmten „Che gelida manina“ kann man sogar das Lächeln des verliebten Rodolfo hören. Überhaupt überzeugen vor allem die lyrischen, eher im piano gehaltenen Arien in ihrer feinen und mühelosen Weichheit. Man wird umschmeichelt und freundlich eingeladen, einfach immer weiter zuzuhören.
Suchtpotential! Denn auch die emotionalen Ausbrüche gelingen Pati zweifellos. Da wird alles durchlebt und nicht einfach heruntergesungen, die emotional fein austarierte Dynamik jedes Stückes ist absolut beeindruckend. Auch ohne den Inhalt der jeweiligen Arie zu kennen, versteht man doch immer, worum es in dieser kurzen Geschichte geht. Dabei ist die Stimme hell timbriert, obwohl leicht klingend kräftig, wo es nötig ist, sanft und liebkosend in der Zärtlichkeit bis hin zu Verzweiflung und Resignation.
Knapp 80 Minuten reines Tenorprogramm könnten manchen Hörer vielleicht ermüden, aber diese CD ist auch ein Familienalbum. Für jeweils zwei Duette und ein Terzett unterstützen Patis Ehefrau, die Sopranistin Amina Edris und sein Bruder Amitai Prati den Startenor. Amina Edris Stimme ist in den tieferen und mittleren Lagen sehr angenehm und klar, in den Höhen neigt sie zu einer Schärfe. Besonders im direkten Vergleich mit ihrem Mann fällt ihr doch deutliches Vibrato im Gegensatz zu Patis nahezu vibratoloser Stimme auf. Sein Bruder klingt völlig anders, ebenfalls gut geführt und angenehm aber so interessant die Familienbeteiligung ist, so klar wird, wer hier der Star ist.
Chor und Orchester der Nationaloper Bordeaux unter Emmanuel Villaume begleiten passend überaus qualitätvoll und fein, stellen den Sänger in den Mittelpunkt, unterstützen und tragen die Stimme, ohne dagegen klein zu wirken.
Insgesamt darf man sich an diesem Album und an der Pianokultur, an der weichen Freundlichkeit dieser ausdrucksstarken Stimme und ihrer dramatischen Fähigkeit mehr als nur erfreuen. Es muss ja nicht unbedingt zum Rührei sein, ein spritzig fruchtiger Rosé, gut gekühlt oder, zum Winterhalbjahr passender, ein satter, funkelnd-leuchtender, dunkler Rotwein sei dazu sehr empfohlen!
Dr. Regina Ströbl, 27. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at