Mit The Kurt Weill Album legt Joana Mallwitz ein starkes, tänzerisches DG-Debüt vor.
Deutsche Grammophon, DG 486 5670
Konzerthausorchester Berlin
Joana Mallwitz, Dirigentin
Katharine Mehring, Anna 1 & 2
Michael Porter und Simon Bode, Tenor
Michael Nagl, Bariton, und Oliver Zwarg, Bassbariton
von Brian Cooper, Bonn
Dies ist ein willkommenes Album, das zu Unrecht vernachlässigtes Repertoire zu Gehör bringt, und zwar mit einem Berliner Toporchester und seiner Chefdirigentin, die gerade in vielerlei Hinsicht, sowohl auf der Bühne als auch in den Medien, für mächtig Furore sorgt.
Joana Mallwitz hat im Januar 2024, also nur ein paar Monate nach Beginn ihrer Amtszeit als Chefdirigentin des Konzerthausorchesters Berlin, ihr Debütalbum bei der Deutschen Grammophon eingespielt. Es heißt The Kurt Weill Album und enthält mit Die sieben Todsünden Weills mutmaßlich bekanntestes Werk (sieht man von der Dreigroschenoper ab), daneben jedoch auch seine Sinfonien Nr. 1 und 2. Letztere wurde von keinem Geringeren als Bruno Walter 1934 in Amsterdam uraufgeführt und dabei auswendig dirigiert.
Zur bewegten Geschichte dieser Musik, der Partituren und des zur Emigration verdammten Komponisten sei an dieser Stelle auf das Booklet verwiesen sowie auf einen interessanten Beitrag auf Bachtrack, der sich speziell mit dieser CD beschäftigt, die übrigens mit über 82 Minuten prall gefüllt ist.
Kraftvolle Akkorde eröffnen die „Berliner Sinfonie“, ziehen sich durch den gesamten ersten Satz und leuchten farbenfroh und prall auch in den allerletzten Takten des Finalsatzes. Den allerletzten? Nein! Eine überraschende Coda folgt für die letzten anderthalb Minuten; schöne Holzbläsersoli und dichter Streicherklang runden dieses Frühwerk ab.
Von Anbeginn dürfte diese Musik auch auf geübte Hörerinnen und Hörer sinfonischer Musik eine große Faszination ausüben. Denn Weills Klangsprache ist besonders, sie ist vollkommen eigenständig. Wollte man Vergleiche hinzuziehen, kämen einem vielleicht Roussel oder Ives in den Sinn – auch nicht gerade die Allerbekanntesten. Im Finalsatz der Ersten fühlt man sich mitunter auch an Max Regers komplexe Fugen erinnert.
Tänzerisch beginnen Die sieben Todsünden; überhaupt ist „tänzerisch“ ein Adjektiv, das sich durch das gesamte „ballet chanté“ zieht, wenn nicht gar das komplette Album: Die Walzerstelle im zweiten Teil („Stolz“) beispielsweise ist absolut mitreißend, was sowohl an der Sängerin als auch am groß aufspielenden Orchester liegt. Katharine Mehrling überzeugt mit herrlichem Timbre in der Partie der beiden Annas, die schon von so vielen Sängerinnen von Lotte Lenya bis Marianne Faithfull auf vielfältigste Weise gestaltet wurde. Die satirisch-pointierten Zeilen Brechts („Meine Schwester ist schön, ich bin praktisch“) werden mit dem richtigen Maß an Ironie, andere Zeilen mit koketter Verr(a)uchtheit gesungen, gerufen, gesprochen, gehaucht.
Mehrlings facettenreicher Gesang wird ergänzt durch ein hervorragend besetztes Herrenquartett (Michael Porter, Simon Bode, Michael Nagl, Oliver Zwarg), das insbesondere in Track 9 („Völlerei“) beeindruckt.
Weills 2. Sinfonie, für Joana Mallwitz „wie ein Fenster, durch das man mitten hineinkatapultiert wird ins Berlin der 1920er Jahre“, rundet ein hörenswertes Album ab, das insbesondere all jene ansprechen dürfte, die ihre Sammlung mit rar gespieltem Repertoire anreichern wollen. Tango-Anklänge im zweiten Satz tragen zum Tänzerischen der gesamten CD bei. Das Konzerthausorchester beweist, das es zu den Spitzenorchestern der Hauptstadt zählt. Und unter Joana Mallwitz dürfen wir ganz bestimmt noch viel Spannendes erwarten.
Dr. Brian Cooper, 17. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Bertolt Brecht/Kurt Weill, Die Dreigroschenoper Theater Basel, 17. Februar 2024
Rezension: Kurt Weill/Bertolt Brecht, Mahagonnyklassik-begeistert.de