Walter Braunfels komponierte die Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna zunächst für die Schublade

CD-Besprechung: Walter Braunfels Jeanne d’Arc, ORF Radio Symphony Orchestra Manfred Honeck  klassik-begeistert.de, 17. September 2024

CD-Besprechung:

Walter Braunfels
Jeanne d’Arc

Juliane Banse
Johann Reuter
Pavol Breslik
Bryan Hymel

ORF Radio Symphony Orchestra
Manfred Honeck

Capriccio C5515

von Peter Sommeregger

 Walter Braunfels gehört zu der leider großen Zahl von künstlerischen Menschen, denen durch die Ideologie des Nationalsozialismus die Entfaltung ihrer Talente nach 1933 nicht mehr möglich war. Braunfels, Sohn eines jüdischen, aber zum Protestantismus übergetretenen Literaturwissenschaftlers, konnte, bevor die braunen Horden den deutschen Kulturbetrieb nach ihren Vorstellungen neu ordneten, bereits auf beachtliche Erfolge als Komponist zurückblicken.
Sein größter Erfolg war die Oper „Die Vögel“ nach Aristophanes, die von Bruno Walter 1920 in München uraufgeführt wurde. Gemeinsam mit Hermann Abendroth wirkte er ab 1924 als Direktor der Musikhochschule in Köln, ein Amt, das ihm im Mai 1933 von den Nationalsozialisten wieder entzogen wurde, wie auch alle sonstigen Ämter und Mitgliedschaften. Als „Halbjude“ erhielt er Berufsverbot, seine Werke durften nicht mehr aufgeführt werden.

Braunfels verließ Deutschland aber nicht und lebte ab 1937 am Bodensee in „Innerer Emigration“. Dort entstanden während der Kriegsjahre weitere Kompositionen, mit deren Aufführung der Komponist aber nicht mehr rechnete. Braunfels war nach dem ersten Weltkrieg zum Katholizismus übergetreten und verfasste von da an auch Kirchenmusik.

Die Oper Jeanne d’Arc komponierte er auf ein eigenes Libretto, das er nach den Prozessakten der historischen Johanna von Orléans verfasst hatte. Obwohl Braunfels nach dem Ende der Naziherrschaft wieder in sein altes Amt an der Kölner Musikhochschule eingesetzt wurde, blieben ihm neue Erfolge als Komponist versagt. Er starb 1954 in Köln, ohne seine Johanna-Oper jemals gehört zu haben. Die posthume Uraufführung fand erst im Jahr 2001 statt. Das Werk ist Ausdruck der starken Frömmigkeit des Komponisten, die drei Teile  haben spirituellen Charakter und erinnern in ihrer Form an ein Oratorium.

Die hier vorliegende Aufnahme stammt bereits aus dem Jahr 2013 und ist der Mitschnitt einer konzertanten Aufführung bei den Salzburger Festspielen. Manfred Honeck, der sich seit vielen Jahren um die Wiederentdeckung von Braunfels’ Musik bemüht, leitet das Radio-Sinfonieorchester Wien mit großem Engagement, den Orchesterzwischenspielen verleiht er die nötige Dramatik und Wucht, ist dabei aber auch ein sensibler Begleiter für die Gesangssolisten.

Juliane Banse interpretiert die Johanna mit ihrem ausdrucksstarken Sopran mit allen Facetten, die in dieser Figur angelegt sind. Für die Aufführung wurde ein hochkarätiges Ensemble zusammengestellt, manche der Künstler haben seit dieser Aufführung beträchtliche Karrieresprünge gemacht, so der Tenor Norbert Ernst, die Mezzosopranistin Wiebke Lehmkuhl, und der Bariton Johann Reuter. Der Sänger des Heiligen Michael, Bryan Hymel, scheint dagegen seine viel versprechende Karriere bereits beendet zu haben.

Entstanden ist eine Aufnahme aus einem Guss, die eindrucksvoll die tiefe Frömmigkeit des Komponisten widerspiegelt. Für den immer noch schmalen Katalog von Braunfels-Einspielungen ist sie in jedem Fall eine Bereicherung.

Peter Sommeregger, 17. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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