„Starker Ring trotz schwachem Helden“

CD/Blu-ray Besprechung: Richard Wagner Der Ring des Nibelungen  klassik-begeistert.de, 21. Juli 2025

CD/Blu-ray Besprechung:

Richard Wagner
Der Ring des Nibelungen

Andreas Homoki, Inszenierung
Gianandrea Noseda, musikalische Leitung

Tomasz Konieczny
Camilla Nylund
Klaus Florian Vogt

accentus music acc 60656

von Peter Sommeregger

Nicht nur auf den Opernbühnen, auch auf dem Ton- und Bildträgermarkt gibt es eine wahre Ring-Schwemme. Richard Wagners monumentale Tetralogie wird so häufig aufgeführt und aufgezeichnet wie noch nie in ihrer 150-jährigen Geschichte.

Zuletzt waren die Inszenierung Stefan Herheims an der Deutschen Oper, und Dmitri Tcherniakovs Version an der Berliner Staatsoper auf Silberscheiben erschienen. Verlor sich Herheim in albernen Klischees, wie der schon obligatorischen Feinripp-Unterwäsche, so gab Tcherniakov den Zuschauern Rätsel über Rätsel auf, und brachte eine extrem intellektuell verfremdete Lesart des Mammutwerkes auf die Bühne.

Andreas Homoki, erfolgreicher Intendant des Opernhauses Zürich, gönnte sich ein Jahr vor seinem Abschied eine Ring-Neuinszenierung, die auf kluge Weise den Maßstäben des vergleichsweise kleinen Opernhauses Rechnung trägt. Homoki erteilt jeder Monumentalität eine deutliche Absage, stellt vielmehr lebendige, glaubhafte Charaktere auf die Bühne.

Als Szenerie wählt er eine Raumfolge eines Hauses, mit dem Tribschen, das Schweizer Domizil Wagners während der Entstehungszeit des Ringes  gemeint sein könnte. Die dominant eingesetzte Drehbühne erlaubt schnelle Szenenwechsel, geschickt werden Elemente wie die Esche in Hundings Hütte und der Brünnhilden-Felsen integriert.

Im „Rheingold“ sind die Räume noch großbürgerlich gediegen möbliert, auch die Protagonisten sind im Stil der Entstehungszeit gewandet.  Im „Siegfried“ ist das Mobiliar bereits schwer ramponiert, abblätternder Lack und Farbe der Wände weisen im Handlungsverlauf der „Götterdämmerung“ dezent auf den Verfall des Göttergeschlechtes hin.

Der Bühnen- und Kostümbildner Christian Schmidt hat für Homoki stilvolles Ambiente geschaffen. Einziger Missgriff bei den Kostümen ist das schlabberige Kostüm Siegfrieds. Dreiviertel-Hosen stehen wirklich niemandem gut.

Die Personenführung Homokis ist wohltuend unpathetisch, alle Figuren werden prägnant gezeichnet, die szenischen Abläufe sind logisch und nachvollziehbar. Einer oder der andere Einfall geraten ein wenig lächerlich, so der Walkürenritt, wenn die acht Amazonen  in weiße Nachthemden gekleidete gefallene Helden vor sich her treiben, oder wenn Siegfried beim Abschied von Brünnhilde mit aufgesetztem Pferde-Helm eine Art hoppe-hoppe-Reiter-Klamauk andeutet. Aber das sind Kleinigkeiten, die den Erzählfluss nicht beeinflussen. Homoki gelingt ein Ring, in dem die Geschichte stringent und einleuchtend erzählt wird, und eine Überfrachtung mit abstrakter Symbolik vermieden wird.

Zum Stil der Inszenierung passt die Umsetzung der gewaltigen Partitur durch die Philharmonia Zürich. Gianandrea Noseda gelingt ein schlanker, transparenter Wagner-Klang, welcher den Dimensionen des Hauses angemessen ist, die Sänger niemals zudeckt, aber trotzdem in den großen Orchesterpassagen des Werkes die nötige Wucht erzielt.

Durchgehend auf sehr hohem Niveau bewegt sich auch die Sängerbesetzung. Matthias Klink verleiht dem Loge im „Rheingold“ Zynismus und Spielfreude, Claudia Mahnke ist, wie auch später in der „Walküre“, eine fraulich warme, aber auch durchsetzungsstarke Fricka. Alberich findet in Christopher Purves einen verschlagenen und lüsternen Interpreten, der mit seinem wandlungsfähigen Bass ein ebenbürtiger Kontrahent Wotans auch in den folgenden Abenden sein wird. Mit seinem schneidenden Tenor ist Wolfgang Ablinger-Sperrhacke ein markanter Mime, der im „Siegfried“ die ersten Akte eindeutig dominiert. Die drei Rheintöchter Uliana Alexyuk, Niamh O’Sullivan und Siena Licht Miller profilieren sich durch gutes Zusammenspiel und Wohlklang.

In der „Walküre“ überzeugt das Wälsungenpaar Daniela Köhler und Eric Cutler durch engagiertes Spiel. Daniela Köhler verfügt über einen gut fokussierten, jugendlich dramatischen Sopran, Eric Cutler über die geforderte heldische Kraft. Als Bösewicht Hunding macht Christof Fischesser gute sonore Figur. Die acht Walküren bilden ein Ensemble ausgezeichneter Einzelstimmen.

Im „Siegfried“ hat David Leigh den Fafner übernommen, sein schwerer Bass taugt vorzüglich für den wilden Wurm. Als Waldvöglein kann sich Rebeca Olvera mit zartem Sopran bestens behaupten.

Die Sippe der Gibichungen in der „Götterdämmerung“ wird durch den Schwächling Gunther vertreten, dem Daniel Schmutzhard in Statur und Gesang ein markantes Profil verleiht. Seine Schwester Gutrune findet in Lauren Fagan eine Interpretin, die aus der undankbaren Rolle ein Optimum herausholt. David Leigh als jugendlicher Hagen bringt viel Schwärze in seinem Bass mit, nur an der Textdeutlichkeit sollte er noch arbeiten. Waltraute ist bei Sara Feredes fraulichem Mezzo in besten Händen, sie liefert eine hervorragende Charakterstudie dieser kleinen, aber wichtigen Partie.

Nun zu den drei Hauptpersonen: den Wotan, bzw. Wanderer hat man dem polnischen Bassisten Tomasz Konieczny anvertraut, der über die Jahre international zu einem der großen Interpreten dieser Rolle gereift ist. Noch lässt seine Textverständlichkeit Luft nach oben, aber in Spiel und Ausdruck bleiben keine Wünsche offen. Es gelingt ihm, den vielschichtigen Charakter des Göttervaters differenziert darzustellen, und auch stimmlich die Zerrissenheit der Figur abzubilden.

Camilla Nylund, erfolgreiche jugendlich-dramatische Sopranistin, hat sich im Herbst ihrer Karriere zum Einstieg in das „barbarische“ hochdramatische Fach entschlossen. Ob das ein weiser Schritt war, sei dahingestellt. Die exponierten Töne der drei Brünnhilden gelingen zwar gut, aber insgesamt wirkt Nylund doch sehr an ihre Grenzen und darüber hinaus gelangend. Ein starkes Vibrato und zunehmende Schärfen sollten der Künstlerin zu denken geben.

Der Tenor Klaus Florian Vogt polarisiert die Wagner-Szene ganz massiv. Vielen gilt er als derzeit bester Interpret der Wagner’schen Helden, andere verdammen ihn in Grund und Boden.

Tatsächlich ist Vogts anämisch weiße Stimme keinesfalls ein Heldentenor, er scheint über weite Strecken nur mit halber Stimme zu singen, als wäre er auf einer Probe. Im „Siegfried“ müsste er mit seiner Präsenz das Stück tragen, aber der Mime von Wolfgang Ablinger-Sperrhacke singt ihn mühelos an die Wand. Im finalen Zwiegesang mit der Brünnhilde Nylunds erlebt man ein unfrisches, überreifes Paar, da ist nichts von der Leuchtkraft dieses Finales zu spüren. Auch in der „Götterdämmerung“ bleibt seine Stimme trocken, farblos, ja streckenweise von den tieferen Passagen überfordert. Vogts Erfolge kann man eigentlich nur mit dem Fehlen historischer Vergleiche beim jüngeren Publikum erklären.

Die problematische Besetzung von zwei der Hauptrollen kann aber den positiven Gesamteindruck der Produktion nicht wesentlich schmälern.

Homoki gelingt eine einleuchtende, logische und dabei noch unterhaltsame Produktion, fern aller abstrusen Umdeutungen, die Maßstäbe für zukünftige Inszenierungen des Mammutwerkes setzen könnte.

Peter Sommeregger, 21. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Blu-ray Besprechung: Richard Wagner, Der Ring des Nibelungen klassik-begeistert.de, 17. Juli 2025

CD-Rezension: Richard Wagner Der Ring des Nibelungen, Berliner Staatsoper 2022 klassik-begeistert.de, 20. Juli 2024

Blue-ray-Rezension: Richard Wagner, Der Ring des Nibelungen klassik-begeistert.de, 13. Dezember 2022

Der Ring des Nibelungen, Jaap van Zweden, Hong Kong Philharmonic Orchestra, 2018, CD-Besprechung

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert