CD/Blu-ray Rezension:
George Frederic Handel Saul
Orchestra of the
Age of Enlightenment
Ivor Bolton
Barrie Kosky
Opus Arte OA BD 7205 D
von Peter Sommeregger
Händels Dramatisches Oratorium „Saul“ ist dramaturgisch gesehen nicht leicht auf die Bühne zu bringen. Hat man im ersten Teil noch eine bühnenwirksame Handlung, so wirkt das Werk ab der Mitte doch sehr statisch. Die drei Stunden der gegen Ende handlungsarmen Partitur dem Publikum schmackhaft zu machen, war eine gewaltige Herausforderung für den Regisseur.
Barrie Kosky stellte sich ihr, und gewann unüberhörbar die Herzen des verwöhnten Publikums im Glyndebourner Festspielhaus. Seine stets originelle, aber gleichzeitig tiefsinnige Umsetzung des biblischen Dramas zeigt Kosky als echten Menschenversteher, der glaubwürdige Charaktere auf die Bühne zu stellen weiß.
Die Dekorationen von Katrin Lea Tag haben aber auch einen großen Anteil am Erfolg der Produktion. Die opulent dekorierte Szenerie entlockt dem Publikum stellenweise Szenenapplaus, es gelingen ihr stimmige, spirituelle Bilder wie etwa die von Kerzen übersäte Bühne zu Beginn des zweiten Teils.
Die sehr realistisch gestalteten abgeschlagenen Köpfe sind vielleicht manch Einem zu heftig, aber letzten Endes dienen auch sie der Glaubwürdigkeit der blutrünstigen Handlung.
Die Choreographie Otto Pichlers setzt ganz besondere Akzente, verordnet dem Chor eine erstaunliche Beweglichkeit und führt ein erfrischendes Ensemble von wenigen Tänzern ein, die für zusätzliche Bewegung auf der Bühne sorgen.
Der größte Pluspunkt der Aufführung sind aber die ausnahmslos sich auf höchstem Niveau befindlichen Gesangssolisten. Die Titelfigur Saul findet in Christopher Purves einen facettenreichen Interpreten, der seiner Rolle das nötige Temperament verleiht. Eher lyrisch sein Sohn, verkörpert durch Paul Abbleby, bestechend durch die Klarheit seines Countertenors gibt Iestyn Davies die zentrale Figur des David.
Sophie Bevan und Lucy Crowe sind als Sauls ungleiche Töchter Michal und Merab mit ihren glasklaren Sopranstimmen ebenfalls auf der Habenseite der Aufführung.
Ausgezeichnet wie gewohnt der Glyndebourne Chorus und das Orchestra of
the Age of Enlightenment unter Ivor Bolton, der als Spezialist für barocke Musik einmal mehr seine Kompetenz unter Beweis stellt.
Die Aufzeichnung der stimmungsvollen Aufführung geht bereits auf das Jahr 2015 zurück, hat aber nichts von ihrer Frische und Intensität verloren.
Peter Sommeregger, 8. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
DVD Rezension: George Frideric Handel, Saul, klassik-begeistert.de
Georg Friedrich Händel, Saul Theater an der Wien, 17. Februar 2018
Buch-Rezension: Barrie Kosky „Und Vorhang auf, Hallo!“ klassik-begeistert.de, 2. Mai 2023