CD-Rezension:
„Aux Étoiles – French Symphonic Poems“
Orchestre National de Lyon
unter der Leitung von Nikolaj Szeps-Znaider
2 CDs, erschienen 2023 bei Palazzetto Bru Zane
von Dr. Andreas Ströbl
„Das sternenreiche Licht der Nächte“ beschwört der katholische Theologe Auguste-Joseph-Alphonse Gratry und ein Text mit diesem Zitat liegt der titelgebenden Komposition von Henri Duparc zugrunde. Es ist eines unter insgesamt 15 Werken französischer Komponistinnen und Komponisten auf dem Doppel-CD-Album, das bei dem Label Palazzetto Bru Zane erschienen ist. Diese Werke kommen aber weniger katholisch als vielmehr weltlich-sinnlich daher und entführen in die zauberisch-traumhafte Klangwelt des Fin de Siècle.
Die längsten Stücke mit der Dauer einer Viertelstunde rahmen gleichsam die Kollektion, von denen der größte Teil nicht einmal 10 Minuten lang ist. Auf César Francks märchenhaft-dramatische Tondichtung „Le chasseur maudit“ folgt die freudvoll-festliche „Ouverture d’Arteveld“ von Ernest Guiraud, dann feiert Lili Boulanger mit „D’un matin de printemps“ einen blühenden Frühling. Vincent d’Indys „Istar“ spielt mit einem Exotismus voller Farbkraft und Wärme, während Alfred Bruneau mit „La belle au bois dormant“ sehr deutlich und lebensfroh zu Wagner und der Wartburg herübergrüßt. Augusta Holmès „La Nuit et l’Amour“ erfüllt das Versprechen im Titel mit großangelegter und tänzerisch wiedergegebener Leidenschaft und die lebt auch in „Le Rêve de Cléopâtre“, den die ägyptische Königin in aller Opulenz in einer schwülen Nacht am Nil räumt.
Das bereits genannte „Aux Ètoiles“ von Henri Duparc ist Musik, die in ihrer zauberhaften Schönheit glücklich und süchtig macht – was auch für Ernest Chaussons „Viviane“ gilt, mit all seiner berückenden Zartheit und wunderbar aufgeladenen Emotionalität. „Danse mystique“ von Charlotte Sohy ist ebenfalls so ein Stück und besticht durch seine Sogwirkung und eine schwelgerische Sinnlichkeit. Eher elegisch, ja im weiteren Verlauf melancholisch und mit dunklen Farben gemalt, erscheint Victorin Joncières’ „La Toussaint“. Hier klingen sakrale Töne an, die im Finalstück, „La Procession nocturne“ von Henri Rabaud, noch präsenter sind. Trotz choralartiger Passagen durchwabert diese Komposition aber nicht zuviel Weihrauch, denn es ist eine „Faust“-Adaption mit einer guten Portion „Wagnérisme“.
Dies alles sind zu Unrecht nie oder zu selten gespielte, wundervolle Stücke, und dass dieses Doppel-Album auch Paul Dukas’ „L’Apprenti Sorcier“, also den „Zauberlehrling“, Emmanuel Chabriers „España“ und den „Danse macabre“ von Camille Saint-Saëns enthält, mag einer Verkaufsstrategie geschuldet sein. Es wäre aber erfreulicher gewesen, wenn man von diesen Komponisten ebenfalls weniger bekannte Stücke ausgewählt hätte, beispielweise „Polyeucte“ von Dukas.
Dass allerdings vier Damen gewürdigt werden, ist umso mehr zu begrüßen, zumal ja Saint-Saëns komponierende Frauen als genauso absurd empfand wie Hunde, die auf zwei Beinen liefen. Touché, Monsieur Macho – die Werke Ihrer Kolleginnen stehen den Ihren in der Qualität in nichts nach!
Das Orchestre National de Lyon unter der Leitung von Nikolaj Szeps-Znaider spielt mit ebensoviel Engagement und Leidenschaft wie Finesse und Sanftheit und so machen auch die drei oft gehörten Stücke wirklich Freude. Gerade die Solo-Violine brilliert mit feinem Strich.
Das Beiheft ist vorbildlich gestaltet, denn in englischer, französischer und deutscher Sprache informiert das illustrierte Büchlein über den Hintergrund der Zusammenstellung, die einzelnen Komponistinnen und Komponisten sowie die Werke selbst. Es sind sogar die Texte abgedruckt, auf die einige Kompositionen Bezug nehmen.
Man mag den Machern dieser Produktion wünschen, daß sie noch weitere solche seltenen Schätze heben und sie klanglich funkeln lassen. Wärmstens zu empfehlen!
Dr. Andreas Ströbl, 7. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Daniels vergessene Klassiker Nr 10: Lili Boulanger – D’un soir triste
Augusta Holmès (1847-1903), La montagne noire Theater Dortmund, Oper Dortmund, 14. Januar 2024
Daniels vergessene Klassiker Nr 11: César Franck klassik-begeistert.de, 1. Januar 2023